HipHop zu leben bedeutet für die Vertreter unserer Szene, offen und tolerant zu sein. So kann sich die HipHop-Kultur zurecht loben, vielen Formen der Ausgrenzung erfolgreich einen Riegel vorgeschoben zu haben. Rechtsextremer Rap ist so widersprüchlich wie unbedeutend, HipHop bietet dem Rassenhass in den USA erfolgreich Paroli und die ungezügelte Wut auf den Islam hat es – alhamdulillah – nicht in die Texte und Köpfe von Rappern und Fans geschafft.Auf einem Auge sind zu viele Leute in der Szene aber scheinbar blind: Der Antisemitismus ist nicht mehr eine unbedeutende Randerscheinung im HipHop – er hat sich langsam, aber sicher in den Mainstream geschmuggelt. Egal ob in Texten, Interviews oder hinter den Kulissen: Antisemitische Aussagen werden am laufenden Band konsumiert und nur selten als solche erkannt und eingeordnet.Das ist keinesfalls ein HipHop-spezifisches Problem, sondern spiegelt einen gesellschaftlichen Trend. Antisemitismus bietet einfache Lösungen für komplexe Probleme, Antisemitismus kommt unter vielen verschiedenen Deckmänteln daher und so ziemlich jeder von uns geht, bewusst oder unterbewusst, antisemitischen Stereotypen auf den Leim. Gerüchte und verzerrte Wahrnehmungen prägen unser Weltbild – und manchmal kann das brandgefährlich werden.Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, das hier ist kein Versuch, die Echo-Debatte neu aufzukochen. Was eine konstruktive Diskussion hätte werden können, lief damals leider aus dem Ruder. Die Debatte führte dazu, dass der Feuilleton und die Künstler endlich wieder über Antisemitismus in der Pop-Kultur diskutierten, wurde aber durch zu viele Provokationen hochgekocht. So muss man leider zum Schluss kommen, dass der Disput sein Ziel verfehlt hat.Um einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen, zeigen wir in dieser Sonderausgabe verschiedene Perspektiven auf dieses komplexe Thema. Der Rapper und Entertainer Knackeboul, der Professor Erik Petry von der Uni Basel und Ben Salomo, eine Ikone des deutschen Battle-Raps und bekennender Jude, schildern uns aus verschiedenen Blickwinkeln, in welchen Formen antisemitische Ideen in Rap-Texte und in die Köpfe der Menschen geschmuggelt werden. Es geht hier nicht darum, Künstler oder Fans kollektiv zu beschuldigen. Es geht nicht darum, HipHop-Polizei zu spielen. Das Ziel dieser Beiträge ist es, awareness zu schaffen. Das Kind beim Namen zu nennen.Wir möchten mit diesem Themenschwerpunkt nicht nur Formen des Antisemitismus in Rap und Gesellschaft aufdecken, sondern auch Lösungsansätze vorstellen. Unsere Gastautoren und Interviewpartner haben unterschiedliche Vorschläge: Der erfolgreiche und kontroverse Autor Thomas Meyer arbeitet an neuen, positiv-ausgeflippten Bildern des Judentums. Knackeboul fordert mehr Aufklärung. Erik Petry setzt auf die Jugend. Was sie miteinander verbindet, ist der Aufruf zur Debatte. Der Impuls, über Probleme zu sprechen, anstatt sie totzuschweigen. Und genau an diesem Punkt setzen wir an. Damit HipHop nicht nur eine blosse Worthülse wird, sondern eine liberale und zukunftsgerichtete Kultur bleibt.Mehr dazu in der Sonderausgabe. Das Magazin wird ab 14. Dezember im Einzelhandel und im Abonnement erhältlich sein. Zudem kann sie in unserem Onlineshop erworben werden.[sc name="mehr lesen" ]