Spätestens seit dem vergangenen Frühjahr – natürlich primär in Verbindung mit der aktuellen Pandemie – ist die finanzielle Situation im Kultursektor wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Besonders Showausfälle sind in Zeiten von Streamingdiensten gerade für Independent-Künstler verheerend. Wer allerdings in der Kulturbranche arbeitet, weiss, dass die Frage nach dem momentanen status quo bezüglich Finanzen und insbesondere der Kulturförderung schon länger ein Thema der Öffentlichkeit sein müsste.
Grundsätzlich steht allen Kulturschaffenden in der Schweiz, sei das in Musik, Film, Kunst, Theater oder auch Institutionen für Kultur wie Museen, Konzertvenues etc. der Bezug von Kulturförderung zu. Wer in professionellem Stil lokale Kultur fördert, soll vom Staat, dem Kanton, der Gemeinde oder privaten Stellen wie Stiftungen Unterstützung für diesen Kulturbeitrag bekommen können. Dennoch bin zumindest ich bislang noch fast nie mit dem Thema der Kulturförderung im HipHop konfrontiert worden, obwohl es kein wichtigeres Genre für die momentane Jugend- und generell Popkultur gibt.
LUUK: «Ein sehr grosser Teil eines wichtigen Kulturbeitrags wird vergessen, weil es eine Jugendkultur ist, und diese Kultur immer noch irgendwie eine negative Konnotation mit sich trägt.»
Das steht in starkem Kontrast zu anderer Alternativkultur, in der Kulturförderung eine prominente Alltags-Angelegenheit ist. Wie kann das sein, dass die Finanzierung unserer Lieblingsalben fast nie zum Gesprächsthema wird? Kassieren alle einfach heimlich ihre Checks? Wer bekommt überhaupt Kulturgelder? Wir haben mit Artists, Labelverantwortlichen und einer Stiftung gesprochen, um etwas Transparenz zu schaffen, gerade für alle, die vor der Produktion ihres nächsten Albums stehen. Aber schon vorab: Schreibt die Gesuche, egal wie mühselig es ist.
Bekommst du Kulturförderung zugesprochen?
Luuk: Ich habe Kulturförderung bis jetzt von der Stadt, dem Kanton und dem Migros-Kulturprozent bekommen, aber natürlich nicht in der Höhe, mit der ein ganzes Album finanziert werden kann, wie man sich das vielleicht vorstellen würde.
Wie kann man sich das vorstellen?
Die Betragshöhen sind im vierstelligen Bereich und das ist natürlich lang nicht ausreichend, um ein Album richtig durchzuproduzieren. Gerade als Independent-Artist in der Schweiz brauchst du an die 20k, um ein richtig krasses Album zu machen. Es ist halt nicht nur das Album, es sind auch sehr viele Dinge drumherum mit Videos, Produktion, Mix, Master, Promo usw. Und so ist man immer etwas low-budget unterwegs.
Wie mühselig war der Prozess, dieses Geld zugesprochen zu bekommen?
Es war definitiv ein Pain, dieses Geld zu bekommen, zumindest in meinem Empfinden. Du musst eine kleine Arbeit über dein Projekt schreiben, ein Bewerbungsdossier mit Rechnungsvorlagen und Excel-Tabellen. Ich denke nicht, dass alle Artists in der Schweiz mit dieser Bürokratie klarkommen.
Fühlst du dich genug unterstützt von den Kulturförderungsinstitutionen?
Genug unterstützt fühle ich mich in dem Sinn nicht wirklich. Ein sehr grosser Teil eines wichtigen Kulturbeitrags wird vergessen, weil es eine Jugendkultur ist, und diese Kultur immer noch irgendwie eine negative Konnotation mit sich trägt. So ist es letztendlich definitiv zu wenig Unterstützung, gerade wenn man sich anschaut, wie viele Menschen diese Musik konsumieren.
Die Kulturförderstelle des Kantons Zürich stellt auf ihrer Website vier Hauptförderkriterien an unterstützte Projekte: künstlerische Professionalität, Qualität und Eigenständigkeit, organisatorische Sorgfalt, Dringlichkeit und Zugänglichkeit des Projekts und regionale Ausstrahlung und erwartete Resonanz bei Publikum und Fachwelt. Sie verlangen also einen klaren Plan für das zu unterstützende Projekt, ein solides Bewerbungsdossier und öffentliche oder szenengebundene Relevanz des Artists und Projekts. Weiter geschieht Kulturförderung auf verschiedenen Ebenen – Newcomer würden sich teils an andere Stellen wenden, als dass es beispielsweise Berufsmusiker tun. Generell muss man sich diese Förderung nicht als einheitliches Paket vorstellen, sondern als verschiedene kleinere Teile einer Summe, mit welcher ein Projekt o.Ä. (teil)finanziert werden kann. Im Verlauf der Recherche zu diesem Artikel wurde mir diverse Male gesagt, dass viele junge Künstler gar nicht wissen, dass ihnen eine solche Förderung zustehen würde bzw. dass diese Stellen überhaupt existieren, gerade weil dieses Thema sehr komplex und ziemlich intransparent für Aussenstehende ist. Ein Weg, wie man diese Komplexität umgehen kann, ist die Zusammenarbeit mit beispielsweise einem Label, die sich im Arbeitsalltag mit diesen Förderbeiträgen und Gesuchen beschäftigen. Das zeigt sich auch in der Kommunikation zwischen den Förderstellen und dem Basler Label «Dritte Stock»:
«Dritte Stock»(Manuel/LAFA): Grundsätzlich ist es so, dass wir fixe Institutionen und Ansprechpersonen haben, mit denen man auch sehr einfach ins Gespräch kommen und bei denen man meist auch im Büro vorbeigehen kann. Deshalb existieren eigentlich unabhängig vom Reach eines*r Künstlers*in gute Möglichkeiten, um projektbezogene Kulturförderung zugesprochen zu bekommen. Als konkretes Beispiel: Wir haben eigentlich immer ca. 80-90% der beantragten Fördergelder zugesprochen bekommen.
Auch in der Höhe, die angefragt wurde?
Nicht immer. Teils ja, teils auch drunter. Aber das ist generell eine Zusammenstellung verschiedener Förderstellen, wenn wir beispielsweise für eine Produktion ein Budget von 4000.- anfragen, kann es gut sein, dass man die Hälfte bekommt mit Verweis auf andere Stellen, die man dann anfragen soll. Aber ich habe auch schon von anderen Leuten aus anderen Kantonen gehört, dass das viel schwieriger ist. Kein Einfluss auf das Resultat, keine Transparenz, wenig Einsicht in den Prozess – in Basel beispielsweise kann man immer Rekurs einlegen, um vielleicht das Geld doch zu bekommen, welches man verwehrt bekommen hat. Du hast immer Möglichkeiten, um nachzuhaken, weshalb du Förderung nicht bekommen hast, im Gegensatz zu einem Brief, der dir nur eine Absage gibt.
Wie gross ist der Aufwand, die Gelder zu bekommen?
Der Aufwand, in dieses Game reinzukommen, in die Bürokratie, die Formulare, die E-Mails, ist immens. Das ist wirklich der Löwenanteil. Bei uns haben wir den Vorteil, dass ich mich spezifisch damit auseinandergesetzt habe und wir nun die Basis haben, um diese Fördergelder ohne weiteren riesigen Aufwand zu bekommen. So können wir den Künstler*innen sehr viel Zeit nehmen. Ein weiteres Problem ist die Komplexität dieser ganzen Formulare und der Bürokratie. Viele blicken da schnell nicht mehr durch. Deshalb ist es manchmal fast zwingend, jemanden zu haben, der sich damit auskennt.
Wie sieht es dann mit Kulturförderung im HipHop aus? Immerhin sind Labelstrukturen nicht der Standard – sehr viel wird selfmade gemacht.
Also Fakt ist, dass zumindest in Basel HipHop und andere Alternativ- und Urbankultur gerade im Vergleich zu beispielsweise Klassik immens benachteiligt wird. Anscheinend fliessen nur 2.5% der Kultusausgaben in diesen Bereich. Bei den Orchestern beispielsweise sind x-fache Budgets vorhanden. Ich glaube Luuk hat einmal eine Story gepostet, die genau vom gleichen Phänomen in Zürich berichtete. Die verteilten Gelder sind für HipHop viel kleiner oder zumindest garantiert nicht mehr zeitgemäss – in Bezug auf die Relevanz. Natürlich kostet ein Orchester viel Geld, aber dafür, dass die Jugendkultur so viele Leute erreicht, wird sie doch nicht allzu stark gefördert.
Um das alles auf einen Nenner zu bringen: Fühlt ihr euch genug unterstützt? Vom Staat, Stiftungen, anderen Förderstellen etc.
lacht… Das ist sehr schwierig zu sagen. Ich verstehe, dass du das alles auf einen Nenner bringen willst, aber das ist fast unmöglich. Stiftungen beispielsweise sind sehr undurchsichtig, dort fühlt es sich für uns oft wie eine Verarschung an. Du hast keinen blassen Schimmer, was passiert – aber sie sind auch dafür bekannt, dass das immer irgendwie komisch ist. Dann gibt es den Kanton und die Städte/Gemeinden. Dort ist grundsätzlich zu wenig Geld vorhanden, aber man kann immer sehr gut in Kontakt treten. An dieser Stelle beispielsweise gar keinen Vorwurf, wir können im Büro vorbeigehen, sie nehmen sich eine Stunde Zeit für uns, beantworten alle Fragen und helfen uns auch ganz konkret - das ist wirklich easy. Aber der Anfangsaufwand ist wirklich sehr gross.
Wie könnte man das besser machen?
Vielleicht durch Optimierung von konkreten Dienstleistungen. Dass es Stellen gibt, die dieses Zeugs für dich machen. Denn eine Änderung dieser Abläufe ist nicht wirklich in Sicht. Es gibt ein Kommunikationsproblem zwischen den Stellen und der Basis. Aber das Hauptproblem ist meiner Meinung nach, dass uns mehr zusteht. Da trägt nicht mal konkret jemand Schuld, es ist eher ein strukturelles Problem.
Wenn diese Kommunikation stattfinden kann, ist der Zugang zu diesen Mitteln viel einfacher. Das hat auch damit zu tun, wie man in dieser Szene vernetzt ist. Natürlich funktioniert die Vergabe von Kulturgeldern nicht durch Vitamin B, aber ein Netzwerk in der Kulturszene – wenn man sie so nennen will – verschafft einen vereinfachten Zugang zu den Förderstellen und Information über die Förderung. Der Musiker DAIF beispielsweisen konnte letztes Jahr dank der Frauenfelder Kulturförderung für mehrere Monate in Buenos Aires ein Album produzieren, inklusive Unterkunft in einer WG mit anderen Künstler*innen und Studio. Mit DAIF hat man hier einen Künstler, der in der öffentlichen Relevanz längst nicht das gleiche Profil wie beispielsweise Luuk oder COBEE hat, dennoch aber die Möglichkeit zu ausserordentlicher Art von Kulturförderung bekommen hat.
Wieviel machen die Kulturförderbeiträge, die du bekommst, in deinen Einnahmen aus?
DAIF: Circa einen Viertel, wenn man so die direkten Einnahmen durch die Kulturförderstellen ansieht. Aber dadurch, dass ich auch Mixing für andere Bands mache, ist das dann bei anderen Kulturförderdossiers einberechnet, das sind also indirekte Kulturgelder für mich. Und damit ist es dann doch ab und zu die Hälfte – ist aber auch davon abhängig, was ich gerade für andere Künstler*innen mache.
Ist es ein Pain, an die Kulturgelder ranzukommen?
Am Anfang schon, mittlerweile nicht mehr so ganz. Aber ich hatte auch schon zuvor, als ich noch in einem Club arbeitete, diese Strukturen kennengelernt. Aber du musst dir diese Dossiers zusammenstellen, was definitiv ein grosser Aufwand ist.
Wie bist du dazu gekommen, dass du letztes Jahr sozusagen auf Kosten der Stadt Frauenfeld ein Projekt in Buenos Aires aufnehmen konntest, einen mehrmonatigen Aufenthalt in der Stadt inklusive?
Dass ich das mit meinem damaligen Portfolio machen konnte, liegt sicherlich auch zu gewissen Teilen daran, dass in Frauenfeld in dieser Zeit nicht extrem viel los war. Es gab wohl zu wenig junge Leute, die sich für so etwas beworben hätten – das sind sicher Faktoren, die das für mich begünstigt haben. Aber gut war sicherlich auch, dass ich mich in den letzten Jahren an doch einigen Kulturprojekten in Frauenfeld beteiligt hatte oder irgendwie involviert war.
Alles in allem, fühlst du dich genug unterstützt von den öffentlichen Institutionen?
Im Vergleich ja – gerade mit Leuten, die auf einem ähnlichen Level sind wie ich. Aber ich habe das Glück, dass ich Kulturhintergrund habe. Aber ganz grundsätzlich finde ich, dass definitiv zu viel Geld an Orte fliesst, wo schon sehr viel Geld vorhanden ist. Es wäre wichtig, dass generell mehr Geld in die Kulturförderung fliesst und die Verteilung dieser Gelder zugänglicher wird.
Das heisst es geschieht nicht etwa aktives Gatekeeping, aber ein Kulturhintergrund bringt trotzdem enorme Vorteile?
Ja – ich denke das ist ein strukturelles Problem. Einerseits kommt man, wenn man so Kulturszene-Zeug oder auch politische Kultur macht, sehr schnell in Kontakt mit Entscheidungsträgern, was schon ein sehr grosser Vorteil ist, weil sie dich auf dem Radar haben. Und parallel dazu wird Alternativ- und Jugendkultur oft nicht im gleichen Masse wertgeschätzt.
Ähnlich sieht dies auch COBEE. Für sein letztes Album hat der Berner, der mittlerweile ruhig als einer der relevanteren Deutschschweizer Musiker gesehen werden darf, zum ersten Mal Kulturförderung angefragt. Eine Albumproduktion mit diesen Fördergeldern zu decken, sei aber sehr unrealistisch.
COBEE: Ich habe das Glück, dass ich viel selbst machen kann, aber es wäre nice, wenn man irgendwie ein wenig mehr finanzielle Stabilität hätte. Immerhin ist die Musik zu einem Job geworden und eigentlich ist es doch ziemlich weird, dass alle Independent-Artists per se gratis arbeiten. Die Arbeitsstunden sind in dem Sinne nicht bezahlt und du kannst dich nur auf deine Shows und Streams stützen. Deshalb kann ich letztendlich nicht sagen, dass ich mich genug unterstützt fühle. Es ist nur schon ein riesiger Struggle, das alles zu bekommen: Du musst x Gesuche stellen und wenn man ehrlich ist, sind viele Künstler überhaupt nicht bürokratieaffin genug. Es müsste definitiv mehr Unterstützung vorhanden sein, wenn man Kultur pushen will. Aber es gibt natürlich auch so viele Künstler*innen, so viele verschiedene Projekte, die man fördern könnte. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Rap ein wenig auf der Strecke bleibt – es wird an den Förderstellen wohl einfach nicht im gleichen Masse wahrgenommen wie «altbewährte» Kulturformen.
Dass es ein strukturelles Problem ist, bezweifelt wohl keiner der Kulturschaffenden. Schuld sind nicht etwa Einzelpersonen, die HipHop den Weg in diese Institutionen verbauen würden, sondern bürokratische Vorgänge, die sich nur sehr langsam verändern und damit fehlende Zugänglichkeit verursachen. Zudem ist es schwierig, ohne Labelstrukturen oder ähnliche Anlaufstellen zur Unterstützung bei den Gesuchseingaben, mit der Bürokratie oder nur schon der Informationsbeschaffung klarzukommen. Auch ist das Kriterium der regionalen Ausstrahlung und erwarteten Resonanz bei Publikum und Fachwelt, wie es die Kantonale Förderstelle des Kantons Zürich stellt, sehr subjektiv. Und die öffentlichen Stellen sind hier noch nicht einmal das einzige Problem, wenn man nach den Aussagen der hier befragten Künstler*innen geht. Private Förderstellen haben letztendlich freie Hand in ihrer Auswahl der zu unterstützenden Artists. Das verhindert die Förderung von vielversprechenden Newcomern natürlich nicht völlig, bringt aber denjenigen mit einem über Jahre kultivierten Förderdossier automatisch einen gewissen Vorteil.
LAFA: «Der beste Artist ist nicht derjenige mit dem besten Förderdossier.»
Natürlich muss aber – wenn dies der Versuch ist, Transparenz in die Vorgänge der Kulturförderung zu schaffen – auch die Seite der Kulturförderstellen beleuchtet werden. Deshalb haben wir mit Marius Käser von der Stiftung Pro Helvetia gesprochen.
Mir wurde bislang in fast jedem Interview, das während der Recherche zu diesem Artikel geführt wurde, mitgeteilt, dass es generell eine Diskrepanz zwischen der Unterstützung im HipHop-Genre und anderen Genres, wie beispielsweise Rock, Pop oder Klassik, geben würde – vielleicht auch in Relation zu der gesellschaftlichen Relevanz des Genres. Ist Ihnen eine solche Diskrepanz bewusst?
Marius Käser: Wenn sie mir bewusst wäre, würde ich mich dagegen wehren. Ich denke HipHop ist ein sehr wichtiger, momentan und auch seit Jahrzehnten relevanter Musikstil, den ich auch persönlich sehr schätze – seit den 90er-Jahren versuchen wir bei Pro Helvetia, HipHop auch aktiv stark zu fördern.
Wie steht es denn um den «Underground»? Wie können Künstler*innen, die sich abseits vom Mainstream bewegen Kulturförderung bekommen?
Bei uns kommt es auf die künstlerische Relevanz an und nicht auf die Unterscheidung zwischen over- und underground: beispielsweise kommt es darauf an, wie es ein*e Künstler*in schafft, eine künstlerische Position zu erarbeiten, die wiedererkennbar ist und eine gewisse Strahlkraft hat, die über eine regionale Reichweite hinausgeht. Ab diesem Punkt haben natürlich alle eine Chance, die irgendwie in der Szene eine Rolle spielen.
Wie misst man das?
Das ist natürlich keine wissenschaftliche Messung, aber es gibt doch Faktoren. Ein Medienecho kann ein solcher Faktor sein, ein Push durch in der Szene relevante Persönlichkeiten, Streamingzahlen, die in die Höhe schiessen, relevante Medien, die berichten. Das sind sicher einige Dinge, aus denen man diese Relevanz herauslesen kann. Natürlich spielt auch der Miteinbezug in die Showkultur, mit Auftritten in Clubs und Festivals, eine Rolle. Generell wollen wir stets die Entwicklung von Künstler*innen betrachten.
Was können junge, aufstrebende Künstler*innen machen, um mehr vom Kuchen abzubekommen?
Ich denke es ist essenziell, mit den regionalen Förderstellen in Kontakt zu treten, beispielsweise der Musikförderung Bern, dem Popkredit Zürich, Rockförderverein Basel. Man muss das Gespräch suchen. Diese Stellen sind da, um Informationen bezüglich Förderung mitzuteilen. Man muss diese Hemmschwelle überwinden, tatsächlich in Kontakt mit diesen Stellen zu treten.
Wie intransparent die Stiftungen tatsächlich sind, lässt sich aus meiner Position nur schwierig sagen. Was jedoch festzuhalten ist, ist, wie einfach ich mit jemandem von der Pro Helvetia ins Gespräch kommen konnte. Das heisst aber nicht, dass es bei jeder Stiftung für jede*n gleich ist. Klar ist aber: Informiert euch über eure lokalen Förderstellen, bei Gemeinde, Stadt, Kanton und auch den privaten Institutionen. Bis sich etwas in diesen komplexen Vorgängen durch politische Initiativen ändert, kann man als Künstler*in, wenn man auf die Musik setzen will, leider nur mehr Gesuche stellen und direkten Kontakt zu den Institutionen suchen.
DAIF: «Es wäre wichtig, dass generell mehr Geld in die Kulturförderung fliesst und die Verteilung dieser Gelder zugänglicher wird.»
Weiter hat Marius Käser im Nachgespräch des Interviews etwas Interessantes erwähnt: Gesuche aus der Romandie seien deutlich häufiger als Gesuche aus der Deutschschweiz. Das hat sicher auch damit zu tun, dass gerade die Pro Helvetia-Stiftung einen Fokus auf Schweizer Musik legt, die im Ausland gefördert werden soll. Gleichzeitig ist es kein Zufall, dass beispielsweise die Superwak Clique und die Künstler*innen um Colors Records einerseits Anklang in Frankreich finden und andererseits Produktionen auf extrem hohen Standard vorweisen können. Das hat auch mit Labels, Management und Promotion zu tun – sprich: finanziellen Mitteln. Es ist dringend nötig, die deutschschweizerische HipHop-Szene weiter zu professionalisieren. Damit ist primär gemeint, Strukturen aufzubauen, die einen einfacheren Zugang zur «Kulturwelt» ermöglichen. HipHop ist heute aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken und sollte auch dementsprechend im Alltag so vertreten sein. Und auch wenn der Aufwand, um in dieses Game der Formulare, Bürokratie und E-Mails an Entscheidungsträger*innen hineinzukommen, immens ist, dürfte es sich für alle Beteiligten lohnen. Mehr eigene Exposure auf Künstlerseite heisst mehr Aufmerksamkeit, mehr Shows (auch wenn nicht im Moment), mehr Kultur und auch mehr Unterstützung. Und macht Druck, wenn nötig.