Wir schreiben das Jahr 1992. Auf dem P-27-Song «Murder by Dialect» rappt Black Tiger zum ersten Mal auf Schweizerdeutsch, während in der Schweiz bis anhin lediglich auf Englisch gerappt wurde. Tigers Verse hat eine Tür für das aufgetreten, was wir alle so lieben: Mundart-Rap ist geboren.
«Basel, dä Rap isch für di!»: Der Track ist eine Hymne für seine Stadt am Rhein und die gesamte Writer-Szene in der Schweiz. Es folgten Kollabo-Releases mit MC Rony. Die Soloalben «Solo» und «Beton Melancholie» sind zudem unumstrittene CH-Rap Klassiker. Zusätzlich steuerte Black Tiger Featureparts zu diversen Alben anderer und zu Samplern bei. Das letzte grosse Projekt von Black Tiger war «1 City 1 Song»: Ein 2012 erschienener, 83-minütiger Track, der 147 Rapperinnen und Rapper, elf Produzentinnen und Produzenten, sowie 7 DJs aus der Region Basel vereint. Jetzt, 14 Jahre nach seinem Klassiker «Beton Melancholie», veröffentlichte Black Tiger sein neues Album «Transformation»!
Das Album konnte nicht so auf die Fans losgelassen werden, wie ursprünglich geplant. Der eigentliche Plan fürs Comeback wäre perfekt gewesen: Nach den ersten vier Singleauskopplungen im Jahr 2019 sollte «Transformation» bereits im Mai erscheinen, im Sommercasino Basel getauft und gemeinsam mit Black Tigers Geburtstag gefeiert werden. Corona sei Dank hat sich das alles bis in den September verschoben. Schliesslich konnte die neue Platte aber endlich veröffentlicht und getauft werden!
Kann das Album den Erwartungen der Schweizer Rap-Heads aber überhaupt gerecht werden und an den vorherigen Klassikern anknüpfen? Bereits die vier Vorabsingles «Rocky Mountains», «Insomnia», «Wälder'n'Wiese» und «Chillerei» konnten Tigers Hörerschaft überzeugen. Wenn man sich die Platte mit 48 Minuten Spieldauer durchhört, wird schnell klar, dass Black Tiger nichts verlernt hat. Der Basler ist seinen alten Werten treu geblieben, der Sound klingt aber definitiv nicht nach 2006.
Das Album startet mit «So High» als Opener, worin Black Tiger dem alten Übel «bye bye» sagt, die Vergangenheit hinter sich lässt, einem neuen Kapitel entgegen schreitet und ein Gefühl von Auferstehung kreiert. Das kann man auch sinnbildlich für die Veröffentlichung des Albums sehen. Denn nach einem sowieso schon langen Weg seit «Beton Melancholie», den Corona-Strapazen und einer Fehlpressung der CDs ist das Album endlich erhältlich und Tiger kann sein musikalisches Comeback feiern und zelebrieren, während die Fans nach zu vielen Jahren wieder neue Musik geniessen dürfen. Der zweite Titel «Eins Zwei Drei» ist eine Hymne für die HipHop-Kultur mit ihren vier Elementen, worin Black Tiger seit vielen Jahren zuhause ist. Spätestens nach diesen beiden Songs und den Vorab-Singles sollten die alteingesessenen Rap-Fans von der neuen Platte überzeugt sein.
Auf Albumlänge bekommen wir einen Black Tiger, wie wir ihn schätzen und lieben. Die Lyrics sind gesellschaftskritisch und persönlich. Auch rap-technisch gibt das Album einiges her: Tiger spielt stark mit unterschiedlichen Reimschemata, bringt viele und diverse Flowvariationen und weiss seine Stimme gekonnt als Instrument, welches mit den Instrumentals verschmilzt, einzusetzen. Dadurch klingen auch inhaltlich komplexere Songs sehr angenehm, trotz des anspruchsolleren Themas. Weitere wichtige Bausteine des Releases sind die Tracks «Night Walker» und «Sun Riser», zwei von Black Tiger unter dem Namen Beat Baur produzierte Instrumentalsongs. Zwischen den deepen Songs haben diese smoothen und atmosphärischen Beats eine sehr erholsame Wirkung.
Um abschliessend auf die Frage, ob das Album den Erwartungen gerecht werden und an den vorherigen Klassikern anknüpfen kann, einzugehen: Es kann ohne Zweifel gesagt werden, dass «Transformation» die eigene Hörerschaft überzeugen und abholen kann. Ob die aktuelle Platte auch ein Klassiker wird, wird die Zeit zeigen. Das Album hebt sich durch den roten Faden jedoch stark von anderen Releases im Singlezeitalter ab.