Vor einer Woche erschien der Track «Miss You» des berühmten DJ’s Robin Schulz. Der EDM-Track mit Oliver Tree-Feature erfährt nun aber schwere Kritik. Der weitaus weniger bekannte Berliner Musiker southstar warf dem DJ nämlich vor, seinen Song kopiert zu haben. Tatsächlich: Der Titel, das Arrangement und die Vocals stimmen überein, die beiden Songs hören sich fast zum Verwechseln ähnlich. Nur hatte southstar seinen Song bereits im Mai veröffentlicht. Zum Vergleich hier das Original:
Und hier der Song von Robin Schulz:
Rapper wie Bausa, Pashanim, Symba und Ahzumjot solidarisierten sich bereits mit dem Newcomer, dessen Song augenscheinlich dreist kopiert wurde. Die Kommentare unter dem YouTube-Video und den Posts von Robin Schulz sind voller Solidaritätsbekundigungen an southstar und Kritik an Schulz. Dieser schweigt aber zur Thematik und postet unbeirrt Ferien- und Konzert-Videos aus Mykonos und Venedig. Alleine sein Manager gab ein schwammiges Statement zur Thematik ab, welches beteuerte, Robin Schulz hätte bis zum Schluss auf einen gemeinsamen Remix gehofft. southstar hingegen behauptet, nie von irgendjemandem aus dem Umfeld von Robin Schulz kontaktiert worden zu sein. Ob der Star-DJ mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat, ist bisher unklar.
Nicht nur in der elektronischen Musik werden Ideen geklaut, sondern auch im HipHop. Gerade wird beispielsweise Kollegah dafür kritisiert, dass er sich wohl für Hunderte Rap-Lines in Online-Foren bedient hat, ohne Credits zu geben. Auch ein Schweizer Beatproducer namens Wylo warf 2020 dem amerikanischen Producer CashMoneyAP vor, ein Sample von ihm ohne Erlaubnis für Pop Smoke's Song «For The Night» mit Lil Baby und DaBaby rekonstruiert zu haben.
[artikel=1]
Welche Rechte haben Artists an ihrem geistigen Eigentum und wie können sie gegen einen Diebstahl daran vorgehen? Mit welchen Konsequenzen muss man rechnen, wenn man einen Song stiehlt? Das wollten wir von Mondetto wissen, der sich als Rapper und CH-Rap-Producer mit Sample-Erfahrung auf diesem Bereich gut auskennt.
Was können Künstler:innen dagegen unternehmen, wenn ein Artist ihre Musik gestohlen hat?
Sobald man eigene Musik veröffentlicht, sollte man Mitglied bei der SUISA werden. Die haben einen Rechtsdienst, welche dir bei solchen Problemen helfen können. Ich habe zudem ein Management und einen Verlag, welche sich um solche Dinge kümmern könnten. Kommt man dann immer noch nicht weiter, muss man zum Musikanwalt gehen.
«Es kann zu Schadensersatzzahlungen, Geldstrafen und sogar Freiheitsstrafen kommen. Je nachdem, wie das Urhebergesetz in den jeweiligen Ländern den Fall beurteilt.»
Gibt es Wege, wie sich Künstler:innen im Voraus vor dem Klau geistigen Eigentums schützen können?
Auf jeden Fall sollte man alle Songs bei der SUISA anmelden, damit die Musik schon mal durch die SUISA urheberrechtlich geschützt ist. Ausserdem haben Vertriebe, Labels und Verlage zusätzliche Monitoring- und Audio-Fingerprint-Systeme, um die illegale Verwendung von Musik zu erkennen.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen einer Person, wenn sie geistiges Eigentum stiehlt?
Die kompletten Einnahmen können auf jeden Fall wegfallen und auf den eigentlich Urheber gehen. Es kann aber auch zu Schadensersatzzahlungen, Geldstrafen und sogar Freiheitsstrafen kommen. Je nachdem, wie das Urhebergesetz in den jeweiligen Ländern den Fall beurteilt. Aber so weit ich das mitbekommen habe, muss in den meisten Fällen die Musik offline genommen werden. Falls es online bleibt, fliessen alle Einnahmen direkt zum eigentlichen Urheber.
«Hommagen, Samples und so weiter gehören zur HipHop-DNA.»
Aktuell im HipHop werden gerade oftmals ältere Songs recycelt, bzw. die Melodien von bekannten Songs übernommen für den eigenen, modernisierten Track. Wo liegt da für dich die Grenze zwischen Hommage und Rip-Off?
Es kommt darauf an mit welcher Motivation der Artist die Melodien übernimmt. Je nach dem ist es eine Hommage oder ein Rip-Off. Da finde ich sollte man jeden Song mit übernommener bekannter Melodie einzeln bewerten.
Hast du ein Beispiel, wo für dich in dieser rechtlich erlaubten Hommagen-Thematik eine Grenze überschritten wurde?
Das ist ein komplexes Thema. Hommagen, Samples und so weiter gehören zur HipHop-DNA. Gleichzeitig verstehe ich aber auch die Urheberrechts-Ansprüche. Da ich nicht bei allen Songs hinter die Kulissen sehen kann und nicht weiss, wo welche Abklärungen getroffen wurden, möchte ich kein Beispiel nennen. Es lohnt sich aber heutzutage auf jeden Fall, sich vor der Veröffentlichung eines Songs über diese Thematik Gedanken zu machen und wenn nötig vor Veröffentlichung die Rechtslage zu klären.
Weshalb Robin Schulz den Song von southstar derart dreist kopiert hat und weshalb beide Seiten sich nicht zum Fall äussern wollen, ist unklar. Ein paar Indizien zum Thema deuten aber auf eine Geschichte, die mehr Nuancen hat als eine einfache David-gegen-Goliath-Story, in welcher der grosse, ideenlose DJ mit Industrie-Support sich beim kleinen Independent Artist bedient. Aufmerksame Hörer:innen werden festgestellt haben, dass die aktuelle Version von southstars «Miss You» ein Reupload seines Songs ist. Dieser erfolgte am 30. Juli, dieses Mal über Sony Music. Erstmals auf Spotify war der Track aber bereits im Mai, damals noch Independent.
Vermutlich erkannte Sony Music das Potenzial im auf TikTok viral gegangenen Song und nahm daher southstar unter Vertrag. Das Problem dabei: Der Gesang auf «Miss You» stammt von Oliver Tree's Song «Jerk». Für unabhängige, kleine Artists wie southstar ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, dafür vom zuständigen Label Warner Music die Rechte zu erhalten. Wahrscheinlich hatte southstar den Song beim ersten Upload ohne Rechte daran veröffentlicht. Sony hat auf den Erfolg des Songs hin den Künstler unter Vertrag genommen und einen Deal mit Warner ausgehandelt, um den Song legal reuploaden zu können.
Nun dachte sich wohl Warner Music, dass man das virale Potenzial des Songs ausnutzen könnte, da man ja ohnehin die Rechte am Song hat. Das wirre Statement von Robin Schulz's Manager macht nun deutlich mehr Sinn: «Manchmal überrascht mich die Kühnheit von anderen Artists Rechte und Werke bewusst zu missachten und daraus Kapital zu schlagen.» Diese Aussage ist wohl auf southstar gemünzt, weil er ursprünglich «Miss You» illegal veröffentlicht hatte. Mit der Aussage «Die Irritationen zu „Miss You“ waren erwünscht und von mir beschlossen, das habe ich über Robin’s Kopf hinweg entschieden.» will Stefan Dabruck wohl aussagen, dass der Songklau seine persönliche Retourkutsche an den jungen EDM-Producer sei und Robin Schulz seine «Miss You»-Version gar nicht selbst, sondern von Ghost-Producern unter seinem Namen erstellen liess. Damit wäre der DJ tatsächlich fein raus, müsste aber mit dem Ruf leben, dass er seine Hits nicht mehr selbst produziert.
Bei dieser Lesart der aktuellen Ereignisse handelt es sich aber um reinste Spekulationen. Was die Geschichte und das ganze Wirrwarr an Rechten zwischen Labels und Künstlern aber eindrücklich aufzeigt, ist, dass man sich als Artist gut über Urheberrechte und geistiges Eigentum informieren muss, bevor man seine Musik verkaufen will.