Im Auftrag des weltberühmten Musikmagazins haben im Jahr 2003 273 Musikexperten, Musiker*innen, Kritiker*innen und Plattenfirmen über die besten Alben aller Zeiten abgestimmt. Das schlussendliche Ranking toppten die Beatles mit «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band». Schnell wurde allerdings Kritik laut. Kritisiert wurde unter anderem die Rockbevorzugung - die Beatles beispielsweise konnten vier Alben in der Top10 platzieren. Rap suchte man auf dieser Liste fast vergebens. Als bestplatzierter Rap-Act konnten sich Public Enemy mit «It takes a Nation of Millions to Hold Us Back» den 48. Platz sichern. Trotzdem wurde die Liste zu einem wichtigen Massstab für Einfluss und Qualität von Musikalben.
2012 veranstaltete das Musikmagazin eine zweite Umfrage mit zusätzlichen 100 Meinungen von Experten und Expertinnen. Der Einfluss auf das Update war aber gering. An der ursprünglichen Top10 änderte sich gar nichts, aus dem neuangebrochenen Jahrzehnt schafften es nur gerade zwei Alben auf die Liste (Kanye West mit «My Beautiful Dark Twisted Fantasy» auf Platz 353 und die Beach Boys mit «The Smile Sessions» auf der 381) und Public Enemy blieben mit dem bestplatzierten Rap-Album auf der 48 sitzen.
8 Jahre und eine Jahrzehntverabschiedung später war es höchste Zeit, die Liste erneut anzupassen. Dafür wurden erneut 300 Journalist*innen und Musiker*innen befragt. - unter anderem Raekwon, Beyoncé und Billie Eilish. Was auffällt: Es gibt mit Marvin Gayes «What’s Going On» einen neuen Spitzenreiter und - für uns noch viel wichtiger - endlich eine angemessene Vertretung von Rap und HipHop. 10 Rap-Alben schafften es unter die ersten Fünfzig und eines platziert sich sogar in der Top10. Aber schau selbst: Gemäss Rolling Stones sind das die 10 besten Rap-Alben aller Zeiten.
Ironisch: Jay-Z erwischte mit «The Blueprint» wahrscheinlich den schlechtesten Release-Tag aller Zeiten: den 11.9.2001. Das Album selbst ist das wohl beste, das Jay-Z je releast hatte. The Blueprint ist gespickt mit unfassbaren Beats von Just Blaze, Eminem (!), Timbaland und einem jungen, hungrigen und noch eher unbekannten Kanye West. Dazu läuft Hova in Höchstform auf und disst Grössen wie Nas und Prodigy. Trotzdem kann sich Jay-Z in diesem Jahr keinen Grammy sichern: Outkast holt ihn 2002 mit «Stankonia» nach Hause.
Auch in der Rolling Stone-Liste sneaken sich die Atlanta-OGs vor Jay-Z. Das 1998 erschienene «Aquemini», eine Wortschöpfung aus den Sternzeichen von Big Boi (Aquarius) und André 3000 (Gemini), zeichnete sich vor allem durch seine Musikalität, Extrovertiertheit und Experimentierfreude aus. Dank der über die Jahre verdienten grösseren Ressourcen konnten sie so sogar mit Live-Musikern zusammenarbeiten. Bis heute wurde das Album mit zwei Platin-Auszeichnungen gewürdigt.
Wer an die New Yorker Legende denkt, denkt automatisch an «Illmatic». Gerade mal 20-jährig erschafft Nas ein Album, an dem jedes seiner darauffolgenden gemessen werden soll. Illmatic ist eine nüchterne Erzählung für und von der Strasse. Die Themen wie Drogen, Gewalt und der Drang auszubrechen sind klassisch, aber dennoch mitreissend präsentiert.
Das Solo-Debut des ehemaligen N.W.A.-Mitglieds war die «Rache» an seinen ehemaligen Crew-Kollegen - vor allem an Eazy E. «The Cronic» kann als Geburtsstunde seines legendären Musikstils, dem G-Funk, angesehen werden. Das Album landete in den Top10 und holte mit «Let me Ride» einen Grammy und begründete den Anfang der Zusammenarbeit mit einem jungen Snoop Dogg.
Das Debut-Album der legendären New Yorker Crew überzeugte mit seinem mystischen, roughen und äusserst aggressiven Sound. Einzigartig: Neben Soul-Stücken wurden Martial-Arts-Filme gesamplet. Der Einfluss sollte nicht unterschätzt werden, ebnete der Clan doch den Weg für späteren den Rise der EastCoast mit.
Biggie ist nicht ohne Grund immer wieder Teil der Diskussion: «Wer ist der beste Rapper aller Zeiten?». Sein Flow bleibt unerreicht, seine Stimmfarbe ist einzigartig. Auf «Ready to Die» vereinte Biggie zudem die Strassen New Yorks mit der Oberflächlichkeit der Show-Welt und des Rapperdaseins. Unvergessen sind All-Time-Classics wie «Juicy» und «Big Poppa» - trotzdem kamen auch Tracks für die «wahren» Rap-Fans nicht zu kurz.
Der Feuilletonliebling der 2010er-Jahre: Auf den Hood-Storyteller «Good Kid, M.A.A.D City» folgte die Abhandlung über die afroamerikanische Identität, worauf sich die ganze Medienwelt einigen konnte. Aus dem Westküsten-Sound des Vorgängers wurde ein komplexes, sperriges und düsteres Soundbild voller Funk-, Soul- und Free Jazz-Einflüsse, das die volle Aufmerksamkeit des Hörers erforderte und ihm einiges abverlangte.
Als sich das Bild von Kanye in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr in Richtung Karikatur verschob, zauberte er das imposanteste Album seiner Karriere aus dem Hut. Kanye setzte auf komplexe Arrangements, baute jedes Instrument, das ihm in die Finger kam an der dafür passendsten Stelle ein und sorgte für einen Massenauflauf, sodass sich praktisch alles, was Rang und Name hatte, auf seinem Album versammelte.
Public Enemy lancierten eine neue Ära. Rap war nun hart, dreckig, politisch und beleuchtete die unangenehme Realität Ende der 80er. Der MC Chuck D und sein Hype Man Flavor Flav nahmen kein Blatt vor den Mund, sprachen Probleme an. Der Songtitel «Louder Than A Bomb» beschreibt das Hörerlebnis ganz gut.
Das einzige Album in der Top10: «The Miseducation of Lauryn Hill» holte sich satte 8x Platin. Aber viel wichtiger: Das Album war wegweisend. «The Miseducation of Lauryn Hill» brachte HipHop 1998 praktisch in den Mainstream - das Album staubte den Grammy für das Album des Jahres ab. Lauryn Hills Solo-Debut strotzte vor Stimmgewalt, Gespür für Melodien und grossartigem Texting. Obwohl ihr nach dem Release die gefühlt ganze Welt zu Füssen lag, zog sich die Künstlerin aus dem Rampenlicht zurück und releaste nie mehr ein Album.