Gigi will an die CH-Rap Spitze
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April
2023

«Du musst dein grösster Fan sein»

Gigi will an die CH-Rap Spitze

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2023

«Du musst dein grösster Fan sein»

Gigi will an die CH-Rap Spitze

Nadim Ben Said
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Gigi will an die CH-Rap Spitze
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Spätestens nach dem Move zu Physical Shock ist klar: Gigi hat die CH-Rap-Szene betreten, um zu bleiben. Ihre erste EP «Herzkopf» unterstreicht ihr Commitment, den Weg als Rapperin zu gehen und dabei kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Eine der einzigen Rapperinnen der deutschsprachigen Schweiz zu sein, bedeutet viel Verantwortung. Gigi ist sich dieser bewusst und scheint diesem Druck gut Stand zu halten. Ihre abwechslungsreichen Singles und die unglaubliche SRF Bounce Cypher Performance zeigten Gigis vorhandenen Skills und eine Attitüde, die alles andere als Standard ist. Vergleiche zu Xen wurden gemacht und deswegen passte ihr Signing bei seinem Label Physical Shock, das im Herbst 2022 offiziell angekündigt wurde, perfekt. Wir haben uns mit der Bündnerin getroffen und über den Mut verletzlich zu sein, ihre grossen Veränderungen in kurzer Zeit und über ihre Ambitionen für die Zukunft in der CH-Rap-Szene gesprochen.

Dein erstes grösseres Projekt «Herzkopf» erblickte Ende März die Welt. Was war anders im Vergleich zu den bisherigen Singles? Gab es sogar eine Release-Party?

Nein (lacht), leider gab es keine Party. Ich würde sagen, dass sich dieses Projekt vom Aufwand her am meisten von den anderen unterscheidete. Mein Team und ich haben wirklich lange an diesem Projekt gearbeitet. Dazu sah ich die EP als Gesamtpaket, darauf habe ich mich vorher nie geachtet. Die Trackliste war bis zum Schluss in Bearbeitung. Zum Beispiel entstand der letzte Song «29:11/Outro» erst ein paar Tage vor der Abgabe. Da ich in allen Songs eine gewisse Verletzlichkeit zeigte, bedeutet mir das gesamte Projekt mehr als die bisherigen - «Herzkopf» war für mich persönlich wichtig.  

Der Nachdruck in deinen Texten ist mir beim Hören aufgefallen. Du rappst über deine Gefühle und Probleme.

Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich ein grosser Fan von Nahbarkeit bin. Damit meine ich, wenn man in der Musik, die Person hinter dem Artist heraus spüren kann. Das versuche ich in meinen Songs auch. Natürlich gibt es andere Herangehensweisen, die auch funktionieren und unterhalten. Aber da ich neben der Musik arbeite und ein «normales» Leben führe, möchte ich Musik für ein solches Publikum machen. Dabei achte ich mich sehr darauf, authentisch zu bleiben und meinen Zuhörer:innen nicht irgendetwas vorzumachen.  

So hat man als Fan das Gefühl, verstanden zu werden.

Genau, wir sind nicht allein. Die meisten Menschen gehen durch ähnliche Probleme und wissen es gar nicht. Ich muss auch sagen, dass es mir hilft und dass ich mich mehr verstanden fühle. Viele Rückmeldungen und Reaktionen beweisen mir, dass ich nicht die einzige Person bin, die gerade durch eine harte Zeit geht oder gegangen ist.

Fällt es dir schwer, dabei nicht oberflächlich zu bleiben?

Die Ausgangslage bleibt immer meine Perspektive und meine persönliche Wahrnehmung. Nun fände ich es schön, wenn nicht nur Frauen einen Song wie «Bella Donna» hören würden, sondern alle Personen unabhängig vom Geschlecht. Denn in diesem Song geht es, um das Gefühl unterschätzt zu werden, sich dabei jedoch nicht unterkriegen zu lassen. Und ich denke, dieses Gefühl kenne nicht nur ich.

Es braucht auch eine ordentliche Portion Mut, sich so fest mit sich selbst auseinander zu setzten und danach noch der Welt davon zu erzählen.

Danke, es ist und war auch nicht immer einfach. Vor allem beim Track «Old Enough» sind sehr viele Tränen geflossen. Beim Schreiben, beim Aufnehmen, beim Video-Dreh und sogar als ich ihn das erste Mal performte. Das war am Titolo-Lacoste Event in Zürich. Also mit Anwesenheit von sämtlichen Rap-Grössen und Managern – unheimlich unangenehm. Doch im Nachhinein bin ich sehr froh und mir fällt es immer einfacher, über das Thema zu sprechen. Die Reaktionen vor Ort waren sehr bestärkend und verständnisvoll, was sicherlich geholfen hat.

Ich glaube dir, dass das nicht einfach war. Viele Artists trauen sich erst gar nicht, ihre verletzliche Seite zu offenbaren. Vor allem im HipHop ist das eher unüblich.

Ich verstehe auch wieso, es ist so, als würdest du vor Haien bluten. Alle diese wichtigen Personen an diesem Event hätten mich für mein «Geheule» aufhängen können. Aber wäre das mein Mindset gewesen, hätte ich mich auch nie getraut, diesen Schritt zu wagen. Ich rappe nicht, damit mir ein:e Rapper:in sagt, wie krass ich bin, sondern damit Karin in der KV-Lehre mir sagen kann: danke Gigi, das fühle ich auch.

Bei der Recherche habe ich ein TikTok gefunden, in dem du sagst, dass du oft mit YouTube-Beats arbeitest. Wie war das bei diesem Projekt?

Grundsätzlich arbeite ich immer mit Producer zusammen. Auch bei diesem Projekt waren Mondetto, ROB, Fireonblack etc. ein wichtiger Bestandteil des Prozesses. Nun habe ich aber gemerkt, wie ich am besten arbeite und das ist nicht, wenn ich im Studio vor Ort den Beat höre und dann darüber direkt aufnehme. Seitdem ich mit Musik angefangen habe, arbeite ich am besten, wenn ich in meinem Zimmer allein über einen Type-Beat von YouTube schreiben kann. Mit dieser Idee beziehungsweise Skizze gehe ich dann zu einem Producer und frage, was er/sie dazu denkt und ob er/sie Lust hätte, daraus zusammen einen fertigen Song zu kreieren.

Gab es schon Momente, wo du aus dieser Komfortzone ausbrechen musstest/wolltest?

Als ich letztes Jahr in Berlin im Anthrazit-Studio war, habe ich gemerkt, dass ich auch anders funktionieren muss. Zusammen mit Neal von Neal & Alex hatte ich eine Session und musste schnell realisieren, dass ich mich anpassen muss. In der Schweiz habe ich meine Producer und die wissen, wie ich arbeite und die nehmen Rücksicht auf meine Art. Doch in Berlin wurden meine Boundaries schon gepusht. Plötzlich hiess es: probier mal das oder versuchen wir es doch mal so. Dadurch konnte ich enorm viel lernen.

Die erste Single «WEDNESDAY/INTRO» wurde mit dem Move zu Physical Shock angekündigt. Wie entstand dieser doch grosse Schritt?

Letztes Jahr an den Swiss Music Awards habe ich DDP, den Besitzer von Physical Shock, kennengelernt. Zuerst habe ich gar nicht realisiert, dass er etwas mit PS zu tun hat. Doch als EAZ irgendwann dazu gestossen ist, wusste ich Bescheid. Konkret wurde es dann aber erst bei der zweiten Staffel von «Enter The Circle». Da meinte Xen, er wolle mich unbedingt bei Physical Shock dabei haben. Und ich muss sagen, mir war auch ab diesem Moment klar: ok hier bin ich zu Hause und hier fühle ich mich wohl – es hat von Anfang an gepasst.

Wir haben uns das erste Mal am Rap-City Newcomer:innen Contest 2021 gesehen. Damals hattest du erst einen Song draussen. Was ist von dieser Gigi geblieben und was hat sich verändert?

Mein Hunger und der Glaube an mich selbst ist seit Tag Eins gleich. Was sicher seither wuchs, ist mein Selbstbewusstsein. Ich weiss, was ich kann und was ich nicht kann. Jetzt habe ich ein Team um mich, dass für mich arbeitet, was ich manchmal absurd finde. Das Wichtigste, um nicht den Fokus zu verlieren, ist meiner Meinung nach, eine Vision zu haben. Mich hatte auch recht früh mein jetziges Management-Team gefragt, was mein Ziel sei. Meine Antwort war: Ich will die beste Schweizer Rapperin der Geschichte werden. Du musst dein grösster Fan sein, denn nur dann machst du weiter, wenn niemand an dich glaubt.

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