wenn es um Trendsetting-Förderung unbekannter Künstler geht, hat Drake höchsten Respekt verdient. Die UK-Grime-Szene und Dancehall-Beats blühen auf und das ist Drake mindestens mitzuverdanken.
Das Problem dabei: Drake profiliert sich persönlich über Sounds, die nicht von ihm sind. Der Kanadier setzt Trends, indem er sich Underground-Phänomenen oder der breiten Masse nicht bekannten Genres bedient und Pop-Hits daraus macht. Drake hat ein verdammt gutes Gespür für potentielle Hits, aber die persönliche Innovation bleibt dabei völlig auf der Strecke liegen.
Juli 2015: Future veröffentlicht mit «DS2» eines der wichtigsten Trap-Alben überhaupt. Vier Monate später bringt Drake mit Future ein Kollabo-Album heraus, das musikalisch eindeutig mehr nach Future klingt.
2017 veröffentlicht Drake «More Life», ein Grime-Verschnitt mit diversen Stars der UK-Szene, Giggs, Skepta und sogar Jorja Smith. Einige Monate zuvor begann die Grime-Szene (dank Skeptas «Shutdown» beispielsweise) internationale Aufmerksamkeit zu bekommen. Auf dem Remix von Migos’ «Versace» rappt Drake «Born in Toronto, but sometimes I feel like Atlanta adopted us», in astreinem Southern Flow, als Atlanta begann, zur Newschool-Hochburg zu werden. Und «One Dance» hat Wizkid als Feature, ein Künstler mit Legendenstatus, dessen Lebenswerk den Grundstein von Tracks wie «One Dance» darstellt.
Champagne Papi kreiert keine Trend-Musik. Er setzt die Trends. Er adaptiert den Sound aus Untergrundströmungen, während der Rest immer noch versucht, auf längst abgefahrene Hype Trains aufzuspringen. Drake schleift kantige Soundentwürfe makellos für den Mainstream. Und verliert dabei keineswegs an Substanz. Denn nebst allen Trendsetting Moves geht's ihm immer noch um seine Kunst. Und seine Kunst ist abwechslungsreich – ein Drake-Album beginnt nicht bei «One Dance» und hört bei «God's Plan auf» – es verstecken sich musikalisch experimentelle Meisterwerke darin, auf denen sich Aubrey Graham mit sich, seiner inneren Gefühlswelt beschäftigt und legt diese lyrisch leicht, nahbar und authentisch dar – begleitet von perfektionierten Soundmustern (s/o Noah «40» Shebib») mit Raum für Atmosphäre. Wer Drake nur als Meme schätzt, hat sein musikalisches Schaffen nie auf Albumlänge beurteilen und seine Musik nie verstehen wollen. Denn ein Album von Drake ist eine Reise durch aktuellste und perfektionierte Soundbilder.
Mit dem Gedanken, Neues in der breiten Masse zu etablieren, rechtfertigt sich fast alles. Um sich allerdings Drakes immensen Einfluss darauf, welche Musik gehört – aber auch wie sie gehört wird – klar zu werden, blicken wir zurück in die letzte Dekade.
«Firework» ist der Startschuss in eine Ära voller Pop-Rap-Symbiosen. Bereits als junger Newcomer zeigt sich, wie berechnend er an seine Musik herantritt. 2009 kombiniert der Toronto Native Schnulzen-Sound mit Rap, wie es bereits andere vor ihm getan haben.
Ab 2011 ist dann sad boys season. Entschleunigt, melancholisch und noch mehr R’n’B denn Rap. So definiert sich das Soundbild auf Take Care. Die Blaupause ist vorgefertigt. The Weeknd – ebenfalls auf dem Album vertreten – , Khalid oder 6lack spitzen ein paar Jahre später die Bleistifte. Drake macht das Traurigsein salonfähig und das hat bis heute seinen Impact.
2015 vereinte Drake auf «If you're reading this it's too late» – noch bevor er mit Future zusammenspannte – die Charakteristika der Trap-Kultur in einer Person und verleihte ihr den Mainstream-Anstrich. Dass mittlerweile auch die Migos ihr Airplay im Radio erhalten, Travis Scott in der Superbowl-Halbzeit spielt, wurde nicht zuletzt dank Drake möglich. Der Mainstream tanzt den Ellenbogen-Tanz. «6 God» sei Dank.
Drakes kultureller Einfluss bricht aber nicht ab. Nur ein Jahr später lässt er sich von der Karibik inspirieren. «One Dance» und «Too Good» tragen Dancehall in die Köpfe der Menschen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2019 und Dance Rhythms sind aus der «Shisha Flow»-Playlist nicht mehr wegzudenken. Okay, dass dieser Trend einmal so nervtötend werden würde, konnte Drizzy 2016 wohl noch nicht ahnen.
Drake hat verstanden, was die Jugend will: Nämlich verstanden zu werden. Auf «The Message» bricht er den Zeitgeist auf vier Buchstaben herunter. Y.O.L.O. wird zur gängigen Phrase der Millenials. Mit seinem Einfluss erschafft er auf «Hotline Bling» Dance Moves für die Clubs und die Generation Internet erhält mit «In my Feelings», «Nonstop» oder «God’s Plan» Vorlagen für Memes, Challenges und Instagram Captions.
Alles was Drake anfässt, erstarrt noch vor Release zu Gold. Denn dass Drake die Edelmetall-Auszeichnungen im Wochentakt sammelt, ist schon gesetzt. Wer mit Drake arbeitet, erhält einen Karriere-Boost, wie es sonst nie möglich gewesen wäre (vorausgesetzt, man hält Drizzy die Treue). Blocboy JB wurde vom No Name zum hottesten Newcomer real quick, ILoveMakonnen fristet seit der Trennung von OVO sein Dasein in der Irrelevanz. The Weeknd ist seit seinem Drake-Feature auf «Take Care» am wachsen und ein Zenit ist noch nicht in Sicht. Seit «More Life» kennt man Jorja Smith. Auch die Anzahl an Radio-Hits sprechen eine eigene Sprache.
If you are reading this, it isn’t too late to appreciate Drizzy für seinen Einfluss und seine unermessliche Prägung unserer zeitgenössischen Urban-Kultur.
<iframe src="https://open.spotify.com/embed/track/2xLMifQCjDGFmkHkpNLD9h" width="100%" height="80" frameborder="0" allowtransparency="true" allow="encrypted-media"></iframe>
<iframe src="https://open.spotify.com/embed/track/6n4U3TlzUGhdSFbUUhTvLP" width="100%" height="80" frameborder="0" allowtransparency="true" allow="encrypted-media"></iframe>
<iframe src="https://open.spotify.com/embed/track/72TFWvU3wUYdUuxejTTIzt" width="100%" height="80" frameborder="0" allowtransparency="true" allow="encrypted-media"></iframe>
Drake ist und bleibt letztendlich ein solider Allrounder auf musikalischer Ebene. Er schreibt Songs, die man nur schwierig nicht mögen kann, weil sie völlig neutral und irgendwie harmlos sind. Sowohl Drake selbst, als auch seine Songs ecken nirgends an. Das macht ihn zu einem guten Popmusiker. Blickt man jedoch hinter die zahlreichen Nummer-Eins-Hits wird erkennbar, dass es letztendlich eben an Innovation fehlt im Songwriter-Kontext.
«Drakes Musik ist in keinem Aspekt die Speerspitze des HipHops.»
Ghostwriting-Vorwürfe und Flowbiting vorweggelassen, Drakes Musik ist in keinem Aspekt die Speerspitze des HipHops. Auf der Ebene der gesellschaftlichen Relevanz und des Inhalts kann er Kendrick Lamar nicht das Wasser reichen und auf musikalischer Ebene und in Innovation wird ihm Kanye West immer die Show stehlen. Drake hat kein «My Beautiful Dark Twisted Fantasy», kein «To Pimp A Butterfly» und auch kein «DS2» auf seinem Konto, sondern eine Entourage von jungen Leuten, die von seinem Gespür für die Industrie profitieren konnten und Exposure bekommen haben. Es macht mehr Sinn, Drake als einen modernen Dr. Dre zu sehen, als einen Nas.
Zumindest in einem Punkt werden sich Drake-Kritiker und -Fans einig: Drake ist einer der vielfältigsten Künstler, mit einem ausserordentlichen Gespür für Trends und Zeitgeist. Seine Produktionen sind bis ins kleinste Detail perfekt produziert. Ob das allerdings reicht, um der beste Künstler der 10er-Jahre zu werden? Was meinst du?
<script>(function(d,s,id){var js,fjs=d.getElementsByTagName(s)[0];if(d.getElementById(id))return;js=d.createElement(s);js.id=id;js.src='https://embed.playbuzz.com/sdk.js';fjs.parentNode.insertBefore(js,fjs);}(document,'script','playbuzz-sdk'));</script><div class="playbuzz" data-id="425cb3b7-8133-46ba-adee-73aed8631876" data-show-share="false" data-show-info="false"></div>