Der Zynismus auf Tilt's erstem Soloalbum ist deutlich einfacher zu finden als die Romantik. Jede Zeile trieft vor Nihilismus, das Leben liegt im Scherben und das Haus steht in Flammen. Wer noch mit dem kleinsten Schimmer Hoffnung am Horizont wie etwa auf KUMMER's letzem Song gerechnet hat, wird mit einem herzlichen «Figg di!» begrüsst, den ersten gesprochenen Worten auf dem ganzen Album. Über gesampleten Autobahnlärm und mit völligem Verzicht auf Drums setzt der Chaostruppe-Rapper mit pessimistischen Passagen und stumpfen Battle-Lines bereits den Ton für das Album, zumindest textlich.
Besonders romantisch gehts es auch auf «BNNU» nicht zu und her, was ausgeschrieben so viel wie «bechum ne nid ufe» bedeutet, und Erektionsprobleme thematisiert. Dies wohl nicht, um ein Tabuthema im Rap zu entstigmatisiseren, sondern als Metapher für die allgegenwärtige Leistungsgesellschaft. Wie Tilt verzweifelt «Ich bechum ne nid ufe!» über einen bedrückenden Haftbefehl-Type-Beat schreit ist verdammt lustig, aber wirklich nicht besonders romantisch. Die Romantik taucht dann aber doch auf «Vilech» auf, ein Schlüsselsong auf dem Album.
«We aues für nüt isch und Haut nur im üs fingsch / verarscht di dis Gfühl nid, Romantik macht zynisch»
Dass Tilt nicht nur deprimierende, melancholische Zeilen über das Leben schreiben kann, sondern auch ein leidenschaftlicher Battle-Rapper und Cypher-Veteran ist, wird auf dem Album ebenfalls deutlich. Mit extra stumpfen Punchlines formt er sein lyrisches Ich zu einer widerwärtigen, überzeichneten Kunstfigur, erzeugt aber auch erstaunlich viele zitierbare Verses und One-Liner, die einem noch lange im Kopf bleiben dürften.
«Dis Label verdient nid mal we erschosse wirsch / Trotzdem verdiensch, dass du erschosse wirsch!»
Trotz hartem Tobak macht «Zynischi Romantik» aufgrund des ausgeprägten Wortwitzes und der vielseitigen und immer wieder grossartigen Production Spass. Das diverse Soundbild stammt nicht von schlechten Eltern: Beats für das Projekt liefern Flew, Anemonen, DJ Kermit und Merlin. Tilt springt hin und her zwischen modernem Trap, Funk, Boombap und düster-atmosphärischen Beats ohne Drums und blüht in seiner «Figg di»-Attitüde vollends auf. Auch die melancholischen Momente funktionieren, da Tilt trotz überzeichnetem Zynismus seine realen Gefühle und inneren Konflikte authentisch in die Musik transportiert. Ironischerweise hört das Album mit dem Satz «Eigentlich isch ja aues guet» uf. Diese Message ist aber verhältnismässig so positiv, dass Tilt die Zeile wohl auf den Hidden Track am Ende verbannen musste, um in seiner Rolle zu bleiben.