2007 bis 2014: Von der Skyline zum Bordstein
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History of Swiss-Rap Pt. 3

2007 bis 2014: Von der Skyline zum Bordstein

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History of Swiss-Rap Pt. 3

2007 bis 2014: Von der Skyline zum Bordstein

Luca Thoma
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2007 bis 2014: Von der Skyline zum Bordstein
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Schweizer HipHop hat eine lange Tradition – fand aber jahrelang abseits der internationalen Aufmerksamkeit statt. Unser Journalist Luca Thoma hat die Geschichte für die JUICE, das grösste HipHop-Magazin Europas, aufgerollt. Letzte Woche berichteten wir über die goldenen Jahre, nun reisen wir weiter auf unserer Zeitachse: In eine Zeit, in der Schweizer HipHop beinahe für tot erklärt wurde.

War Rap in der Schweiz Mitte der 2000er noch auf dem besten Weg zum führenden Musikgenre, so sah die Lage nach 2007 deutlich anders aus: Das Goldene Zeitalter war zu Ende. Was viele befürchtet hatten, traf ein: Stress und Bligg suchten mit ihrer Musik neue Wege. Während Stress einen ähnliche Moves wie Sido oder Eminem machte und vermehrt mit Singer-Songwritern und anderen Mainstream-Posterboys zusammenarbeitete, trieb Bligg den Flirt mit den Schweizer Radiostationen auf die Spitze. Sein neuer Sound war eine Mischung aus Rap, Kuhglocken, Alphörnern und «Handörgeli» – eine bis anhin unbekannte und an Kuriosität schwer zu überbietende Symbiose aus Volksmusik und HipHop. Unnötig zu erwähnen, dass seine alten Fans sich nicht damit identifizieren konnten. Sein neues Publikum bestand aus Teenagern, Grundschullehrern und Grossmüttern. Airplay, TV-Auftritte und gute Verkäufe sicherten ihm eine sorgenfreie Existenz als Künstler. Was bleibt, ist sein Vermächtnis, seine bahnbrechenden Tracks und Alben, die dem Game ihren Stempel aufgedrückt haben.

So weit, so normal. Auch in anderen Ländern suchen erfolgreiche Rapper ihr Glück in der Popmusik. Hobbyphilosophen nennen das den «Lauf der Dinge». Durch den Tod der alten Helden entsteht ein Vakuum, ein neuer Spielraum für die nächste Generation. Diese neue Generation wollte in der Schweiz jedoch partout nicht ins Game steppen. Bernd Blankenburg ärgerte sich: «Nach Bligg und Stress kam für eine lange Zeit niemand mehr, der mit solchem Hunger Musik gemacht hat – den es sich bei Universal zu signen gelohnt hätte. Das war frustrierend.»Auch die alten Gallionsfiguren der Szene verloren den Schneid der Erfolgsjahre. So etwa Baldy und die Chlyklass: «Wir waren gesättigt von den ersten Erfolgen. Es erschienen weiterhin Tonträger, aber darunter befanden sich keine Meilensteine.» Wurzel 5 drehte eine «Letschti Rundi» und löste sich danach auf, andere Chlyklass-Rapper wie Greis und Baze traten kürzer. Viele Studentenrapper fanden sich im Berufsleben wieder, kümmerten sich um Haus, Hund und Kind. Da es bis heute ein ungemein schwieriges Unterfangen ist, als Schweizer Rapper von der Musik zu leben, entschieden die meisten sich für stabile Jobs.So verlor Schweizer Rap den Bezug zur Jugend: Die Kids in den Schweizer Grossstädten konnten sich nicht mit Bauern- und Studentenrap identifizieren. Es fehlten Identifikationsfiguren und Sprachrohre. Auch mit den unterschiedlichen Dialekten, mit der Mundart, hatten viele Rap-Fans Mühe. Schweizer Rap galt als peinlich, Songs aus Deutschland und den USA hatten einen höheren Stellenwert. Bands und Künstler wie die Crew Eldorado FM, die die Berner Jugend mit witzigem und intelligentem Sound für Rap begeisterte und politisierte, gab es nur wenige. Bernd Blankenburg sieht den Kern des Problems in der Mutlosigkeit der Künstler: «Ich sah damals ein Mentalitätsproblem: niemand hatte den Mut, gross zu denken. Sie wollten ihre CDs in den Laden bringen, in ihrer Stadt bekannt werden, hatten aber keine grösseren Visionen.»

Eine Ausnahme war der Berner Rapper Tommy Vercetti, der auf seinem Debütalbum «Seiltänzer» auf die grossen philosophischen Fragen einging und seinen Hörern die Welt erklärte. Für viele gilt Tommys Debütalbum in Bezug auf Lyrik und Inhalt als das beste Schweizer Rap-Release aller Zeiten. Ihm wie auch den Rappern der Chlyklass fehlte jedoch der Wille, für den kommerziellen Erfolg Kompromisse einzugehen: «Wir hatten grosse Visionen, wollten aber anders als die Major-Künstler immer unsere Authentizität bewahren und keinen Sellout betreiben», hält Baldy Minder mit Nachdruck fest.

Erste Erfolge feierte indessen der Gangster-Rap nach 2010. Rapper aus den Vorstädten, Jungs mit Migrationshintergrund wie Milli54 oder BabaUslender, bekamen via YouTube viel Aufmerksamkeit. Die Formate «Din 16er TV» und «Heb de Latz TV» waren von Aggro TV inspiriert und boten ihnen Plattformen. Diese ersten Erfolge demonstrierten gleichzeitig aber auch, wie sehr die Schweizer Szene dem Ausland hinterherhinkte: Hatten NWA Gangsterrap bereits Ende der 80er in den Staaten gross gemacht und Aggro Berlin in Deutschland bereits Mitte der 2000er beachtliche Erfolge gefeiert, wurden Pioniere des Genres in der Schweiz lange missverstanden und belächelt – etwa der Basler Rapper Griot, dessen 2006 erschienenes Album «Strossegold» (Universal) heute als moderner Klassiker gilt.

Dieselben Probleme hatten Rapper, die Experimente wagten. Viele Künstler befanden sich gegen Ende der Dekade in einer Selbstfindungsphase. Der Chlyklass-Rapper Greis flowte über Dubstep-Beats, die Boys on Pills bauten verschachtelte Rap-Elektro-Songs, das Berner Duo Lo & Leduc arbeitete Reggaeton und karibischen Sound in seine Rap-Instrumentals ein und der Solothurner Rapper Manillio brachte mit «Jede Tag Superstar» ein Newschool-Album avant la lettre heraus. Sie legten damit den Grundstein für spätere Erfolge, kamen mit ihren Innovationen aber leider zu früh. Das, wofür man sie damals belächelte, ist heute im Hype.Der Zerfall der Schweizer Rap-Szene war kein beispielloser Prozess. Auch in Deutschland und den USA gab es Anzeichen einer drohenden Stagnation. Rap befand sich international in einer Phase der Orientierungslosigkeit, doch in den Soundküchen im Dirty South brodelte bereits die zukunftsträchtige Hit-Mixtur.

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