Nach «3x Nix» als Debüt sind die Erwartungen an einen bis dahin unbekannten Newcomer natürlich gross. Und DaHated legt 2020 nach – mit düsteren, harten Instrumentals, was eine ziemlich gute Entscheidung zu sein scheint. Die EP, die auf die Singles folgt, stösst auf sehr positive Resonanz. DaHated knüpft auf «BLOCA» nicht nur erfolgreich an sein musikalisches Debüt auf «3x Nix» an, sondern schafft es auch, sich mit einem neuen Soundbild zu positionieren. Generell ist «BLOCA» gerade als erstes, längeres Projekt bemerkenswert. DaHated zeigt beeindruckende Versatilität über verschiedenste Beats, wobei aber UK Drill und auch das Soundbild der deutschen Drilladaption in Form von Luciano eindeutige Einflüsse sind. Aber «BLOCA» kann völlig für sich alleine stehen. Kein Wunder haben Viele DaHated schon einige Monate auf dem Radar.
DaHateds Aufstieg vom Noname zum heissgehandelten Newcomer ist allerdings nicht ausschliesslich dem jungen Berner zuzuschreiben und geht Hand in Hand mit einem grösseren Phänomen. Drill – besonders UK Drill – ist in den letzten Jahren zum Untergrundphänomen schlechthin avanciert und sehr schnell aus seiner Rolle als Ereignis neben dem Mainstream verschwunden. Drill ist auf eine neue Stufe gestiegen und an verschiedenen Orten neu interpretiert worden. Was Chief Keef und Konsorten vor zehn Jahren in Chicago vorgelegt haben, war viel zu lange im grösseren Kontext unbeachtet.
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Diese neue Drill-Welle, der auch DaHated angehört, nimmt die Ästhetik des Subgenres der UK und schafft es viel besser, sich vom realitätsnahen, «realen» Fundament von Drill als Spiegel der härtesten Viertel Chicagos oder heute London abzugrenzen. Chief Keef ist dies beispielsweise trotz Classics wie «3hunna» oder «I Don’t Like» nie vollständig gelungen. Drill ist wieder ein HipHop-Subgenre, das den Sprung in den Mainstream geschafft hat und heute junge Künstler supporten kann, die sonst noch immer in ihren Vierteln feststecken würden. Und auch wenn die Umstände der heutigen jungen Drill-Artists längst wohl nicht so prekär sind wie die der Drill-Artists der frühen 2010er, stellt diese neue Garde diesen Anspruch erst gar nicht.
Gerade DaHated muss man hier ebenfalls Props geben. Ob Drill in der Schweiz überhaupt ernstzunehmen ist, ist eine sehr valide Frage. Vielen neuen internationalen Drill-Artists wird vorgeworfen, Armut und Struggle ohne persönlichen Bezug zu romantisieren. Aber DaHated macht dies nicht und distanziert sich auch klar von einer Definition als Drill-Rapper. Letztendlich rappt er genau wie viele andere über das, was ihn tagtäglich beschäftigt, ohne eine Kultur einzunehmen, zu welcher er keinen direkten Bezug hat. Vielmehr scheint es ein respektvolles Annehmen einer Subkultur zu sein, mit welcher sich DaHated seit längerer Zeit beschäftigt. Im Vordergrund steht das musikalische Potential von Drill – im Hintergrund ein grosser Respekt vor den Vorgängern, die DaHateds Fundament aufgebaut haben. Aber wie bereits thematisiert – DaHateds Anfänge liegen mit «3x Nix» an einem völlig anderen Ort. Wie geht man vom Pronto-Schützling zu Drill? Wie kommt es überhaupt zu einem Pronto-Feature als musikalischem Debüt?
DaHated: Pronto kenne ich aus der Zeit seiner ersten Singles, die mir ein Homie gezeigt hat. Ich war damals an die 15 Jahre alt und wurde damals zum ersten Mal mit richtig gutem Newschool aus der Schweiz vertraut gemacht. Als «Clean» rauskam und noch circa 8000 Clicks hatte, habe ich Pronto angeschrieben und ihm Props gegeben. Dadurch sind wir in Kontakt gekommen, woraus sich auch eine sehr gute bis heute andauernde Freundschaft ergeben hat. Pronto ist heute wie ein grosser Bruder für mich, auf den ich auch in schwierigen Zeiten zählen kann. Er ist sicherlich auch ein wichtiger Einfluss gewesen, sodass ich selbst angefangen habe, zu rappen. Das war 2018 mit 17 Jahren. Und Pronto war es auch, dem ich immer Demos schicken und von dem ich Feedback bekommen konnte. Das war sehr wertvoll. Und dann, nach «Europe», hat er mich ins Studio eingeladen. Es sind einige Skizzen entstanden und «3x Nix» war dann der Track, den wir rausbringen wollten. Das war damals ein enorm wichtiger Push und ist es auch heute noch.
Musikalisch war das aber doch noch eine ziemlich andere Schiene, als die, die du jetzt fährst, oder?
Ja, ganz klar. Aber ich will mich eigentlich auch nicht mit einem bestimmten Soundbild assoziieren. Ich hoffe, das hört man auch auf der EP. Gleichzeitig sind die harten Beats, wie die UK Drill-Beats, der Typ Instrumental, auf dem ich am liebsten rappe, «Bellys on Bellys» type Beats sozusagen. Ich experimentiere aber generell gerne und versuche Dinge, die ich noch nie gemacht habe. Bei Pronto beispielsweise war die Autotune-Schiene auf «3x Nix» Neuland für mich, aber ich kann mich gut mitreissen lassen.
Begegnest du Widerstand aus einer vielleicht etwas konservativeren Ecke der Schweiz? Gerade Drill gerät ja beispielsweise in den USA oder auch der UK immer wieder unter Beschuss aufgrund der teilweise sehr expliziten Inhalte?
Nein, bis jetzt noch nicht. Also Hate gibt es schon ab und zu, aber generell eher von Leuten, die nicht verstehen wollen, dass man als junger Mensch vielleicht nicht immer die stereotypische Karriere machen will. Und das mit den Texten – ich biete auch nicht so viel Angriffsfläche. Meine Texte sind meiner Meinung nach nicht allzu heikel und ich stelle auch nie den Anspruch, dass alles wortwörtlich genommen werden soll, das ist schliesslich noch immer alles Kunst.
«Pronto ist heute wie ein grosser Bruder für mich, auf den ich auch in schwierigen Zeiten zählen kann.»
Gerade Drill hat sich aber im letzten Jahrzehnt immer wieder darüber definiert sehr nahe am tatsächlichen Leben der jeweiligen Artists zu spielen, ist sehr eng mit Struggle und nicht selten auch mit Gang Violence verbunden und wird oft als sehr real und organisch portraitiert. Wäre es nicht ein wenig komisch, wenn die Schweiz als eines der reichsten und sichersten Länder der Welt eine grosse Drillszene hätte?
Ja, ich denke schon. Es gibt schon jetzt Leute, die sich darüber aufregen. Und das verstehe ich. Das ist auch der Grund, warum ich nicht unbedingt als Drill-Rapper bekannt werden will, mir gefallen einfach die Beats und sie liegen mir auch. Was ich für meinen Teil machen kann, ist meine Lyrics so zu gestalten, dass sie meine Erfahrungen und mein Leben widerspiegeln. Und das versuche ich, so gut es geht. Aber ich bin natürlich auch extrem im Drill-Hype.
Ist die Schweiz überhaupt ready für Drill? Schliesslich ist das Interesse für Drill hierzulande in den letzten Jahren praktisch inexistent gewesen.
Das war sicher lange so, aber ich glaube jetzt ist die Zeit gekommen. Das sehen wir auch auf der ganzen Welt. Drill hat den Sprung in den Mainstream geschafft – heute wird in Amerika, in der UK, in Deutschland, Holland, der Schweiz und noch an vielen weiteren Orten gedrillt. Und ich bin ziemlich sicher, dass der Hype auch in der Schweiz Anklang gefunden hat.
Wie zufrieden bist du bislang mit diesem Jahr? EP, Single und sicherlich einige Songs sind im Lockdown entstanden.
Ja, sehr. Aber ich bin momentan auch extrem ehrgeizig, gerade aufgrund der guten Feedbacks zur EP und deswegen bin ich oft im Studio. Und auch jetzt während dem Lockdown habe ich ziemlich viel Material produziert. Ich sitze an einem Album, das vermutlich zu Beginn des nächsten Jahres droppen dürfte und bis dahin werden einige Singles erscheinen.
«Ich will nicht unbedingt als Drill-Rapper bekannt werden...»
Wie war dein Quarantäne-Grind so?
Ziemlich gut, es sind sicher 50 Songs entstanden. Und das Album dürfte nur 10-12 haben, was mit dem Rest passiert, weiss ich noch nicht…
Zum Schluss – «Fimbu straight up für dis Face»: Was ist ein Fimbu genau?
(lacht) Im Kongo versteht man darunter Schläge mit dem Gürtel.