Bligg-Comeback: Ein schier unmöglicher Balanceakt
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2020

Kolumne

Bligg-Comeback: Ein schier unmöglicher Balanceakt

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Bligg-Comeback: Ein schier unmöglicher Balanceakt

Luca Thoma
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Bligg-Comeback: Ein schier unmöglicher Balanceakt
Quelle:
Adrian Braetscher
Im Cüpli-Game gibt’s keine Chance für Spontanität und Lockerheit. Und im Schweizer Rap klafft oft ein massiver Grat zwischen den Ansprüchen der Fans und der Chance auf ein Leben als Musiker. Ein Kommentar zur «Rückkehr» von Bligg.

Die Überraschung war gross. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit lag das Gerücht im Raum, dass Bligg wieder einmal «Real Rap» machen wolle, aber so richtig daran glauben wollte dann doch niemand – zu viel Erfolg brachten ihm Handörgeli-Rap und Features mit Marc Sway oder ZID. Doch aus dem Nichts droppte er Ende Februar 2020 die Single «B.L.I. doppel G», ein Representer-Track im Stile des «Okey Dokey»-Bliggs von 2005. Danach liess er an den SMAs die Katze aus dem Sack: Im April kommt das neue Album «Okey Dokey 2». Ein Schritt, der für emotionale Diskussionen sorgt. Was ist davon zu halten?

«Trotz aller Pop-Eskapaden bleibt Bligg ein wichtiger Pionier der HipHop-Szene.»

Auf der neuen Single rechnet Bligg mit seinen Hatern ab, von denen es in den letzten Jahren nicht zu wenige gab. Er feiert sich nicht ohne Ironie als Popstar ab und macht sich über Rapper lustig, die, anders als er, kein Geld verdienen. Einerseits ist das verständlich: Nur wenige Musiker haben in der Schweizer Rap-Geschichte je soviel Hate bekommen wie Marco Bliggensdorfer. Mitunter zu Unrecht. Trotz aller Pop-Eskapaden bleibt Bligg ein wichtiger Pionier der hiesigen HipHop-Szene. Er hat Kontakte nach Deutschland geknüpft, legendäre Songs und Alben gedroppt und CH-Rap ein gutes Stück cooler gemacht, als er vor ihm war. Nach all den Rüümli-MCs und Megacrews der Gründergeneration wurde Bligg gemeinsam mit Stress zum ersten Superstar im Schweizer Rap. Diese Legacy kann ihm niemand nehmen.

«Da kann man noch so real bleiben, mit dem Erfolg kommen die Neider.»

Auch der Bruch in seinem Soundbild, der zu einer kommerziellen Wendung und Anbiederung an die Bünzli-Haushalte – Stichwort: Handörgeli-Rap – führte, kann man irgendwie nachvollziehen. Schweizer Rap ist bis heute ein hartes Pflaster und war damals noch um einiges tougher. Man’s gotta pay his bills. Dass man dafür nicht gleich ein Jodlerchörli auf die Bühne zerren muss, ist eine andere Geschichte, aber dass im Hate auf kommerziell erfolgreiche Urban Artists auch immer sehr viel Neid mitschwingt, sollte jedem seit Lo & Leduc völlig klar sein. Da kann man noch so real bleiben, mit dem Erfolg kommen die Neider. Zudem hat Bligg ähnlich wie Stress, der dabei aber deutlich erfolgreicher war, versucht, Newcomer zu pushen – etwa mit seinem leider gescheiterten Label «Dreamstars» oder neulich mit einem stabilen Karriereboost für den aufstrebenden Popstar ZID. So gesehen hat Bligg immer viel Goodwill bewiesen, aber nie den entsprechenden Respekt dafür bekommen.

Daran ist er jedoch zu einem grossen Teil auch selbst schuld: Trotz Erfolgen im Mainstream hat er seine HipHop-Sozialisation vorwiegend dafür genutzt, um in den Augen des Schweizer Mittelstands als besonders «cool» zu gelten, hat sich aber gleichzeitig von allen Negativklischees über HipHop distanzieren, ohne irgendetwas dagegen zu tun. Lieber hat er sich an Cüpli-Promis wie Marc Sway und Gölä in die Charts und die SRF-Studios hochgehangelt. Das alles ist angesichts der toughen Schweizer Musikbranche auch immer noch nachvollziehbar – der Mann hat schliesslich ein gutes Jahrzehnt Dreck gefressen und Staub geschluckt, um es an die Futternäpfe der Major-Industrie zu schaffen.

«Der Mann hat ein gutes Jahrzehnt Dreckgefressen und Staub geschluckt, um es an die Futternäpfe der Major-Industrie zuschaffen.»

Was jedoch aus Rap-Perspektive enttäuscht, ist die Promo-Kampagne für seine «Rückkehr» ins CH-Rap-Game. Da wäre zum einen der Launch: Bligg präsentiert das neue Album als Fortsetzung seines Meisterwerks von 2005, seines Zeichens ein CH-Rap-Meilenstein. «Okey Dokey 1» lebte von Spontanität und pubertärem Witz und nun lanciert er seine Promokampagne ausgerechnet an einem der hüftsteiftsten Events aller Zeiten, den SMAs? Und als wäre das nicht schon bedenklich genug, begnügt sich der ehemalige Live-MC erster Güte mit einer Playbackshow im Schlagerformat? Prädikat: zero HipHop. Im Outro der 2005er-Version von «Okey Dokey» machte sich Bligg noch darüber lustig, dass ihn Label-A&Rs für die fehlende Hitsingle kritisierten – und holt sich für den Launch der neuen Platte Marc Sway für die obligate Pop-Nummer auf die Bühne?! Warum nicht gleich Gölä und Trauffer?

Die letzte Zusammenarbeit mit Gölä ist bereits einige Jahre her: 

Das alles ist aus unserer Warte sehr schade, legt aber auch die Widersprüche des Pop-Phänomens Bligg offen: Wie soll er mit dem «Okey Dokey 2»-Album auch nur ansatzweise seine Kosten decken, seine Familie ernähren und seine Miete zahlen, wenn er auf Industriekonventionen scheisst und roughen Rap-Sound wie früher bringt? Unmöglich. Dennoch sollten sich die alten Bligg-Fans darüber freuen, dass ihr altes Idol immerhin wieder die eine oder andere Line spitten und – wenn’s hochkommt – sogar die eine oder andere politische Inkorrektheit auf den Beat packen wird. Wem’s nicht passt, der findet genug andere gute Künstler im CH-Game.

So zeigt die Causa Bligg vor allem eines: Wer mit «realem» Rap seine Miete zahlen will, der muss mühselig, langsam und organisch wachsen. Denn von Handörgeli-Rap und Marc-Sway-Features gibt es in der Schweiz keinen Weg mehr zurück in die Szene - sollte man meinen. Ob Bligg diesen steilen und steinigen Pfad meistern kann, wird sich zeigen. Wie hunderte CH-Rap-Fans sind auch wir gespannt, wie Bligg in seiner Comeback-Form auflaufen wird.

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