In der Schweiz gibt es, anders als beispielsweise in Deutschland, keine Prüfstelle für gefährdende Medien. Während Bushido, Sido oder Shindy schon mehrmals die Konsequenzen einer Indizierung zu spüren bekommen haben, scheint es, als könne man hierzulande alles unter dem Mantel der Kunstfreiheit verkaufen. Aber stimmt das überhaupt? Naja, fast. Vor allem wenn es um die Persönlichkeitsrechte von Politikern geht, reagieren auch in der Schweiz die zuständigen Stellen sensibel. Wir haben aufgelistet, welche CH-Rapper bereits für Textzeilen unliebsame Anwaltsbriefe in Empfang nehmen mussten – und welche trotz gehässiger Botschaft gegen Politiker unverurteilt geblieben sind.
Der wohl bekannteste und medial prominenteste Gerichtsfall in der Schweiz ist «Tilt und 200BPM gegen Rickli». In ihrem Song «Natalie Rikkli» von 2014 sind die Chaostruppe-Rapper der Meinung, dass die SVP-Nationalrätin Rickli eine Schlampe sei und sie sicherlich ganz in Ordnung sei, wenn sie nur wieder einmal «richtig gfiggt» werden würde. Das fand die angesprochene Politikerin allerdings nicht ganz so in Ordnung und zeigte die beiden Rapper an. Die Staatsanwaltschaft prüft die Angelegenheit auf die Tatbestände der Verleumdung und sexuellen Belästigung.Die Richterin beurteilte hingegen den Fall nicht allzu drastisch und verurteilte die Täter nur wegen Beschimpfung. Der Entschluss wurde zwei mal von der Staatsanwaltschaft weitergezogen. Aktuell ist der Fall beim Bundesgericht hängig.Die Frage danach, wo die Kunstfreiheit endet, haben wir im Rahmen unserer Berichterstattung zu der Affäre «Rikkli» in unserer Kolumne versucht zu erörtern.
Auch der Usländer Productions-Member Ensy musste sich schon mit Post von Anwälten herumschlagen. Für seine Zeilen «Fahr bewaffnet uff St. Galle und dr Reimann isch in Atemnot», «Ich bi schadefroh, wenn dich öpper abeschloht» oder von seinem Song «Scheiss uf euch» musste sich Ensy vor Gericht rechtfertigen. Die Anklagepunkte: öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit. Urteil: Schuldig.Zwei Jahre nach dem Spruch revidierte das Gericht allerdings den Entscheid im Sinne für Ensy – und für die Kunstfreiheit. Weil er vor Gericht glaubhaft darlegen konnte, dass extreme Äusserungen im Rap Platz haben und es sich bei den Zeilen lediglich um Kritik an den Politikern handle, wurde er letztes Jahr freigesprochen.
Dieser Fall ist bereits zehn Jahre her, aber auch das Bündner Original Gimma ist nicht immer zimperlich mit der SVP umgegangen. An seinem Song «Hol dr an Politiker» hat sich der damalige SVP-Grossrat Thomas Fuchs gestört. Bei dieser emotionalen Verstimmung ist es allerdings nicht geblieben. In einer Medienmitteilung von Gimmas (ex-)Label hiess es 2007: «GIMMA wurde von Thomas Fuchs in einem Mail aufgefordert, sich zu entschuldigen und gemeinsame Sache zu machen, um auf diesem Wege seiner Anzeige zu entgehen. Diesen erpresserischen Vorschlag hat GIMMA strikt abgelehnt! […] gegenüber den Medien hat der Ehrenpräsident der Jungen SVP mit einer Anzeige gegen GIMMA gedroht. In einem Mail an GIMMA schreibt Thomas Fuchs: „Die Anzeige liegt immer noch bei meinem Anwalt, da er nicht sicher ist, ob die Staatsanwaltschaft in Chur der richtige Ansprechpartner ist. Es handelt sich im übrigen nicht um eine Anzeige, sondern um eine Anfrage, ob ein Offizialdelikt vorliegt». Ob sich die beiden tatsächlich aussergerichtlich einigen konnten oder ob es tatsächlich Verhandlungen gegeben hat, wurde nicht publik gemacht. Der Fall ist in den Medien versandet.
Lange bevor Stress, Bligg oder Greis überhaupt von Radio-Airplay geträumt hätten, zierten sie sich nicht, auch mit Beleidigungen Stellung zu beziehen. «Fuck Blocher» ist eines dieser Beispiele. Ausser einer geforderten Entschuldigung seitens der SVP passierte nicht viel. Zu der Promo durch die Medienberichterstattung sagten die damaligen Jungrapper sicherlich nicht «Nein».