Die OG-Gruppe hat alles erlebt: In ihren 30 Jahren in der HipHop-Industrie haben Sen Dog und B-Real Artists kommen und gehen sehen, doch sie sind geblieben. Ikonisch sind nicht nur ihre HipHop-Klassiker wie «Sick in the Brain»,«Hits from the Bong» oder «How I Could Just Kill A Man», sondern auch ihr jahrelanges Engagement für die Cannabis-Legalisierung, selbst bevor die Droge salonfähig wurde. Nach 9 Millionen verkauften Alben, 3 Grammy-Nominierungen und zahlreichen musikalischen Experimenten kehrt die Gruppe zurück mit ihrem zehnten Studioalbum, einem grimmigen Back-to-the-Roots-Album.
Über die Jahre waren du und B-Real sehr experimentell und habt verschiedene Styles ausprobiert. Warum habt ihr euch für das neue Album entschieden, back to the roots zu gehen?
Wir dachten, es wird langsam wieder Zeit. Es machte irgendwie Sinn, 30 Jahre nach unserem ersten Album back to the roots zu gehen, weil wir ja in HipHop verwurzelt sind. Wir haben Rap mit Rock-, Metal- und Reggaeeinflüssen gemacht, wir haben auf Spanisch gerappt – wir hatten sehr viele verschiedene Styles. Wieder puren HipHop zu machen war irgendwie die natürliche Schlussfolgerung.
«Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, wie nahe Tupac uns stand.»
Eure Musik hat ein ganzes Genre und unzählige seiner Artists inspiriert. Wer hat euch ursprünglich dazu inspiriert, Musik zu machen?
Ich begann in meinem Abschlussjahr in der High School zu rhymen. Run DMC war sehr beliebt damals. Sie hatten einen Song, der «King of Rock» hiess, den ich sehr oft hörte. Dann sah ich sie eines Tages in der «Soul Train»-Sendung an einem Samstagnachmittag. Und da waren sie mit ihren Hüten, dem Leder, den Adidas-Sneakern mit diesen Schuhbändeln. Und von da an wollte ich wie sie sein. Danach kamen Public Enemy und die Beastie Boys. Damals gab es in LA noch gar nicht so viele HipHop-Typen. Ice-T war zwar da und ist ein bisschen aufgefallen, aber Dr. Dre war immer noch in der Hood. Die meisten meiner Einflüsse kamen aus New York, wie Utfo, EPMD, LL Cool J und Slick Rick. Ich sah die Leute aus New York nie nur als Legenden, sondern immer schon auch als Pioniere. Was sie in New York begannen, ging um die ganze Welt, jetzt hat jedes Land Rapper und DJ’s. Aber ich wurde nicht nur von HipHop beeinflusst. Als ich in der dritten oder vierten Klasse das erste Mal KISS hörte, hatte das auch einen Effekt auf mich. Es war immer schon Rap und Rock für mich, nie nur HipHop.
Die nächste Frage könnte vielleicht schwer zu beantworten sein. Welche Rapper rauchen mehr Weed als ihr?
Niemand. Cypress Hill lebt Weed-Rap. Ich kenne Leute, die sich von uns verstecken, damit sie nicht passiv-high von uns werden. Ich glaube wirklich, dass niemand so stoned wird wie B-Real. Es gibt zwar Leute, die bekannt dafür sind, viel zu rauchen. Aber niemand raucht so viel wie Doctor Greenthumb.
Ihr seid in dieser Disziplin also die Kings.
Ja, wenn du das so sagst. Damit kann ich gut leben, wir sind die Kings of Weed. (lacht)
«Cypress Hill bleiben Aktivisten, für immer. Und darauf sind wir stolz.»
Während eurer ganzen Karriere habt ihr euch für die Legalisation von Cannabis engagiert. Auf eurem neusten Album zum Beispiel auf dem Track «Open Ya Mind». Warum ist euch dieses Anliegen so wichtig?
Als wir mit der Musik begonnen haben, gab es kein legales Gras. Es galt als eine Klasse-1-Droge, neben zum Beispiel Heroin und Crack. Wir haben uns über Jahre dafür eingesetzt, dieses Vorurteil zu brechen. Und jetzt gibt es zwar langsam Legalisationsgesetze, aber wir sehen, wo das hingeht. Jetzt ist die Regierung involviert, alles zu überwachen. Es werden ständig neue Gesetze erlassen, alles ändert sich konstant. Deshalb war es uns wichtig, dass in die Musik zu packen und es die Leute wissen zu lassen. Nur weil es jetzt an manchen Orten legalisiert wurde, zum Teil auch nur für medizinische Zwecke, ist der Kampf noch nicht vorbei. Es ist wichtig, dass die Leute darüber Bescheid wissen – nicht nur wir, sondern die ganze Cannabis-Community. Es ist nicht so, dass wir jetzt alle sagen: «Oh, jetzt ist es legal, wir sind glücklich und stoned, yeyyy!» Du musst jetzt mehr für dein Marihuana zahlen als vorher. Das sind Dinge, über die wir die Leute aufklären wollten auf dem Album. Wir kämpfen immer noch für die Legalisation und wir werden nicht damit aufhören. Cypress Hill bleiben Aktivisten, für immer. Und darauf sind wir stolz.
«Mir wäre es wichtig, dass die Leute ihren Zugang zu HipHop durch den ursprünglichen Sound finden, wie zum Beispiel durch Cypress Hill oder all die grossen Bands, die vor uns kamen.»
Auf «Come with me» verneigt ihr euch vor der Raplegende Tupac Shakur, den ihr vor seinem tragischen Tod gut gekannt habt. Wie war eure Beziehung zu ihm?
Er war wie ein Bruder für uns. Als wir uns zum ersten Mal trafen, war er mit Digital Underground unterwegs, die gute Freunde von uns waren. Sie haben uns ihm vorgestellt. Tupac kam ab und zu vorbei zu der Strasse, an der ich lebte, um mit mir zu rauchen. Er war so ein cooler Typ, du wolltest einfach mit ihm abhängen. Es machte immer Spass, mit ihm Zeit zu verbringen. Ich vermisse ihn so fest. Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, wie nahe er uns stand. Ich weiss, würde er noch leben, wäre er auf dem Album und er hätte nichts dafür verlangt. Er hatte eine grosse Liebe für das Leben. Er war immer im Zentrum der Aufmerksamkeit wo auch immer wir hingingen. Ich denke immer wieder darüber nach, wie glücklich er war, Tupac Shakur zu sein. Der Mann zu sein, der diese Musik macht. Er wurde zwar unglaublich berühmt, aber er hat sich nie verändert. Zumindest nicht mir gegenüber. Er war immer derselbe Tupac, war es mit Digital Underground oder bei Death Row. Dafür habe ich grossen Respekt. Dieselbe Liebe, derselbe Respekt, dieselbe Kameradschaft. Wir haben uns regelmässig getroffen bis zum tragischen Ereignis, in dem er sein Leben verlor.
Bei eurem neusten Projekt habt ihr euch für einen klassischen Album-Release entschieden. Dies in einer Zeit, in der Rapper:Innen nur noch Songs und EP’s releasen. Glaubst du, dass die Kunst, ein Album zu kreieren, verloren geht?
Ein bisschen schon, ja. Ich persönlich habe sehr viel Spass daran, ein Album von Grund auf zu gestalten, bis hin zum Verkauf. Für mich ist es einfacher, als einfach alle zwei Monate einen Song zu releasen. Wenn wir ein Album machen, dann geben wir uns Mühe, in allen Bereichen unser Bestes zu geben. Ich verstehe, dass viele Menschen Musik nicht mehr auf diese Art veröffentlichen. Das ist jetzt einfach ein Ding der jüngeren Generation. OG-Künstler wie wir geben euch immer noch ganze Alben. Wir haben auch nicht vor, das in der Zukunft zu ändern. Hoffentlich hören sich die Leute unser Album als Ganzes an, als ein zusammenhängendes Kunstwerk, anstatt einfach ein Song hier, ein Song da. Du musst wissen, ein Album zu machen ist ein Prozess. Es geht darum, Kunst zu machen. Es gehört viel dazu. Ich glaube immer noch, es ist eine schöne Kunstform, und ich hoffe, dass sie nicht verloren geht. Ich persönlich höre mir immer noch gerne Alben am Stück an. Dieses ganze Shuffle-Ding gefällt mir nicht. Die Jungen mögen das, aber für mich ist es ein Beweis von Talent, wenn ein Artist ein konsistentes Stück Musik releasen kann.
«Es ist auch voll okay, wenn HipHop und Pop kombiniert werden. Das bringt das Genre an neue, höhere Orte.»
Diese Entwicklung ist nur eine kleine Veränderung in den 30 Jahren, in denen ihr in der HipHop-Industrie wart. Seither hat sich HipHop stark verändert, es wurde viel grösser und kommerzieller. Wie denkst du über diese Entwicklung?
Ich wusste immer, dass es grösser, viel grösser werden würde. Aber was die Kommerzialisierung angeht, ich mag den kommerziellen Sound nicht. Aber ich verstehe, dass so etwas passiert, wenn etwas gross wird und um die ganze Welt geht. Früher gab es Run DMC und Public Enemy, die vom Mainstream weit entfernt waren. Zur selben Zeit gab es aber auch MC Hammer, der sehr viel kommerziellere Musik machte als die vorherige HipHop-Musik. Es ist voll okay, wenn es kommerziellere HipHop-Musik gibt. Es ist auch voll okay, wenn HipHop und Pop kombiniert werden. Das bringt das Genre an neue, höhere Orte. Es ist überall so, auch im Sport: Irgendwann wird es so riesig, dass grosse Firmen involviert werden. Und das ist okay. Mir wäre es einfach wichtig, dass die Leute ihren Zugang zu HipHop durch den ursprünglichen Sound finden, wie zum Beispiel durch Cypress Hill oder all die grossen Bands, die vor uns kamen.
Du hast die Entwicklung von HipHop für 30 Jahre miterlebt. Es wäre spannend, deine Meinung zu hören, wie sich das Genre in der Zukunft weiterentwickeln wird. Ob es noch grösser wird, oder ob ab einem gewissen Punkt die Leute ihr Interesse daran verlieren werden.
Ich glaube nicht, dass Leute ihr Interesse daran verlieren werden. Ich glaube, es wird noch grösser als zuvor, weil jetzt auch andere Länder ihre erfolgreichen HipHop-Stars haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Genre eines Tages einfach verschwinden wird. So lange junge Leute sich für ein besseres Leben für sich und ihre Familie einsetzen, und dafür ist HipHop das perfekte Medium, wird das Genre an der Spitze bleiben. Auch wenn ich nicht mehr auf dieser Erde bin, HipHop wird fortbestehen.
«Wir hatten einen grossartigen Run, aber irgendwann will ich auch nicht mehr arbeiten und nur noch meine Grosskinder aufwachsen sehen.»
Ihr habt in der Vergangenheit schon mit vielen spannenden Künstler*Innen zusammengearbeitet. Habt ihr noch einige Artists auf der Bucket List, mit denen ihr noch unbedingt zusammenarbeiten wollt?
Ja mann! Definitiv. Wir machen bei Cypress Hill zwar nicht viele Features auf unseren Alben, meistens war es einfach die Kerngruppe, die die Musik macht. Ich sehe viele Leute da draussen, die ihr Ding machen und die würdig wären, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich halte da schon Ausschau, es gibt viele spannende Leute.
Wer zum Beispiel?
Schoolboy Q zum Beispiel. Ich mag seinen Style sehr. Er erinnert mich ein bisschen an mich selbst. Das wäre sicher ein gutes Collab. Aber nicht nur HipHop-Leute, da gäbe es auch Metal-Bands. Ich wäre immer down, würde jemand aus diesem Sektor mit mir arbeiten wollen. Ich mag die Musik von Kendrick Lamar. Er ist anders, als das meiste Zeug, dass aktuell rauskommt. Das wäre ein wirklich gutes Collab. Aber auch einen Song mit Snoop Dogg zu machen wäre grossartig. Er ist immer noch ein King, er ist immer noch ein Boss. Wenn ich nach Features schaue, schaue ich nicht nur nach Leuten, die ich mag, sondern auch nach Artists, die etwas zu meinem Song beitragen können. Es gibt sehr viele Künstler, die dafür im Frage kommen. Ich bin da sehr offen.
Ich bin gespannt auf das Schoolboy Q-Feature!
Jetzt kommt zuerst mal das von Black Milk produzierte «Back in Black»-Album, ein weiteres mit DJ Muggs ist in Vorbereitung. Was danach kommt, weiss ich noch nicht. Aber es wird sicher eine tolle Zeit – nicht nur für uns, sondern auch für unsere Fans. Wir werden weiterhin hart arbeiten und den Respekt behalten. Das ist, was wir machen.
Macht Cypress Hill für weitere 30 Jahre Musik?
Da bin ich mir nicht so sicher, mann. (lacht) Dann wäre ich ein sehr sehr alter Rapper. Wir werden aber noch eine Weile hier sein. Wir hatten einen grossartigen Run, aber irgendwann will ich auch nicht mehr arbeiten und nur noch meine Grosskinder aufwachsen sehen.