So sprechen die Kids: Der Langenscheidt-Verlag kürt das Jugendwort des Jahres. Dieses Jahr dürfen sogar die Heranwachsenden selbst voten – und nicht mehr eine Jury aus Erwachsenen Sprach-Experten. Dass diese Umstellung bitter nötig geworden ist, zeigen die Gewinnerlisten der vergangenen Jahre: Wortschöpfungen wie «tinderjährig», «Smombie» oder «rumoxidieren» klangen eher nach der Vorstellung von Jugendsprache im Kopf eines 40-jährigen Lehrers als tatsächlich gesprochenem Slang.
Die Idole der Kids sind (neben YouTubern und Influencern) Rapperinnen und Rapper. Dass Begriffe rund um die Lieblingskultur der Heranwachsenden zunehmend an Einfluss gewinnen, scheint die logische Konsequenz zu sein. Das Voting um das Jugendwort des Jahres wird deshalb von Begriffen rund um den Deutschrap-Zirkus geprägt. Für alle ü20er: Das steckt hinter den kryptischen Ausdrücken der Jugend.
Xatar ist längst zu einer Ikone im Deutschrap mutiert. Weniger durch die Musik, mehr durch seine mythenbeladene Hintergrundstory, sein extravagantes Auftreten und sein rhetorisches Talent. Letzteres sorgt dafür, dass sich der «Baba aller Babas» schon früher in den Jugend-Jargon einschleichen konnte. «Iz da», «ich trage Mantel» oder schlicht und ergreifend «Baba» sind nur einige Beispiele.
Dieses Jahr schickt Xatar gleich zwei Begriffe ins Rennen. Ersterer wäre «wild». Aus Xatars Insta-Story direkt in die Köpfe der Kids: «Wild» bedeutet quasi «heftig» und wurde zusammen mit Xatars ikonischem «HRRRRRRRR» in Windeseile zum Meme.
«Wild» stilisierte der YouTuber Inscope 21 zu «wyld» und verbreitete Xatars Ausdruck noch weiter auf den sozialen Medien.
«Ein Köftespiess erstmal - mit gar kein’ reden auch.»
Die Historie seines zweiten Begriffs liegt etwas länger in der Vergangenheit: Während der aufstrebende Rapper für den Überfall auf einen Goldtransporter eine Haftstrafe abbüssen musste, besuchte ihn das ZDF-Kamerateam für ein Interview.
Wo Xatar das Gold versteckt hat, kann die Reporterin zwar nicht in Erfahrung bringen, aber immerhin weiss nun die ganze Welt, was Xatar im Knast am meisten vermisst hat. Sieben Jahre nach Erstausstrahlung wurde das Thema von den führenden Influencern und Meinungsmachern der Generation YouTube wieder aufgewärmt. Bestes Beispiel: Dada-Poet Lil Lightzkin.
Der Klassiker unter den Jugendwörtern: In den Neunziger haben HipHop-Pioniere (vor allem in Hamburg) die Anrede geprägt.
«Das ganze Gelaber und der Quatsch, Rabauke was geht'n Digger?»
Dass die Kids noch heute reden wie Eins Zwo, Denyo, Eizi Eiz oder Ferris MC anno Tobak, sollte jeden Oldhead zumindest etwas beruhigen (auch wenn heute wohl eher Mero, Loredana oder Eno für den neu aufgeflammten Hype um das Wort verantwortlich sind).
Die Beastie Boys sprachen schon 1992 vom Fronten. Damals war ein «Front» noch etwas, was man heute eher als «cap» betiteln würde. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Bedeutung vom Wort «Front» im HipHop-Jargon eher hin zu einer Anfeindung.
Die Rap-Community hat diesem Begriff leider nicht allein die heutige Strahlkraft verliehen. Den Durchbruch zu den Jüngsten unter uns, müsste man eher dem Reaction-YouTuber, selbsternannten Mode-Zar und Ex-Minecraft-Nerd (no front) Justin zugute halten.
«Interessant, du hast Shindy gemacht? Mashallah, mach noch mal!»
Bereits in den vergangenen Jahren fanden sich immer mehr arabische und türkische Begriffe in den Listen um das Jugendwort des Jahres: «Babo», «Yalla», «Hayvan», und, und, und. Dieses Jahr ist es «Mashallah». Rap dürfte für die Akzeptanz für ausländische Einflüsse nicht unverantwortlich sein. Haftbefehl wird für seinen Fremdsprachen-Mix vom Feuilleton als «Ghetto-Goethe» bezeichnet, für MigrantInnen ist er eine Identifikationsfigur. Summer Cem und Gringo manifestieren ihre Multikulturalität in millionenfach angeklickten Hit-Hooks. Rap-Superstar Samra lässt in seinen Texten in selbstverständlicher Manier seine libanesischen Wurzeln durchscheinen. Sogar Berliner Lokalpatriot Sido bedient sich zusammen mit DJ Antoine dem arabischen Vokabular.
Diesem Trend entsprechend ist dieses Jahr «Mashallah» ein heisser Anwärter aufs Jugendwort des Jahres. «Mashallah» ist ein Begriff aus dem Koran und bedeutet übersetzt «Wie Gott will». Spätestens seit Shindys «Dodi» mit dem viel rezitierten Bushido-Seitenhieb «Interessant, du hast Shindy gemacht? Mashallah, mach noch mal!» ist der Begriff in die Netzkultur übergeschwappt.
Ein 21 Sekunden langer Meme-Clip aus dem Trash-TV tat sein übrigens, um den Begriff auch beim letzten 13-jährigen im Vokabular festzusetzen.
Weiter stehen zur Wahl:
«Schabernack»: geprägt vom deutschen Jungpolitiker Amthor
«Mittwoch»: Unkonventionelles Meme aus den Untiefen von Reddit
«Cringe» steht für Fremdscham. Was man sich darunter vorstellen darf, visualisiert dieser Clip bestens. (Achtung: Es tut weh)
«Lost» bedeutet ahnungslos, unsicher oder unentschlossen. Beispiel: Fler ist rich, aber immer noch lost.
Ein «Sauftrag» ist ein geplantes Besäufnis.
Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass der Begriff «Hurensohn» - trotz zahlreicher Einsendungen – nicht zum Voting freigegeben wurde. Das Langenscheidt-Statement zum «Hurensohn»-Gate: Diskriminierung und Beleidigung werde keine Plattform geboten.
Dieser Begriff wäre HipHop durch und durch – oder in welchem anderen Genre wird mit diesem Begriff jongliert wie im Deutschrap?
Das Voting läuft übrigens noch sechs Tage. Deine Stimme kannst du hier abgeben.