Keine Sternstunde für deutsche HipHop-Kultur: Einmal mehr steht ein deutscher Rapper wegen seines rechten Gedankenguts im Spotlight. Für gute Musik oder sonstige verdiente Relevanz stand Cashmo zwar bisher auch nur selten im Spotlight, seine Bekanntheit lässt sich grundsätzlich auf Internetansagen und Nähe zu Sidos Camp zurückführen. Cashmo wäre am 16. Oktober im Dynamo aufgetreten. Diese Woche wurde er aber aufgrund seiner, laut Dynamo, «diskriminierenden» Ansichten wieder ausgeladen. Entrüstet und verständnislos macht sicher der Rapper bereit, mit einer Instagram-Ansage zurückzuschlagen. Dabei gibt es genügend Gründe, die zur Absage geführt hätten können.
In der Vergangenheit schrieb Cashmo schon einige szeneninterne Schlagzeilen, unter anderem mit seinem Song «Alman». Darin rappt der Künstler von der Diskriminierung, die er als Weisser von Migrant:innen erfahren musste und bedient mit der Bildsprache im Musikvideo (Weisse mit zugetapeten Mündern, Deutschland-Fahnen, Adler und Schäferhund) den Rechten Rand, wie HipHop.de zu Recht in einem Artikel kritisiert. Dass Cashmo mit dem Video ein Publikum anziehe, welches HipHop nicht haben wolle und die Bildsprache im Video «Wasser auf die Mühlen des rechten Rands» sei, sah Cashmo aber nicht ein und bezeichnete die Journalist:innen der Plattform als «hetzende Missgeburten». Mittlerweile irgendwie ironisch, im Anbetracht seiner Reaktion auf seine Ausladung vom Dynamo.
Ähnlich problematisch sind Cashmos fortlaufende verbale Angriffe im Internet auf Nika Irani. Diese hatte dem Rapper Samra Vergewaltigung vorgeworfen und damit die grosse #deutschrapmetoo-Debatte losgetreten. Seither war sie grossem Hate und Diskriminierung aus der Szene ausgesetzt. Obwohl Cashmo die Frau fortlaufend als Lügnerin bezeichnet, war er sich nicht zu schade, den Skandal als Boost für Follower:innen zu nutzen. Bei 100'000 Instagram-Follower:innen würde er einen Rapper exposen, der «wirklich» eine Frau vergewaltigt habe. Ob es ihm dabei wirklich um Gerechtigkeit für eine Frau ging, die sexuelle Übergriffe erlebt hatte, oder um Promo für sich selbst und einen Schlag gegen seinen Erzfeind Bushido, ist fraglich. Seine Followerzahl verdoppelte sich tatsächlich innerhalb eines Tages und erreichte 109'000, mittlerweile ist sie aber aus nachvollziehbaren Gründen wieder unter 100'000 gesunken.
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Als Reaktion auf die Absage des Zürcher Clubs reagiert Cashmo mit einem langen Instagram-Statement, in welchem er zuerst gegen Marcus Staiger und Jaysus’ argumentiert, dass es entgegen deren Aussagen eine richtige «Cancel Culture» gäbe. Als Beweis dafür nimmt er die Absage des Dynamo Clubs, die er als Erstes völlig falsch auslegt. Die Auflistung an problematischen Inhalten, die laut Veranstalter im Dynamo nicht erlaubt seien, stellt er als eine Auflistung von Anschuldigungen an ihn und seine Musik dar, was natürlich teilweise dann keinen Sinn mehr ergibt. Stark polarisierende politische Inhalte zu rappen sei pure HipHop-Kultur, argumentiert Cashmo gegen den letzten Punkt auf der Liste in der Mail. Wie könne man da dagegensein? Man könnte ihm nun natürlich erwidern, dass AFD-Rhetorik im HipHop genauso wenig verloren hat, aber dann wäre man wohl in den Augen des Rappers wie Hiphop.de's Mitarbeiter:innen eine Cancel Culture betreibende, «hetzende Missgeburt».
Selbstgefällig führt der Rapper seinen Monolog fort mit einem weiteren «Beweis» für die Cancel Culture: Für seine Aussagen über Nika Irani wurde er offenbar mittlerweile von ihr angezeigt, wegen Cybermobbing. Unbeirrt wirft er ihr weiter vor, gelogen zu haben, mit ihrem Statement bewusst nach öffentlicher Aufmerksamkeit gesucht und Spendengelder für private Ferien veruntreut zu haben. Seine Mission, den Leuten aufzuzeigen, was für Menschen sich hinter «diesen Communities» verbergen, betrachtet er als Ehrensache. Das Statement rundet der Rapper mit Werbung für seine Albumbox ab. Daraufhin postet er noch einen Screenshot seiner 1-Sterne-Rezension des Dynamo Clubs mit der hämischen Bemerkung, er wolle natürlich nicht zum Nachahmen animieren. Die wilde Invasion seiner Community auf die Google-Rezensionen lobte er dann in einer weiteren Story. Die Gesamtbewertung erreichte zu ihrem Tiefpunkt 2 von 5 Sternen bei knapp 600 Bewertungen, mittlerweile scheinen aber die Hälfte der Ratings entfernt worden zu sein.
Allzu oft wird leider mit dem Cancel Culture-Vorwurf um sich geworfen, wenn Artists die natürlichen Konsequenzen ihres problematischen Verhaltens erfahren. Dass das Dynamo nichts mit einem Rapper zu tun haben will, der ein rechtes Publikum anlockt und sich sowohl in seiner Musik als auch im Internet hochproblematisch äussert, hat eher etwas mit dem Schutz des eigenen Rufs zu tun, als mit «Cancel Culture». Angemessener wäre dieser Begriff, wäre Cashmo vom Staat zensiert oder von einem fiktiven allumfassenden Konzertverband für sämtliche Auftritte blockiert worden. Nichts davon ist selbstverständlich der Fall, es handelt sich bei Cashmo nur um einen weiteren privilegierten weissen Mann, der selbstverschuldete Konsequenzen nicht akzeptieren will und sich als das Opfer einer unsichtbaren, nicht-existenten Cancel-Macht darstellt. Und so zieht der selbsternannte «Cancel Culture Nightmare» mit einer Horde aufgebrachten Fans in den Krieg gegen einen Feind, der in dieser Form nicht einmal existiert. Darunter muss nun das Dynamo leiden.
Hier ist übrigens meine 5-Sterne- Rezension für das Jugendkulturhaus Dynamo. Natürlich möchte ich nicht zum Nachahmen animieren, falls du es mir aber doch gleichtun willst, kannst du hier eine positive Bewertung hinterlassen.