COBEE – «Chaos»
Saturday
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12
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December
2018

Album-Review

COBEE – «Chaos»

Saturday
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8
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December
2018

Album-Review

COBEE – «Chaos»

COBEE – «Chaos»
Quelle:
Kein Album eines deutschsprachigen Künstlers habe ich dieses Jahr so sehnsüchtig erwartet wie COBEEs «Chaos». Mit «Trink mit mir» hat COBEE sich in meine Spotify Wrapped Top 5 gemausert und meiner Meinung nach den zweitbesten CH-Rap-Song dieses Jahres veröffentlicht: sanft und energiegeladen zugleich, zwischen trockener Lowlife-Ästhetik und emotionaler Ballade. Eine Review von Sergio Scagliola.

COBEE offenbart ein sehr grosses musikalisches Verständnis für Stimmeinsatz, Harmonie von Beat und Vocals und Melodie. Meine Faszination für den jungen Berner ausgelöst hat jedoch nicht nur dieser eine Song, sondern das Gesamtpaket. Eine Wahnsinns-Hook auf Manillios 180 km/h, diverse kompromisslos energetische Liveperformances von «Abu Dhabi», auf Augenhöhe mit AKIRA den besten Part auf «Hill’s Kitchen» und – was einige vielleicht noch nicht registriert hatten – COBEEs Soundcloud-Tracks. COBEEs bislang schmale Diskografie bringt eine musikalische Breite an den Tisch, die ich bislang bei keinem Schweizer Künstler gesehen habe. Umso grösser war also meine Vorfreude, als COBEE vor einigen Wochen «Chaos» ankündigte.Der Titeltrack «Chaos» klingt wie ein Lil Peep-Instrumental – einen schwierigeren Beat für einen Opener hätte sich COBEE nur schwierig aussuchen können. COBEEs Umgang mit dem Beat schöpft dessen Potenzial jedoch mehr als aus, die übersteuerte Hook, Herzschmerz-Vocals, ohne kitschig zu sein und generell eine starke Stimmperformance machen diesen Intro/Opening-Track zu einem Highlight des Projekts.Während mir «Stratosphäre» persönlich ein wenig zu corny und kitschig auf Ebene des Texts ist, ist es trotzdem ein objektiv starker Track. Das Sango-Sample auf «20er» hingegen ist wieder persönliches Highlight und würde durchaus animieren, den 20er in Richtung Lorraine-Bad an einem warmen Sommertag zu nehmen, wenn es nicht so kalt wäre. Sommerhit 2019?Die Dawill und Nativ-Collabos zeigen, wie gut die S.O.S-Jungs solo mit COBEE harmonieren. «Balle wiene Baws» ist dreiminütiges Flowflexing, an welchem rein technisch nichts auszusetzen ist. Ein Obligatorium mit einer gesunden Prise Ignoranz und Selbstsicherheit, mit starkem, melodischem Dawill-Verse. «Kryptonit» erinnert textlich an einen typischen liebesinduzierten Nativ-Track, unterlegt von minimalistischen Techno-Drumpatterns und saften Synth-Pads im Hintergrund. Harmonische vier Minuten mit einem Vibe, welcher menschliche Nähe schreit.Zu guter Letzt: «Hurt Cobain» ist verdammt gutes Wortspiel, verdammt guter Track und präsentiert mir einen meiner Lieblingssongs des Projekts, auf Augenhöhe mit «Chaos» und «Trink mit mir». Hier kommen alle Qualitäten COBEEs richtig zum Vorschein, welche letztendlich einen COBEE-Crème-de-la-Crème-Track zusammenschustern. Der Berner schüttelt eine Ohrwurm-Hook und emotionsgeladenen Text aus dem Ärmel auf das zur Stimmung sehr gut passende Instrumental, als wärs nothing, würde Nativ wohl sagen. Der Mentoren-Status Nativs und Dawills zeigt sich hier von seiner besten Seite, Verses mit Flow à la Dawill und unverstellt verpackten Emotionen à la Nativ. Bitte weiter so COBEE. Zusammenfassend kann man sagen: Der Name des Albums ist Programm. COBEE präsentiert der Schweizer Musikszene ein Album, welches von musikalischer Diversität strotzt. Verschiedenste Einflüsse von 70er-Jahre-Soul über Post-Punk-Gitarrensamples bis zur melancholischen Lil Peep-Ästhetik des letzten halben Jahrzehnts ziehen sich durch «Chaos» und malen ein Bild, welches nur schwer als Gesamtprodukt auseinanderzunehmen und auf eine Thematik herunterzubrechen ist. COBEE kreiert Chaos in einer Art und Weise, die von aussen wohl nur schwierig zu durchblicken ist. «Chaos» ist meiner Meinung nach eines der stärksten schweizerdeutschen Alben dieses Jahres und sicherlich dasjenige, welches mir am meisten Freude bereitet. Mein einziger Kritikpunkt: Es ist eine Ansammlung starker Einzeltracks, erzählt mir aber als Projekt zu wenig eine Geschichte. Mir persönlich fehlt in diesem Chaos lediglich ein roter Faden oder zumindest etwas, woran ich mich thematisch festhalten könnte, als dass ich das Gesamtprojekt als makellos ansehen könnte.Rating: 5/6Text: Sergio Scagliola

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