«No worries, es isch no lang ned verbi, N.A.T.I.V Funkaveli» waren vor 6 Jahren seine Worte, als er den Song «Funkaveli» aus dem Mixtape «MVZ Vol. 2» auf YouTube veröffentlichte und die CH-Rap-Szene für immer prägte. Heute hat das Musikvideo über 500'000 Views und Nativ ist aus der Schweizer Rap-Welt nicht mehr weg zu denken. Der Nachfolger seines erwähnten Klassikers «MVZ Vol. 2.1», soll eine Hommage an einflussreiche frühere Zeiten und vielleicht auch einen Abschluss der MVZ-Classics verkörpern.
«MVZ Vol. 2.1» ist seit ein bisschen mehr als zwei Wochen überall zu hören. Was ist das Feedback, dass du von deiner Community erhalten hast?
Sobald ich «MVZ Vol. 2.1» angekündigt habe, spürte ich schnell eine gewisse Begeisterung und Vorfreude bei den Leuten. Eindeutig hinterliess die Mixtape-Serie einen positiven Impact. Dies zeigte sich dann auch im Feedback, was ich nicht unbedingt erwartet hätte. Viele meinten «MVZ Vol. 2.1» sei ein gelungenes Gesamtwerk, das sich gut eignet, an einem Stück durch zu hören. Sehr interessant wie ich finde, denn das war nicht meine Absicht bei der Kreation. Klar ist mir bewusst, dass sich alle Songs in etwa im gleichen musikalischen Spektrum befinden. Jedoch hat es meiner Meinung nach nicht einen ersichtlichen roten Faden wie zum Beispiel «Marathon».
Spannend, das jetzt so von dir zu hören. Denn mir blieb es ebenfalls als ein in sich aufgehendes Gesamtwerk. Einen eher persönlichen und tief gehenden Einstieg mit «Gotchu», der sich langsam durch die weiteren Songs auflockert und dann in einem Zusammenspiel zwischen erfrischenden Melodien, aber aussagekräftigem Text im letzten Track «Is what it is» wieder findet.
Da sieht man das Schöne an der Kunst – jede Person nimmt sie anders war. Mit diesem Projekt wollte ich hauptsächlich meinen längsten Supportern etwas zurückgeben. Dazu hatte ich nach «Marathon» auch das Bedürfnis auf Lockerheit beziehungsweise auf ein Werk, dass nicht ein von A bis Z durchgedachtes Konzept hat.
Was hattest du für ein Gefühl beim Release? Nostalgie?
Natürlich ein wenig Nostalgie, aber auch einfach viel Freude. Gleichzeitig verspürte ich etwas Abschliessendes. «MVZ Vol. 2» ist gut 6 Jahre alt und ich weiss nicht, ob es noch ein «MVZ Vol. 3» geben wird. Deswegen auch «MVZ Vol. 2.1.», denn obwohl man gewisse Boombap-Elemente von damals erkennen kann, ist es vom Feeling her nicht das Gleiche. Jedoch auch nicht komplett verschieden.
Ach so, ich dachte das «2.1» ist eine Anspielung darauf, dass bis zum «3» jetzt «MVZ Vol. 2.2.», «2.3» etc. folgen...
Das nicht ganz (lacht). Ob es ein «MVZ Vol. 3» geben wird, kann ich jetzt noch nicht sagen. Vielleicht in weiteren 6 Jahren. Für mich war dieses Tape vorerst ein Abschluss dieser Serie. Gleichzeitig lasse ich mir offen, ob es noch weitere gibt, denn wir sind ja noch nicht bei der Nummer 3.
Du hast es vorhin schon angetönt, du bist die Songs bei diesem Projekt lockerer angegangen als bei «Marathon». Trotzdem taucht in jedem Song etwas Selbstreflexion und/oder Gesellschaftskritik auf.
Das Krasse ist, ich kann gar nicht mehr anders. Nicht, dass ich mich selbst zensieren würde, aber sogar, wenn ich mir vornehme einen richtig ignoranten Song zu kreieren, gelingt es mir nicht mehr so wie früher. Damals war ich um die 20, in der Blüte der Rücksichtslosigkeit, und jetzt bin ich bald 30. Vielleicht liegt es an dem. Natürlich gibt es auch 20-Jährige, die schon mit beiden Beinen im Leben stehen - ich war jedoch definitiv «young and wild». (lacht) Dass ich diese Conscious-Route eingeschlagen habe, war aber schon damals ersichtlich. Ich hatte ja trotz «young and wild» immer das Bedürfnis etwas auszusagen. Meine Formulierungen wurden einfach über die Jahre reifer und weniger rough, was sicher zum älter werden dazu gehört. Durch meine jetzige Reichweite habe ich auch eine andere Verantwortung. Ist irgendein Müll zu labern, wirklich das, was ich repräsentieren möchte?
Was war zusammenfassend dein Approach beim Kreieren der Songs?
Kann ich gar nicht genau sagen. Sicher denen, die schon seit Anfang an dabei sind, etwas zurückzugeben. Aber auch einfach ins Studio gehen und machen. Bei der schleichenden Ansammlung der verschiedenen Songs, entstand auch erst der Gedanke, dass man eine MVZ-Hommage zusammenstellen könnte. Diese Intention hatte ich nicht von Beginn an.
Das heisst, es war ein wildes Zusammenwürfeln von Songs? Oder wusstest du direkt, als du den ersten Song aufgenommen hast, jetzt entsteht ein weiteres «MVZ»? Was war überhaupt der erste Song, der entstanden ist?
Der erste Song war, glaube ich «Deal Klar». Und nein, denn gleichzeitig habe ich an den verschiedensten anderen Songs und Genres herumgebastelt. Erst als ich eine Ansammlung von eher Boombap-lastigen Tracks hatte, kam mir der Gedanke vielleicht diese Hommage daraus zu machen.
Kommen wir zum einzigen Feature auf dem Album, Xen. Ich muss zugeben, als grosser Fan von Euch beiden habe ich mir einen Collabo-Song immer gewünscht, aber nie richtig vorstellen können. Denn meiner Meinung nach befindet ihr Euch in zwei eher verschiedenen Musikwelten. Deswegen nimmt es mich Wunder, wie die Zusammenarbeit verlief.
Xen ist meiner Meinung nach einer der besten und interessantesten Rapper aus der Schweiz und wie du gesagt hast, definitiv aus einer anderen Ecke als ich. Anders als früher, als ich zum «Musik machen» nicht gross aus meiner Bubble ging, habe ich heute einen anderen Anspruch. Wenn ich finde, eine Person passt auf einen bestimmten Track, dann frag ich sie einfach. Auch wenn ich dabei vielleicht aus meiner Comfort-Zone gehen muss.
Das heisst, es war deine Initiative?
Ja genau, die Idee für die Zusammenarbeit kam von mir. Zuerst machte ich den Beat, schrieb meinen Verse und den Hook. Dann habe ich einfach gedacht, Xen würde sehr gut darauf passen. Also schickte ich ihm eine Demo-Version des Songs – er war sofort dabei. Seine Motivation hat mich sehr gefreut. Ein paar Wochen später hatte ich seinen Verse. Und das Krasse war: manchmal hat man bei Features, bevor man die Person überhaupt fragt, schon eine genaue Vorstellung davon wie sich das Resultat anhören könnte. Xen erfüllte diese Vorstellung exakt – ein sehr schöner Moment.
Also wart ihr gar nie zusammen im Studio?
Nein, das hat es nicht gebraucht. Ich fand direkt, dass er den Vibe vom Song perfekt gecatched hat und dabei auf den Inhalt eingegangen ist.
Viele wissen das vielleicht gar nicht, aber wie du vorher erwähnt hast, produzierst du deine Songs oft selbst. Was ist so der grobe Vorgang, wenn du einen neuen Track machst? Und wie stark ist dann ein Producer wie Sperrow Teil des Prozesses?
Es ist sehr unterschiedlich. Teilweise mache ich den Beat von A bis Z und Sperrow muss ihn dann nur noch abmischen. Teilwiese, wie zum Beispiel bei «Baobab», wo ich etwa 60% der Beats gemacht habe, fügte Questbeatz bis zum Endprodukt einfach noch einzelne Elemente hinzu.
Ein letzter Schliff…
Genau, noch zum Ende der nötige Feinschliff.
Wegen einem früheren Insta-Video habe ich gedacht, du hast erst bei «Mir geits würklech guet, i gseh nur so us» angefangen selbst zu produzieren.
Nein, nein, bei «MVZ Vol. 1» und «MVZ Vol. 2» sind 90% der Beats von mir. «Butterflöigä» war von Questbeatz und einen hat damals noch Ruck P, der auch «Cheesecakeflow» produziert hat, gemacht. Aber der Rest stammt von mir. Manchmal kommt es auch vor, dass ich ins Studio laufe und Sperrow mir einen Beat zeigt und ich einfach direkt finde, «ok, let’s go». Bei «Foyi Freestyle» war das zum Beispiel so.
Einer meiner Favorites…
Aber das passiert eher selten. Meistens arbeite ich im Studio von Scratch. Das heisst, man fängt mit fast gar nichts an und Schritt für Schritt entsteht dann ein Song.
Arbeitest du auch mit Youtube-Beats zusammen?
Nein, habe ich noch nie probiert. Mir ist es wichtig, dass ich von Anfang an mit allen Details in die musikalische Richtung gehen kann, die mir entspricht. Bei der Musik habe ich wenig Raum für Kompromisse. Schlussendlich finde ich das Schönste an dem Ganzen, die Musik zu machen - alles darum herum ist zweitrangig für mich.
Zurück zu «MVZ Vol. 2.1», visuell wurde nach meinem Wissen alles in der Elfenbeinküste umgesetzt (Cover und Videos). Hatte das einen bestimmten Grund?
Das war reiner Zufall. Wir waren zusammen da und dachten uns, wieso nicht? Jojo machte so oder so Fotos…
Sind auch Songs vom Tape da entstanden?
Nein, nicht von dem. Aber Ideen für zukünftige Projekte.
Beim «Gotchu» Musikvideo, ein unglaublich schöner Clip, sieht man dich in einer von Menschenhand unberührten Landschaft. Was war die Motivation oder Inspiration dafür?
Sehr oft, wie auch bei diesem Video, haben Tim Duerig und ich keine genauen Vorstellungen, was wir jetzt für einen Clip machen möchten. Es führt uns einfach immer irgendwo hin, wir könnten gar nicht beschreiben, was es genau ist. Vor dem «Gotchu»-Musikvideo waren wir in einer Gegend ein paar Stunden von Abidjan entfernt und merkten schnell, wie schön die unberührte Landschaft ist. Dann haben wir am Abend beschlossen, dass wir beim Sonnenaufgang aufstehen und filmen – einfach, um zu sehen, was passiert. Das war der Ursprung der Anfangsszene. Als wir diesen Shot hatten, wussten wir dann wie wir weiter machen werden.
Ganz konzeptlos also?
Ja. Zuvor hatten wir andere Sachen ausprobiert und wie gemerkt: ok, das ist es nicht. Aber das macht die Arbeit mit Tim auch aus. Natürlich hatten wir schon Shoots mit voll durchdachten Konzepten etc. Doch wir funktionieren am besten, wenn wir einfach mit dem Flow gehen. Der Prozess selbst gibt uns dann vor zu die Ideen, für den weiteren Verlauf.
Spannend zu hören, dass dieses Video so spontan entstanden ist. Für mich war es nämlich die perfekte Ergänzung zum Song. Ich hatte nach dem Video das Gefühl, jetzt habe ich die Message verstanden.
Im Nachhinein meinten viele, vor allem die Schlussszene muss auf die Lyrics abgestimmt gewesen sein. Dabei habe ich mir gar nicht so viel gedacht, es hat sich einfach richtig angefühlt, in diesem Moment zusammen zu fallen. Ein gutes Beispiel dafür, dass die ehrlichsten und authentischen Intuitionen die Kunst ausmachen.
Im ersten Song «Le Vrai» sagst du zu den Leuten, die meinen, du hättest dich verändert: «Hoffentlich, sust wär ig no de Typ, wo sich ned gseht». Inwiefern hast du dich in diesen 6 Jahren, seit dem letzten «MVZ», deiner Meinung nach verändert?
Insgesamt bin ich reifer geworden. Überall habe ich mehr Erfahrungen als früher. Ich mache nicht mehr seit einem Jahr, sondern seit 10 Jahren Musik und das zeigt sich musikalisch sowie inhaltlich. Natürlich bleibt eine gewisse Verspieltheit wie beispielsweise beim «Sir Beni Miles Interlude».
Da fiel mir beim Hören auch die Freude am «einfach mal machen» auf beziehungsweise deine Leidenschaft zur Musik.
Genau, vielleicht kann man das sagen: meine Leidenschaft zur Musik hat sich über die Jahre intensiviert. Ich glaube, man hört in meinen Songs, dass es kein Zurück mehr gibt. Ich habe mich für diesen Weg entschieden und kann mir auch gar nichts anderes vorstellen. Das Einzige, was mich davon abhalten würde, Musik zu machen, wäre, wenn ich nicht mehr davon leben könnte. Wenn irgendein «9 to 5» meine ganze Zeit und Energie beanspruchen würde. Das war auch der Grund, wieso ich vor vier Jahren meinen Job gekündigt hatte – die Leidenschaft zur Musik war einfach zu gross, ich wollte meine Zeit nicht irgendwo anders verschwenden.
Dafür braucht man aber auch viel Mut.
Nicht unbedingt, viel mehr war es wieder meine Intuition und Naivität. Ich dachte zuerst, ich würde nach zwei, drei Monaten wieder zurückgehen müssen.
Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür, dass die Leute dir sagen, du hättest dich verändert?
Oft kommen Leute zu mir und meinen vorwurfsvoll mach doch wieder so Musik wie früher, damals warst du viel cooler und realer. Einerseits verstehe ich solche Aussagen, andererseits würde das ja heissen, dass man immer gleichbleiben muss. Wachstum ist jedoch etwas, was ich anstrebe und deswegen auch dieses «Hoffentlich» im Song «Le Vrai». Was wäre das Leben ohne Entwicklung?
Zum Schluss gab uns Nativ noch seine persönliche Top 7 favorite MVZ-Song Auswahl. Die findest du exklusiv auf unserem Instagram-Profil.