Wir schreiben das Jahr 2009. Die 16-jährige Berlinerin ELIF beginnt ihre Karriere in der ProSieben-Castingshow Popstars. Mittlerweile ist sie eine der vielversprechendsten Künstlerinnen, die Deutschland gerade zu bieten hat. Ihre Feature Liste geht von Samra, über Farid Bang bis hin zu Katja Krasavice.
Unserer Leserschaft bist du vielleicht noch nicht allzu bekannt, da wir doch eher im Schweizer-Rap angesiedelt sind. Kannst du dich einmal in ein paar Sätzen kurz vorstellen?
Ich bin ELIF. Ich komme aus Berlin, bin Musikerin, Songwriterin und Sängerin. Mache mein Leben lang eigentlich nur das - seitdem ich 16 bin. Es klingt immer so krass, aber ich habe sehr früh angefangen Musik zu machen.
Wir gehen auch direkt ganz an den Anfang. Du hast 2009 bei Popstars deine Karriere gestartet. Was ist das Wertvollste, was du in der Zeit gelernt hast?
Das Wertvollste, was ich gelernt habe, ist zu wissen, was ich nicht möchte. Popstars ist eine Sendung, bei der dir vorgeschrieben wird, was du machen sollst. Du hast kein Mitspracherecht bei der Song Auswahl. Ich singe mein Leben lang schon auf Deutsch, habe aber dort nur englischsprachige Lieder gesungen. Allein aus dem Grund, weil das Format das vorgeschrieben hat.
Jedoch das Beste war, als ich verloren hatte und Zweite geworden bin, unterschrieb ich eine Woche später meinen Plattenvertrag bei Universal. Ich war 17. Meine Eltern haben diesen Vertrag sogar noch mitunterschrieben. (lacht)
Trotz allem wird oft noch der Begriff «Newcomerin» mit dir in Zusammenhang gebracht, obwohl du schon seit über 10 Jahren Musik machst. Wie ist das für dich?
Ich finde es lustig, dass die Leute mich als Newcomerin sehen. Es zeigt, dass sie mich immer wieder neu entdecken. Ich habe mich verändert in den letzten 10 Jahren. Ich habe mit Deutschpop angefangen, aber bin jetzt auch mehr im Rap vertreten. Ich rappe, singe und probiere aus - einfach das, was eine Künstlerin macht.
Siehst du in dem Begriff eine Art Chance?
So habe ich es noch nie betrachtet. Ich find es eher lustig. Die Leute entscheiden, ob ich eine Newcomerin bin oder nicht. Ich kenne mich mein ganzes Leben lang. Für mich selbst bin ich nie eine Newcomerin. Jedoch entdecke ich mich immer wieder neu. Ich kann jetzt schon garantieren, dass meine Musikrichtung nicht so bleiben wird, wie sie jetzt ist. Dann werde ich wieder eine Newcomerin sein.
Genau diese Wandlung sieht man auch, wenn man deine Musikvideos von damals im Vergleich zu den jetzigen schaut. Was für Gefühle kommen bei dir hoch, wenn du auf die «alte» ELIF zurückschaust?
Wenn ich auf die «alte» ELIF zurückschaue, dann bin ich sehr stolz auf sie. Sie hat es einfach durchgezogen. Obwohl ich ohne finanziellen Luxus aufgewachsen bin und nie eine Ausbildung genossen habe, die mich auf meine Karriere hätte vorbereiten können, habe ich jede Möglichkeit genutzt, um meinem Traum ein bisschen näher zu kommen. Beispielsweise habe ich während dem Gitarrenunterricht zusätzlich immer auch Texte geschrieben – so entstanden auch meine ersten Songs.
Was für einen Einfluss hat deine starke äusserliche Veränderung auf deine Musik?
Styling ist ein sehr grosser Faktor bei mir. Ich finde, dass man mit Looks und seinem Aussehen sehr viel ausdrücken kann. Man sollte das als Erweiterung seiner Kunstform sehen. Ich drücke mit meiner Musik etwas aus, aber wenn ich ein Musikvideo dazu drehe, dann muss auch das Styling dazu stimmen. Darauf achte ich mich jetzt viel mehr und habe ganz andere Möglichkeiten als früher, was ich sehr schön finde.
Gibt es Lieder von damals, mit welchen du dich gar nicht mehr identifizieren kannst?
Es gibt schon ein oder zwei Lieder, bei denen ich denke: «Naja, die sind zu kitschig oder zu popig…» (lacht) Auf der «Doppelleben» Platte zum Beispiel, gibt es einen Song, der heisst «Panoramablick» und der ist wirklich über das Ziel hinausgeschossen. Ich weiss noch, dass mir Leute gesagt haben: «ELIF, der Song ist jetzt echt nicht so geil», aber ich wollte ihn unbedingt drauf haben. Dafür habe ich sehr viele Songs, die zeitlos sind. Dazu gehören sicher «Unter meiner Haut», «Baba» oder «Nichts tut für immer weh».
Wenn man deine Diskografie anschaut, hast du eine grosse Bandbreite an Features. Von Farid Bang über Samra bis hin zu Clueso und Katja Krasavice. Auf welches Feature bist du besonders stolz?
Ich bin auf das Feature mit Katja auf dem Song «Highway» sehr stolz. Die Zusammenarbeit war eine 10 von 10. Es gibt keine fleissigere Künstlerin als sie. Sie hat das gleiche Mindset wie ich – sie gibt 200% für die Musik. Deswegen ging unser Song auch auf die Eins in Deutschland, worauf ich bis heute sehr stolz bin. Mit Katja arbeite ich jederzeit wieder gerne zusammen.
Und mit welchem Artist würdest du am liebsten noch zusammenarbeiten?
Ich fände es cool Features zu machen im Ausland. Vielleicht auch mal in ein anderes Genre rein. Nicht nur Rap, sondern auch mal ganz woanders hin - Blues, Jazz, Indie fände ich sehr interessant… Einfach das mal etwas Neues entsteht.
Wenn wir gerade bei Features sind: Was konntest du von deinen Kollaborationen lernen? Gab es einen Stand-Out Moment?
Fast alle Artists, mit denen ich zusammengearbeitet habe, hatten so einen Drive. Es sind alle am hustlen. Wenn ein Künstler:in oben ist, kannst du dir sicher sein: er oder sie hustlet. Diese Attitüde haben alle und das steckt an – Jedenfalls auf mich färbt es ab und das gefällt mir.
Dann pusht man sich gegenseitig.
Ja, es pusht einen. Aber ohne, dass man sagt: «Ich werde besser als du!». Sondern viel mehr: «Du bist du und ich bin ich», ohne sich zu vergleichen.
Ich habe auch aufgehört mich mit anderen in einen Topf zu werfen. Keiner schreibt Musik wie ich. Ich bin ELIF und man merkt auch, dass ich das bin. Wenn man anfängt so zu denken, dann konkurrierst du nur noch mit dir selbst und nicht mehr mit anderen. Du musst unbedingt deinen eigenen Topf finden, damit andere Leute dir folgen. Sonst wirst du immer der sein, der anderen Leuten folgen.
In einem Interview habe ich gelesen, dass du grosser Metal und Rock Fan bist. Hat das einen Einfluss auf deine Musik? Wenn ja, was für einen?
Ja, es hat einen sehr grossen Einfluss auf meine Musik. Bands wie Paramore, Heaven Shall Burn oder Linkin Park haben mich sehr geprägt in meinen Melodien, aber auch für meine Live Performance. Das wird man, unter anderem, auf der «ENDLICH WIEDER-TOUR» merken. Mein ganzes Konzert wird rockig – Hauptsächlich inspiriert von Bring Me The Horizon.
Eine krasse Live-Band auf jeden Fall. Du spielst am 21. April im Plaza in Zürich. Heisst das, man wird dich mit Band im Rücken auftreten sehen?
Ja, ich werde mit Band auftreten. Ich weiss, dass viele Rapper:innen mit DJ auftreten, aber das entspricht nicht meinen Vorstellungen. Ich bin Musikerin und möchte das meinen Fans auch zeigen. Normalerweise habe ich immer Gel Nägel, die sind jetzt aber weg, damit ich auf Tour Gitarre spielen kann. (lacht)
Und welchen Einfluss hat Rock und Metal auf dich als Person?
Grundsätzlich mag ich an Metal und Rock, dass man die Wut der Artists in ihrer Musik heraushören kann. Die lassen ihre Wut aus und sind dann privat die liebsten Menschen. Das probiere ich in meiner Musik auch zu machen – Ich habe keine Angst meine Emotionen rauszulassen.
Die “I don’t give a fuck” Attitüde.
Ja, genau. Ich habe Songs, wo ich fast schon schreie. Zum Beispiel: «Verdammt, was ist mit uns passiert?», brülle ich mit voller Lautstärke raus. Diese Attitüde kommt mit Sicherheit vom Rock.
In ein paar Wochen erscheint dein neues Album «ENDLICH TUT ES WIEDER WEH». Was können deine Fans erwarten?
Die Leute kriegen ein klassisch ELIF-Album, mit ein paar neuen Seiten von mir – Beispielsweise meinen Humor. Normalerweise erzähle ich von meinen Gefühlen und gehe damit in die Tiefe. Jedoch auf «ENDLICH TUT ES WIEDER WEH» gehe ich mit Situationen nicht immer traurig um, sondern auch humorvoll oder sarkastisch. Das ist für mich eine Weiterentwicklung. Jede Emotion ist erlaubt – Trauer, aber auch zu lachen, wenn etwas schief läuft oder etwas Blödes passiert.
Gibt es sonst Dinge, die du in Zukunft noch erreichen möchtest? Vielleicht auch Sachen, welche die Leute gar nicht erwarten würden? Zum Beispiel kann ich mir gut vorstellen, dass du mal deinen eigenen Podcast machst, aufgrund deiner beruhigenden Stimme.
Tatsächlich hatte ich im letzten Jahr eine Sprecherrolle - «Valeria» von «Call of Duty: Modern Warfare II». Das hat sehr viel Spass gemacht und mich inspiriert in Zukunft mehr Synchron-Sprecherrollen zu übernehmen, denn ich liebe es mit meiner Stimme zu arbeiten. Danke auch für das Kompliment. (lacht)
Klar, dass ist das Erste, an das ich bei dir denken musste.
Dazu will ich unbedingt viel mehr live spielen. Das ist so ein bisschen auf der Strecke geblieben während Corona. Ich konnte es noch nicht richtig ausleben und allein das ist ein Full-Time Job. Wenn ich diese zwei Dinge: Konzerte und Synchron-Sprecherrollen, mehr umsetzten darf und besser darin hineinwachsen kann, bin ich schon sehr zufrieden.
Das vierte Studioalbum von ELIF heisst «ENDLICH TUT ES WIEDER WEH» und erscheint am 03. Februar 2023. Hier könnt ihr das Album vorbestellen.
Zusätzlich zum Interview haben wir mit ELIF über Frauen in der Entertainment-Branche geredet. Check it out!
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