Nach einer fast ein ganzes Jahr anhaltenden Promophase, in welcher Singles wie «Gone» und «Blud» ausgekoppelt wurden, ist es nun endlich soweit. Das 18 Tracks starke, zweite Soloalbum des CH-Rap-Stars erschien und beeindruckte gleichermassen mit der bekannten Pronto-Soundformel aus Trap und Dancehall, wie auch mit neuen Amapiano- oder Grime-Einflüssen, worüber der Künstler mit seiner unverkennbaren rauchigen Stimme Zeilen über den Erfolg und Weisheiten über das Leben nuschelte. Die Textpassagen sind wie von Pronto gewohnt zuweilen so schwer zu entziffern, dass selbst Landsleute beim Hören ab und an mal zur Genius-Page greifen müssen oder zu Pronto's TikTok-Account, auf welchem dieser im kurzweiligen Videoformat seiner internationalen Community mal einen Song auf Hochdeutsch zu erklären probiert.
Während sich einige über seine gewöhnungsbedürftige Ausdrucksweise lustig machen, ist es eigentlich viel mehr bewundernswert, wie Pronto mit seinem eigenen Lingo Sprachbarrieren durchbrechen konnte und somit zum erfolgreichsten Mundart-Rapper des Landes wurde. Dies brachte ihm etwa auch den Respekt von Haftbefehl ein, der mit seiner eigenen Azzlackz-Sprache einen ähnlichen Weg in Deutschland ging. Auf «LUNO V» erforscht Pronto seine eigene Soundwelt in all ihren Facetten. Der Titel, welcher an bisschen an einen Planetennamen aus einem Sci-Fi-Film erinnert, passt daher wohl ziemlich gut. Wir haben das Album genauer unter die Lupe genommen um herauszufinden, auf welchen Ebenen es überzeugt.
Müsste man einen US-Rapfan für die CH-Rap-Szene begeistern, würde man als Beispiel wohl als Erstes einen Pronto-Track abspielen. In der Schweizer HipHop-Landschaft ist der Künstler seiner Zeit immer noch meilenweit voraus – und das, obwohl er schon seit fünf Jahren im Game ist. Das reiche und kreative Soundbild hebt Pronto immer noch als Unikat im CH-Rap hervor, denn so wie er klingt keine:r, nicht einmal international. Nicht umsonst begeistert er trotz Mundart-Texten auch über die Landesgrenzen hinaus und weckt das Interesse von hochkarätigen Deutschrap-Plattformen wie Aria Nejati’s «HYPED»-Show bei Apple Music oder «STOKED».
Mit Songs wie «Gone», «Blud» oder «Wünshe dir» schuf Pronto eingängige Hits mit Sommer-Flavour, die uns treue Mitbegleiter durch das Rap-Jahr waren. Aber damit hat er zum Glück bei weitem nicht schon sein ganzes Pulver verschossen: Während bekannte Szenenvertreter:innen ihre aus Pflichtschuld jährlich veröffentlichten Alben mit Leftovers auf 12 Tracks aufstocken, da sich das Albumkonzept in der TikTok-Ära kommerziell nicht mehr gross rendiert, bleibt «LUNO V» bis zum letzten, 18. Song interessant. Der Vibe wechselt von düster-grimmig zu melancholisch-spirituell, und von da wieder zum tropischen Sommerhit mit allerlei Flex-Zeilen. Das macht die Tracklist hochspannend, abgesehen von der Inklusion seines bereits zwei Jahre alten Megahits «Priceless», dessen Platzierung auf «LUNO V» wie eine Label-Entscheidung für mehr gemogelte Album-Streams wirkt.
Was viele nicht wissen: Prontos musikalische Vision umfasst nicht nur seine Lyrics und Melodien, sondern auch seine Instrumentals. 16 der 18 Tracks auf seinem zweiten Studioalbum hat Pronto eigenhändig produziert, was die Variation zwischen Grime, Amapiano, Trap und Dancehall umso beeindruckender macht.
Zum ersten Mal seit der DaHated-Kollaboration «3x Nix» aus 2019 lädt Pronto wieder Gäste auf seine eigenen Musik-Releases ein. Über die Jahre konnte sich Pronto ein verrücktes Netzwerk aus Kontakten zu berühmten Deutschrap-Stars aufbauen, darunter etwa Capo, Eno oder Ataypapi. Diese Bekanntschaften liess er aber für sein Album völlig ungenutzt und entschied sich stattdessen für Kollaborationen mit dem schwedischen Duo Robbz x Brookz, dem in Luzern wohnhaften, albanischem Rapper GRMV und seinem eigenen Bruder Elom. Dass sich Pronto trotz Major Label im Rücken hier für den unkommerziellen und unkonventionellen Weg entscheidet, macht ihn so irgendwie sympathisch. Gleichzeitig gehen aber leider die von ihm handgepickten Feature-Gäste neben ihm ein wenig unter.
Pronto war bisher nie der Künstler, der übermässig viel von sich oder auch seiner Gefühlswelt zeigte. Auch in den spärlich über die Jahre erschienenen Interviews kam nicht viel von seiner Persona zum Vorschein, womit er im Gegensatz zu seinen CH-Rap-Kolleg:innen deutlich weniger Identifikationsspielraum zuliess. Auf seinem neuen Album erleben wir Pronto nun aber introvertierter und nachdenklicher denn je. Mit persönlichen Songs wie «Yaa Dede» oder «Light Light» gibt Pronto nicht nur mehr von seiner Identität preis, sondern schafft auch echte, berührende Momente. Besonders der Closer «Light Light», der mit einem starken Musikvideo erschien, geht unter die Haut.