In der Schweizer Mundart-Raplandschaft sind es wohl Lo & Leduc und Pronto, die dem Traum vom Star-Dasein am nächsten kamen. Dass die beiden noch 2022 eine musikalische Kollaboration liefern würden, hatten die wenigsten auf dem Radar. Aufmerksame Fans konnten zwar bereits bei der Ankündigung des neuen Albums von Lo & Leduc, «Luft», erste Verschwörungstheorien aufstellen. Die Tracklist, welche auf dem im Promo-Material ersichtlichen Album-Merchandise aufgedruckt war, offenbarte nämlich bereits die ersten zwei Buchstaben des Feature-Gasts auf «The Dream». Das hätte von Priya Ragu bis Provinz noch alles bedeuten können, auch wenn Lo & Leduc per Instagram-Story auch mal Props an Pronto für seine neue Single gab. Nun wurde das Geheimnis aber gelüftet und CH-Rap's Mega-Feature des Jahres enthüllt.
«I glaube a Dream» rappte Pronto bereits 2017 auf seiner viralen Single «Clean». Ein halbes Jahrzehnt später ist er der erfolgreichste Mundart-Rapper und jagt den Traum der Seite von Lo und Leduc. Diese hatten auf ihrem Album «Mercato», welches Anfang Jahr erschien, bereits ein sehr vielseitiges und modernes Soundbild aus HipHop, RnB und Pop zusammengestellt. Mit ihrem neuen Album «Luft» besinnen sich die beiden Musiker zurück auf poplastigeren Sound mit überwiegend organischen Instrumenten, wie er etwa bereits auf ihrem Hit-Album «Zucker fürs Volk» zu hören war. Beteiligt an der Production des neuen Longplayers der beiden war auch Nemo, der kürzlich mit dem Release seiner englischen EP «WHATEVER FEELS RIGHT» den Sprung ins internationale Pop-Gewässer wagte. Der mit ihm, Lukas Kohler und Dr. Mo entwickelte Sound wird sich durch das neue Projekt von Lo & Leduc ziehen. Der Zeitpunkt für ein Pronto-Feature ist daher umso ungewöhnlicher, hätte er von seinem zeitgenössischen, Trapbeats-lastigen Klangbild deutlich besser auf einen Track auf «Mercato» gepasst. Wie klingt also nun Pronto auf einem Chanson der beiden Berner Chartstürmer?
Die ungewöhnliche Mischung aus Mundart-Chanson und Afro-Tune könnte Fans aus beiden Camps der Artists vielleicht nicht gleich abholen. Auch mit dem Thema «The Dream» lassen sich die drei Musiker auf eine Gratwanderung ein: Zu viele Klischees haben sich gerade im HipHop eingenistet, wenn es um das Thema Erfolg geht. «Du musst nur alles geben und an dich glauben», «Der Erfolg gibt mir recht» oder «Zahlen lügen nicht» wären nur einige Phrasen, die schon unzählige Artists, natürlich alle sehr erfolgreich, in diesem Kontext äusserten. Doch Lo und Leduc wären nicht Lo und Leduc, würden sie sich nicht leidenschaftlich in Wortklaubereien vertiefen und das Thema Erfolg im Musik-Business nicht auch mal kritisch hinterfragen.
«Du muesch eifach alles gä / Säge mir no gäng / Du muesch eifach alles gä / Nur säge mir nie wäm»
Textlich gehört die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht zum Anspruchsvollsten, was die Berner lyrisch je probiert haben. Das macht den Song und seine Bedeutung natürlich aber nicht weniger relevant. Prontos Gastbeitrag auf dem Song macht diesen umso interessanter, da er in der Schweizer Rap-Landschaft einen einzigartigen Status innehat. Mit seiner Inklusion bieten Lo und Leduc Spielraum für tiefere Interpretationen der Bedeutung des Songs.