Wer die Chaostruppe kennt, weiss um ihre Unverwechselbarkeit in der Rap-Landschaft Bescheid. Zu selten ist ihre Haltung und Herangehensweise, kein zeitgenössisch musikalisches Produkt mit maximalem Potenzial generieren zu wollen (oder zu müssen). Umso witziger ist es, wenn sie in Form ihrer Skits dennoch so tut als ob. Aber auch von linken (meist gestandenen) Rap-Kolleg*innen unterscheiden sie sich die Protagonisten durch die gefühlten 0% Sesshaftigkeit, die dreifache Portion Chaos und die unbändige Kollektivmagie, die entsteht, wenn unterschiedliche Menschen mit gleichen Werten gemeinsame Sache machen. Oder wie Aristoteles sagen würde: «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.»
Diese Magie ist schliesslich einer der Gründe, weshalb man sich bei vielen Refrains getriggert fühlt, sich zu einem spontanen Mob zusammenzuschliessen. Niemand anderes als die Chaostruppe hat sowohl in den letzten Jahren («Chum mir gö use», «Usem nüt», etc.) als auch mit diesem Werk («D Wäut oder Niemer») echte Posse-Tracks mit einer gelungenen Mischung aus unterhaltender Selbstdarstellung, Feierlaune und sozialem Veränderungswillen geliefert.
Wie sich der geistige und musikalische Erguss von 15 sperrigen Köpfen zu einem Album zusammenschustern lässt? Keine Ahnung, aber es hat funktioniert. Wobei der gemeinsame Nenner in erster Linie auf der Inhaltsebene (inkl. Skits!) liegt und nicht etwa in der Produktion – es haben fast so viele Produzenten Beats beigesteuert, wie es Tracks gibt. Während sich in der Entstehungsphase wohl ganz natürlich gewisse Abläufe und Kapazitäten herausgeformt haben, muss es genügend organisch geblieben sein, so dass die «14 ufstrebende Karrieretype und ei Frou» ihre eigentlichen Stärken walten lassen konnten. Und das bedeutet auch, dass die Songs musikalisch ein ziemlich weites Feld abdecken.
Hier ist der eigene Anspruch an sich entscheidend, der nicht dem entsprechen würde, was vielleicht SAE-Absolventen definieren würden. «Umverteilig (zu üs)» überzeugt nicht durch Sauberkeit und perfekt arrangierte, auf Hochglanz polierte Parts. Und nicht immer ist man verzückt vom Double-Time-Part, der noch ein paar mehr Silben reingedrückt bekommt, als ihm gut tut. Was dennoch heraussticht, sind der flegelhafte Charme und die Liebe zum Spiel mit der Sprache, beziehungsweise zu dem, was Worte in Übereinstimmung – oder auch im Kontrast – zur Musik erschaffen können. Zum Beispiel wenn sich die in Ironie gehüllte Subversion ihrer Zeilen süffisant mit der poppigen Leichtigkeit des «streamigen» Afrotrap-Beats beisst («Umverteilig»): quasi das Trojanische Pferd mitten in der Hochburg der karrieretechnisch verbissenen und angepassten Rap-Genossen. An gewissen Stellen zieht schlicht «stumpf als Trumpf» und es bleibt nebst der überraschend plumpen Zeile auch ein Lächeln hängen. Oder es endet im reibenden Sarkasmus des verherrlichten Antiheldentums («Min haube Fründeskreis isch es Chrankekasse-Risiko», Tilt, «Verlore»).
Was die Truppe – und letztlich auch «Umverteilig (zu üs)» – ausmacht, ist ihre echte Auseinandersetzung mit dem, was ist oder gegeben scheint – und dem veränderbaren Drumherum. Das Aufreiben am Verhältnis von Geben und Nehmen, dem Blick über den Tellerrand hinab in die Alltagsmuster, die Hoffnung und die Verzweiflung des eigenen Seins. Und nein, im Gegenteil zu den vorherigen Sätzen kommt ihr Rap nicht wie pseudointellektuelles Geschwafel daher und er stellt sich auch nicht darüber. Dafür kommt er viel zu sehr von unten nach oben und macht in erster Linie Spass. In zweiter Linie sind ihr Groll, ihr Unbehagen und ihre Courage dann nicht nur verständlich, sondern auch authentisch und ansteckend. Denn zwischen stilsicherer Übertreibung und ironischer Distanz ist es ganz schön fest am Menscheln. Und das ist gut so.