Anhand der Zahlen und der Qualität der Musik könnte man meinen Ele A sei schon lange Teil der Schweizer Musikszene – Im Gegenteil. Ihr erster veröffentlichter Song «Mikado» ist knappe 7 Monate alt. Doch das hielt die junge Tessinerin nicht davon ab, bereits zwei Mal am Bounce Cypher dabei gewesen zu sein, Konzerte in der Schweiz und in Italien zu spielen, mit Amazon Music und Spotify Italy Interviews zu führen und das wichtigste: hochwertigen HipHop zu produzieren. Ihre Beat-Auswahl sowie ihre Attitüde erinnert an Golden Era-Zeiten. Zusätzlich bringt sie jedoch eine gewisse moderne frische über die knackigen Instrumentals von Producer Disse, was ihren Sound spannend und massentauglich macht. Wie Ele A zu ihren grossen Erfolgen so früh in ihrer Karriere steht, was die EP «Globo» ihr bedeutet und wie es dieses Jahr für sie noch weitergeht, hat sie uns im Gespräch verraten.
«Ich sehe mich als eine Schweizer Rapperin»
Deine EP «Globo» ist seit einigen Wochen überall erhältlich. Die Zahlen sprechen für sich und am Cypher 23 hat man gemerkt – du hast auch viele Fans in der Deutschschweiz. Das heisst, Leute mögen deine Musik, ohne dass sie den Inhalt zu 100% verstehen. Was bedeutet dir das?
Es ist ein riesiges Kompliment, wenn Menschen ohne Italienisch-Kenntnisse Fans meiner Musik sind. Ich kenne das gut, ich höre auch viele Artists beispielsweise aus der Romandie oder Frankreich, bei denen ich nicht so viel vom Inhalt verstehe. Jedoch spüre ich teilweise heraus, dass sie einen aussagekräftigen Text haben oder ihr Sound gefällt mir einfach so fest, dass es mir egal ist, wenn ich nicht alles verstehe. Das es nun Menschen gibt, die das auch mit meiner Musik machen, ist mir eine grosse Ehre. Dazu muss man sagen, die Validation der Schweiz ausserhalb vom Tessin zu bekommen, liegt mir fest am Herzen. Auch wenn die Kultur im Tessin etwas anders sein mag, sehe ich mich als eine Schweizer Rapperin.
Es gibt Artists, die ihre Musik gar nicht mehr hören können, wenn sie releast wurden. Wie sieht das bei dir aus? Bist du zufrieden mit den 6 Songs auf «Globo»?
Natürlich arbeite ich wieder an neuen Songs mit Disse, welche mir sehr gut gefallen und auf die ich mich freue. Aber ich bin auch sehr zufrieden mit der EP und den Tracks darauf. Vor allem weil Disse und ich nicht so viel Zeit für dieses Projekt hatten. Der erste Song «Mikado» schrieb ich im Sommer 2022, als ich von meinen Ferien in Griechenland zurückkam und mich auf der Bootsfahrt beschäftigen musste. Die Aufnahmen starteten dann im Oktober 2022 und dauerten bis im Februar 2023. «Jeans» war der letzte Song den wir recordeten. Das heisst insgesamt 4 Monate Arbeit.
Bleiben wir beim Arbeitsprozess: wie sind du und dein Producer Disse vorgegangen? Was waren eure Inspirationen?
Die Grundidee war eine EP zu produzieren, die wir selbst auch hören würden. Unser Main-Fokus lag auf den Cords und den Harmonien, die sollten über alle Tracks hinweg stimmig sein. Im Grossen und Ganzen verlief die Arbeit organisch - ein «go with the flow». Im Studio sind wir immer sehr effizient und fokussiert. Ausserdem hören wir genau die gleiche Musik und supporten die gleichen Artists, was musikalisch zu vielen Gemeinsamkeiten führt.
«il globo è tuo»
Beim Hören der EP ist mir aufgefallen, dass du immer wieder Catchphrases und Wörter wie «tasche dei Jeans» oder «Globo» hast, die in mehreren Songs der EP eine Rolle spielen. Habe ich das richtig erfasst? Falls ja, was hat es damit auf sich?
Tatsächlich gibt es einen roten Faden durch die ganze EP, eine gewisse Connection zwischen den einzelnen Songs. Auch wenn jeder Track seine eigene Story erzählt, wollte ich Wörter wie «Globo» oftmals verwenden. Damit klar ist, welchem Projekt der Song angehört. Meiner Meinung nach kreierte ich mit der EP eine gewisse Vision und Message, der ich durchgehend treu geblieben bin– il globo è tuo.
Hat der Nas Song «The World Is Yours», was das gleiche auf Englisch bedeutet, etwas damit zu tun?
Zu 100%. Jedoch dachte ich mir beim Hören seines Songs nicht: «Ah, ich mache jetzt die italienische Version davon, genial!», sondern die Inspiration geschah unterbewusst. Als ich darüber nachdachte, was und wieso mir früher die Musik gefiel, musste ich direkt an diesen Song denken und seine Message. Deshalb wollte ich diese, meiner Meinung nach, schöne Aussage auch in meiner Musik weitergeben. In anderen Worten: es soll eine Hommage sein und nicht irgendetwas anderes.
«Wenn tausende Menschen deine Videos schauen, spürst du das nicht»
Wenn man sich deine Socials sowie deine Streaming-Zahlen anschaut, kommt man schnell ins Staunen. Für Schweizer Verhältnisse sind das hohe Numbers. Kannst du etwas damit anfangen oder betrachtest du das eher distanziert?
Natürlich bin ich mir den Zahlen bewusst und achte mich darauf, weil ich sie auch nicht leugnen kann. Jedoch ziehe ich keine voreiligen Schlüsse daraus und will nicht, dass mir das zu Kopf steigt. Es ist nicht so, als würden mich 100'000 Clicks automatisch für einen Grammy nominieren. Weswegen ich probiere, ruhig zu bleiben und den «Hype», wenn man es so nennen möchte, nicht zu nahe an mich ranzulassen. Ich fühle die Zahlen nicht, im Gegensatz zu Konzerten. Wenn tausende Menschen vor dir stehen und dich anheizen, löst das in dir enorm viele Gefühle aus. Wenn tausende Menschen deine Videos anschauen, spürst du das nicht. Im Song «Record Deals» erwähn ich das in der letzten Line auch: «Insta non è la realtà», womit ich mich selbst erinnern möchte, nicht einen zu grossen Wert auf die Zahlen online zu setzen.
Diesen Sommer findet bereits deine zweite Tour statt, wo du unter anderem ans Stolzen OpenAir in Zürich kommst. Was dürfen die Leute erwarten?
Auf das Stolzen OpenAir am 16. Juni freue ich mich sehr, da es mein erstes Konzert in der Deutschschweiz ist und ich nicht genau weiss, was ich zu erwarten habe. Ansonsten werden sich die Shows hauptsächlich in einer Hinsicht zu denen letztes Jahr unterscheiden: ich werde Tänzer:innen mit mir auf der Bühne haben.
«Noch nie habe ich einen Vertrag gesehen, bei dem ich besser weg komme, als wenn ich Independent bleibe»
Bis dato, hast du noch kein Vertrag mit einem Label. Weswegen entscheidest du dich Independent zu bleiben? Ich kann mir vorstelle, dass schon viele Labels an deine Türe geklopft haben.
Das ist tatsächlich so. Ich habe mir auch schon viele Verträge angesehen und durchgelesen. Doch gab es immer mindestens einen Punkt, bei dem ich nicht einverstanden war. Mein Wunsch ist es von meiner Musik zu leben, weswegen ich es mir nicht erlauben kann, dass ein Label oder sonst wer mir nicht das auszahlen möchte, was meine Musik einbringt. Natürlich haben Labels auch Vorteile, beispielsweise zahlen die meisten einen guten Vorschuss für Projekte etc. Aber an diesem «schnellen» Geld habe ich nicht wirklich Interesse. Denn das muss man ihnen immer irgendwie zurückzahlen oder sie machen mindestens so viel Profit ab dir. Ich muss auch sagen, bis jetzt gefällt es mir mein eigener Chef zu sein, die Kontrolle über meine Musik zu haben und all die Erfahrungen selbst zu machen. Bevor jemand einen Job für mich übernimmt, will ich verstanden haben, was die Person genau zu tun hat. Alles andere empfinde ich als ungesund.
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