Team Heat –  Wenn zwei sich finden
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July
2023

Suly und Olen sind «AllerBesteMusic»

Team Heat – Wenn zwei sich finden

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July
2023

Suly und Olen sind «AllerBesteMusic»

Team Heat – Wenn zwei sich finden

Moritz Wey
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Team Heat –  Wenn zwei sich finden
Quelle:
Davitschi
Rap-Koryphäe Sulaya und der langjährige Produzent Olen Blackbird sind ein Team. Vor zwei Wochen veröffentlichten sie das Album «AllerBesteMusic»: Der Name ist Programm.

Ein zerhacktes Stotter-Sample einer mit Akzent versehenen Frauenstimme –  – Wenn der Producer-Tag einfährt ist klar: Olen Blackbird und Sulaya waren am Werk. «AllerBesteMusic s neue Movement/ Mit Stecknadelauge im Heuhufe» textet Sulaya auf «Hymne für die Todgeweihte», ihrer ersten EP. Schliesslich wird daraus nicht nur Producer-Tag, sondern auch Crewname und nun Albumtitel. Eigentlich naheliegend, bleibt auch der Workflow in etwa gleich: Suly wühlt und findet Perlen in Olens Beat-Dropbox der letzten drei Jahre, berappt diese in wenigen Anläufen und Olen überarbeitet stellenweise, sorgt hie und da für die nötige Luft in den Hooks. In welche Richtung es dabei weht, steht nicht zur Diskussion. Dafür sind sie genug eingespielt. Rund sollen die Songs sein, aber bestimmt keine Zirkelarbeit. «Sulys Stärke ist, dass es immer ein wenig dahingerotzt wirkt – nicht zu verkopft, dafür aus einem Guss», so Olen. «Die Grundstimmung des jeweiligen Abends bleibt erhalten».

Wie die Amsel aus der Asche
Für die Bretter, die sich entzünden und zur «Heat» werden, sorgt Oliver Amsler, so Olen zivil. Wie für viele Artists in der Schweiz gehört für ihn der Spagat zwischen professionalisierten Business-Strukturen und dem Hobby Musik zum Alltag. Wer ihn von seinem Social-Media-Grind kennt, weiss, dass er dies mit einer beispiellosen Portion Selbstironie tut. Zwar sei es längst mehr als ein Hobby, so der Aargauer, doch zum Leben reichen – surprise surprise – tut es unter dem Strich nicht.

«Lieber weniger bekannte Placements, dafür ein Projekt, bei dem ich vollkommen dahinterstehe»

Mit Sulaya hat Olen Blackbird gefunden, was er seit Längerem suchte. Ein Team, ein Ziel. Jahrelang produzierte er ins Blaue hinaus, war angewiesen auf die Beat-Picks der Grossen und in ständiger Konkurrenz mit deren Hausproduzent*innen. Damit ist Schluss: «Lieber weniger bekannte Placements, dafür ein Projekt, bei dem ich am Ende vollkommen dahinterstehe». In dem er sich vor drei Jahren als «Olen Blackbird»«DJO» ist Geschichte – auf den Plattformen präsentierte, rückte er sich als Produzent, der notabene für die eigentliche Musik eines Songs verantwortlich ist, mehr in die Künstlerrolle. Und gewann damit an Kontrolle. «Es kam schon vor, dass ich erst beim Release realisierte, dass gar nicht mein Beat verwendet wurde», so Olen über die Zeit davor. «Schliesslich gehen mittlerweile auch oft noch Prozente an Exekutiv-Produzent*innen – es war an der Zeit, von A bis Z involviert zu sein».

König vom Untergrund
Schaffhausen, 1996: Auf den Pausenhöfen gehören Rap-Fans zu den Weirdos. Teenie Thomas hört «36 Chambers» vom Wu-Tang-Clan, Dr. Dres «The Chronic» und NWA auf einem geschenkten Mixtape eines Freundes. Bald erfährt er von Gleiszwei und E.K.R. und hört, dass Rap auch auf Mundart geht. Sulaya erschafft sich. 1998 nimmt er am ersten Freestyle-Battle teil, fliegt aber schnell raus. Im damaligen Palais-Xtra gewinnt Bligg Tausend Franken Preisgeld und ein Flugticket nach New York. Nächstes Jahr muss er es sein, weiss der damals 16 Jahre junge Suly. Er bleibt dran, arbeitet sich in der Schaffhauser Lokal-Szene hoch und reist ein Jahr später erneut ans Battle, um sich gegen Rokator, Bandit und weitere Szenegrössen durchzusetzen. Der erste Ruhm reicht, um über Instrumentals auf Bühnen weit bis ins Wallis zu freestylen. Die Gagen werden oft an den gleichen Abenden mit der Crew verprasst.

Ende der 00er-Jahre gehört er zu den meistgefeierten im Game, hat zwei prägende Alben veröffentlicht und ist gerade an der Arbeit zum Dritten. Schweizer Rap versteht er als Grümpelturnier, orientiert sich von Beginn an Übersee. Der grosse Erfolg in den Charts oder Auftritte an grossen Festivals ergeben sich nicht – Suly meidet den Kommerz und wird bis heute vor allem szeneintern bewundert. Bereut hat er das nie: «In einem grösseren Markt wie beispielsweise in Deutschland, hätte ich wohl mehr auf diese Karte gesetzt. Mich hier derart zu verbiegen, hätte aber bedeutet, nicht mehr dahinter stehen zu können».

Wenn es raus muss
Wenn Schweizer Rapper altern, verlieren sie an: Dringlichkeit, Hunger und oft an Originalität. Der Lebensentwurf mittet sich ein, Routine und konventionelle Prioritäten schieben sich anstelle von Inspiration und Passion. Bei Sulaya ist das anders: Er rappt seit einem Vierteljahrhundert, beinahe pausenlos. In den letzten fünf bis zehn Jahren nehmen Veröffentlichungen und Kooperationen zu, seine Relevanz in der Szene – in Anbetracht vieler neuer Talente – nimmt zumindest nicht ab (Shoutouts an den SRF Cypher). Nicht zuletzt findet er mit Olen einen etablierten, wenn auch jüngeren Partner.

«Nicht alle sind so durch wie ich»

Hätte Sulaya Musik des Geldes wegen gemacht, hätte er es längst aufgegeben. Doch das ist es nicht. Wenn Sulaya über das Schreiben spricht, flammt in ihm etwas Unbändiges auf. Er spricht von Phasen, in denen ihm eine Line nach der anderen zufliegt. In solchen Phasen arbeitet er an mehrere Songs gleichzeitig, entwickelt rasch ein Grundgerüst, an dem oft nicht mehr viel gefeilt werden muss. Mehrmals äussert er den Vergleich mit dem Kunstmaler. Wann der letzte Pinselstrich gezogen wird, so Sulaya, entscheide er. Kein Zufall gehört es zu seinen Stärken, mit seinen Worten Bilder zu malen.

Mittlerweile verfestigt sich mein Eindruck: Dieser Typ rappt, um klarzukommen. Kein Industrie-Kalkül, kein Traum vom Mega-Hit, der ihm die grosse Reichweite beschert. Es ist Rap des Rappens wegen. «Es kommt einfach aus mir heraus», meint Suly und erklärt «Der Studio-Tag gibt mir mehr als der Release-Day». Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Sulaya der einzige Verbliebene aus den Crews zu Beginn seiner Karriere ist. Familie und berufliche Verpflichtungen führten die Homies von damals weg vom Rap. «Nicht alle sind so durch wie ich», meint er grinsend.

Vom Dreck und Abfuck
Baden, 2023, Olens Studio ist beherrscht von der «Heat». Das Feuer, sich auszudrücken und die Liebe für die Studiozeit sind entscheidend für den Output der beiden. Besonders ist es aber nicht – begeisterte Rapper*innen finden sich noch in vielen Kellerräumen der Schweiz. Das wir gerne zuhören, hat noch andere Gründe: «Ich hass dich nöd, mir hend alli euse Rucksack ah/ Han ich irgendöpis glernt denn mit Druck umgah», rappt Suly auf «Muettertag» – einer der Albumsongs, dem eine gewisse Nachdenklichkeit von der erste bis zur letzten Zeil anhaftet.

«Ich lese auch lieber Bukowski als Rosamunde Pilcher»

Selten sind es thematisch-deepe Konzeptsongs, doch auf fast allen finden sich – und das macht Sulaya so virtous: Andeutungen echter Struggles und Abgründe. Es geht um Schmerz, Trauer oder Substanzmissbrauch und es wird hör- und spürbar: Dieser Mensch hat gewisse Scheisse durchgemacht. Das dieses Kriselnde ihn als Rap-Figur ausmache, ist Suly, der von sich etwas salopp behauptet «geilen Penner-Rap» zu machen, durchaus bewusst: «Ich lese schliesslich auch lieber Bukowski als Rosamunde Pilcher». Multipliziert mit wahnwitzigen Punchlines und einer etwas derben Delivery, kommt selbst Musikjournalist Lukie Wyniger ins Schwärmen. In der Nachbesprechung zum Cypher 2020 offenbarte dieser: «Ich hang dem an dr Lippe».  

Sulayas Texte erreichen aber nicht nur Musikjournalist*innen. Kürzlich, so beginnt er die Anekdote, war er zu Gast bei einer Freundin im Garten. Eine gemütliche Barbeque-Runde. Da gesellt sich die 65-jährige Nachbarin Marlies mit einem Rosé dazu. Sulayas Bekannte stellt die sich unbekannten gegenseitig vor: «Marlies, du hörst doch gerne Mundart – Sulaya hat soeben ein neues Album veröffentlicht». Schliesslich entgegnet Marlies zu aller Überraschung, dass sie den Namen auch schon gehört habe und sie sehr begeistert vom Text zum Lied «Toxisch» sei.

Erst die Flossen
Geschichten wie diese wird es wohl noch weiterhin geben. Laut Suly sei mit der bisherigen Zusammenarbeit erst der Grundstein gesetzt worden. Schon bald dürfen wir neue Musik erwarten. Dann wohl wieder mit mehr Mixtape-Charakter: Weniger thematisch, mehr Bars. «Und der eine oder andere unerwartete Featuregast», ergänzt Olen, bis Suly ihn unterbricht, um leicht ironisch zu verdeutlichen, das noch viel auf uns zu komme: «Das Monster hat erst seine Flossen gezeigt!» Wohl im Wissen darum, dass eine gesunde Portion Selbstüberzeugung genauso HipHop ist, wie sich selbst nicht immer allzu ernst zu nehmen.

«AllerBesteMusic» gehören unserer Meinung nach zu den aktuell besten Schweizer-Rapper-Producer-Duos. Erfahre hier, wer es sonst noch auf die Liste geschafft hat:

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