Sinnvollerweise starten wir mit der Mundart-Rap Geburtsstunde – dem ersten veröffentlichten Rap mit einer Gast-Strophe in «Baseldytsch»: «Murder by Dialect» von P-27 mit den legendären Gast-Zeilen von Black Tiger. Der im Jahr 1991 erschienene Song war Teil der Platte «Fresh Stuff 2», ein Compilation-Release der Basler Crew P-27. Wo ein Nachfolger, da auch ein Vorgänger: «Fresh Stuff 1» des Vorjahres war bereits ein Resultat einer vernetzten und zusammenarbeitenden kleinen Schweizer Rap-Szene. Von Zürichs E.K.R. bis Lausannes Sens Unik war man um die Gelegenheit, Tracks für einen Sampler beizusteuern zu können, froh. Der Unterschied? Den Mut dazu, als Deutschschweizer in seiner Muttersprache zu rappen, hatte vor Black Tiger keiner. Die Idee dazu kam dem Basler in Paris. Dort sah und hörte er einen Auftritt einer französischen Rap-Gruppe, dessen Publikum die Texte nicht nur verstand, sondern auch mitrappte. So entschied er sich, statt weiterhin auf Englisch nun in Mundart zu texten. Obwohl es bereits zuvor Sprechgesang in Schweizerdeutsch gab, war «Murder by Dialect» in der Schweiz HipHop-Pionierarbeit . Sample-Beat, Scratches und Inhalte, die man ganz offensichtlich der frischen Jugendkultur zuordnen konnte.
HipHop schwappte Jahre zuvor über den grossen Teich – allen voran Breakdance und Graffiti. In Basel prägte er eine Jugend, die sich mit Vorurteilen konfrontiert sah. Der SRF-Beitrag aus dem Jahr 1989 liess Jugendliche, die in der Steinenvorstadt abhingen aber auch Bürger, die sich über gewalttätige Vorfälle von Jugendgruppen störten, zu Wort kommen. Die Aufnahmen stellen nicht nur die Praktiken der HipHop-Kultur vor, sie zeigen auch, dass ihre Grundsätze von Gewalt weit entfernt waren, ganz im Gegenteil: Love, Peace & Having Fun war das Motto einer Friedensbewegung. Die jungen Exponenten im Fernsehbeitrag distanzierten sich von den teils fatalen Vorfällen und nahmen gleichzeitig die Politik in die Verantwortung, mit mehr Freiräumen eine Alternative für das «gelangweilte Herumhängen» der Jugendlichen zu schaffen. Doch zurück zum Fixpunkt 1991: Das Abbild jener Zeit zeigt, dass es für Rapper der ersten Generation mehr Regel als Ausnahme war, zunächst über die Elemente des Tanzens und Sprühens eine Hingabe für die Kultur zu entwickeln. So auch bei Black Tiger, seiner Zeit leidenschaftlicher Sprayer.
«Bulleschtress und Bürgerwehr/Lüt mit Hünd, bewaffnet mit Gwehr/dummi Type, die mache mi vrruckt/Die sölle mi in Rue lo suscht schloni zrugg/Die wän mi manipuliere, fruschtriere/damit ich nömme due Wänd vrschmiere/d’Polizei will mi schtoppe und ins Gfängnis keie/damit ich ändlich ufhör alles z’vrschpraye/Nur kai Angscht, ich wird nie ufhöre/denn ich bi au eine vo dene Vrschwörer/eine, wo d’Schtadt e kli farbiger macht/graui Wänd lot vrsuffe in dr Farbepracht»
Für den ersten Mundart-Rap schrieb er eine wasserdichte Ansage für die kontroverse Kunstform, die mit krasser gesellschaftlicher Gegenwehr zu kämpfen hatte. Eine Verachtung der Obrigkeit, die der Gymnasiast hautnah erlebte. Nebst Nachtwächtern und der Polizei formierten sich auch Anwohnende zu einer Bürgerwehr, die gegen die Graffiti-Szene vorgingen und dabei auch nicht vor Gewalt zurück schreckten. Den Unmut und die Courage, sich und die Leidenschaft für das kreative Bemalen von Wänden nicht kleinkriegen zu lassen, packte Black Tiger in die historischen Mundart-Rap-Zeilen. Der autobiographisch geprägte Track «Murder by Dialect» wirkte schliesslich inspirativ und läutete die Anfänge der Schweizer Mundart-Rap-Geschichte ein.
Quellen:
- https://tageswoche.ch/kultur/20-jahre-murder-by-dialect-der-aufstieg-des-mundartrap/
- Gespräch mit Shape (Dynamic Duo)