Tommy Vercetti kommentiert Rap Album Covers
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2019

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Tommy Vercetti kommentiert Rap Album Covers

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Tommy Vercetti kommentiert Rap Album Covers

Moritz Wey
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Tommy Vercetti kommentiert Rap Album Covers
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Moritz Keller
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Nebst Rap und dem Sinnieren über unsere Gesellschaft beschäftigt sich Tommy Vercetti auch intensiv mit der Wirkung von Bildern. Als gelernter Grafiker wie auch als Promovend in visueller Kommunikation. Wir haben ihm zehn Covers von mehr und minder bekannten Rap-Alben – eine Hälfte national, die andere international – vorgelegt. Tommy nimmt aus dem Stehgreif Stellung.

Im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Hochschule der Künste Bern forscht er zu visuellen Erzählungen von Geld. Nebst Werbung wichtiger Finanzinstitute und den Banknoten an sich hat er auch Alben-Covers analysiert. Für sein eigenes Artwork des unlängst erschienenen Albums «No 3 Nächt bis Morn» verzichtete auch er nicht auf die Symbolik des Geldes: Die Figur einer Motte – zusammengebaut aus einem Totenkopf, drei Münzen und Insektenflügeln – ziert seine Platte.

Zunächst zu deinem Cover. Was gibt es zum gestalterischen Entstehungsprozess zu sagen?

Hm, schwierig. Ursprünglich sollte es ja eine Biene sein. Für diese Idee hätte es jedoch einen kleineren Schädel und einen schwarzen Hintergrund gebraucht, der quasi die Abstände zwischen den gelben Münzen füllt. Bei der Cover-Gestaltung ist es ein bisschen wie bei der Auswahl der Beats: Man probiert, bis es passt. Und mir schien es beim Herumexperimentieren plötzlich ästhetischer so, auch wenn man nicht richtig weiss, um welches Insekt es sich handelt. Abgesehen davon ging es mir darum, explizit zu sein. Man kann das von mir aus lame und den Totenkopf und das Geld zu offensichtlich finden, aber ich bringe seit jeher die Faszination für das politische Plakat mit. Wie auch im Rap, geht es da stark um das plakative, «direkt in die Fresse»-mässige.

Cover hin oder her – so rezensierte ich das neueste Tommy-Album:

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Nun zu den Album Covers. Beginnen wir mit den hiesigen Releases…

Skinny Stylus – «Dripavelli» (2019)

Das habe ich eben erst gesehen – finde es geil! Auch sehr mutig und schön im Sinne von: Man hat sich ein Konzept ausgedacht und es durchgezogen. Für mich ist es als Cover dennoch zu feingliedrig. Man hätte auch es auch mit weniger Glacé-Sorten lösen können. Wie vorhin erwähnt, sollte ein Cover irgendwie ikonisch funktionieren und selbst erkennbar bleiben, wenn du es nur auf 20x20 Pixel hast. Ausserdem frage ich mich: Erkenne ich anhand des Covers, welchen Sound hier auf mich zukommt? Mir ist bewusst, dass ich mich hier selbst widerspreche: EFM- und auch meine Covers erfüllten dieses Kriterium selten.

Manillio – «Irgendwo» (2013)

Uh man, da stocherst du in eine Wunde! Das Cover und alles hätte ich entwerfen sollen – beziehungsweise habe ich eben nur das Booklet gestaltet, weil Neezy und ich uns bei der Cover-Idee nicht einig wurden. Ich hatte einen Vorschlag, der ihm aber nicht gefiel – was passieren kann, gar kein Problem.

Gefällt es dir trotzdem?

Ich fühle Neezys Idee dahinter, ebenso die technische Ausführung von WES21. Aber ich finde es kein gelungenes Cover. Die Farben und die Komposition der Umsetzung gefallen mir nicht, obwohl WES21 sonst vieles gemacht hat, das mir gefällt.

Nativ – «Baobab» (2018)

Fühle ich sehr! Auch weil er den Mut hatte, so ein Ding in die Rap-Szene zu werfen. Es steht völlig quer in der Landschaft, aber man kann das Cover sofort fühlen. Was ich hier, wie auch beim Doppelalbum «Akim» und «Imani» etwas schade finde, ist der weisse Rahmen. Nicht dass dieser alles kaputt machen würde, aber es mindert die Wirkung.

Dann hätte man das Wording anders lösen müssen.

Ja, wobei man sich fragen kann: Braucht es in der digitalen Zeit überhaupt noch ein Wording? Hast du es zuhause aufliegen, weisst du sowieso Bescheid und überall wo es digital ersichtlich ist, stehen Titel und Interpret sowieso daneben.

Xen – «Lieblingsrapper» (2019)

Hier kommen zwei Sachen zusammen. Wobei in Klammer gesagt werden muss, damit nicht erneut etwas in den falschen Hals gerät: Ich fühle Xen extrem, ich liebe z.B. sein erstes Album! Hier sehe ich das Problem als eine Art Mischung zwischen Skinnys und Neezys Cover: Einerseits ist es cool und mutig diesen Albumtitel auch grafisch umzusetzen, andererseits driftet es ästhetisch krass von der Musik ab, die er kreiert. Ich sehe das fast keine Verbindung.

Hier wäre es verständnishalber nicht möglich, auf das Wording zu verzichten.

Genau, vor allem, weil es sehr detailliert ist und man erst auf den zweiten Blick realisiert, dass die Puppe und nicht etwa das Kleinkind – da gäbe es im Rap ja auch eine lange Tradition – den Rapper Xen darstellt. Der Clue – die Puppe – welche eigentlich die Idee ausmacht, findet verhältnismässig auf sehr kleinem Raum statt. Das macht es etwas schwierig zu verstehen.

Visu – «Libra» (2019)

Das habe ich noch gar nicht gesehen! Das erinnert mich jetzt stark an Willis «Lah Gah»: Mit den Gesichtshälften und dem stark abgedrehten Farbspektrum. Finde ich ebenfalls geil und irgendwie artsy. Aber auch nicht Hundert prozentig virtuos ausgeführt: Als Grafik-Nerd sehe ich ein paar spitzfindige Kleinigkeiten, wie beispielsweise die Schriftwahl und die räumliche Zusammenstellung, die mir zeigen: Dieser Grafiker hat wahrscheinlich noch keine zehn Jahre auf dem Buckel! (grinst)

Pronto – «Solo Dinero EP» (2018)

Uuh, ja gut (lacht). Das fühle ich natürlich ebenfalls. Hier nun ein Beispiel für eine sehr virtuose Ausführung. Schön ist hier auch, dass verschiedene Ästhetiken zusammenkommen und es doch irgendwie funktioniert. Ähnlich wie bei Nativ gefällt mir hier den Mut zum Abgedrehten. Wobei man sagen muss, dass diverse Amis mit Hang zum Spacigen in den letzten Jahren dazu viel Vorarbeit leisteten.

Kommen wir zu den Rap-Alben ausserhalb der Landesgrenzen…

Eric B. & Rakim – «Paid in Full» (1987)

Na gut, das hier ist ein verdammter Classic. Und natürlich tricky, weil das Cover wegen dem grossen zeitlichen Abstand schwierig zu beurteilen ist. Quasi: Ist es an heutigen Ansprüchen gemessen ein Mangel, oder macht dies genau den Style aus? Der rote Titel beispielsweise funktioniert nicht so richtig, ihre Namen oben rechts gehen auch etwas unter. Das sind Aspekte, die man heute gar nicht mehr neutral beurteilen kann – eben weil ihre Fehlerhaftigkeit den Style aus heutiger Sicht so prägen.

Was lässt sich hier zur Gelddarstellung sagen?

Hier kommt alles zusammen: Gestus, Hintergrund und Titel sind dem Geld bzw. dem Verdienst gewidmet. Es drückt aus, dass alles, was «wir» Rapper noch haben, um Anerkennung zu bekommen, das Geldmachen ist. Deshalb machen wir auch Cash – das ist die hier verkörperte Haltung. Zu sehen am grünen Hintergrund, den Geldbündeln in den Händen und natürlich ist die Jewellery Next Level! (lacht). Wenn ich jetzt eine Arbeit über Geld und Rap-Covers schreiben würde, wäre dieses Artwork das Titelblatt.

Money Boy – «Cash Flow» (2015)

Uh, das kenne ich gar nicht!

Das ist Money Boy mit «Cash Flow»

Wie schön! (lacht laut) Vielleicht gut, dass ich es gleich zum ersten Mal sehe: Ich finde es ein bisschen gescheitert. Dem Betrachter wird nicht ganz klar: Sind diese Hände illustriert, oder sind sie fotografiert und retuschiert. Auch schnalle ich auf den ersten Blick nicht, was hier abgeht: Weshalb die Hände so verrenkt sind, weshalb die Handschellen goldig sind usw. – irgendwie scheint es, als wollte man mit zu wenigen Mitteln zu viel.

Xatar – «Alles oder Nix» (2018)

Ugh, der Boss!

Der einzig «wahre Gangsta-Rapper» in Deutschland…

Ja, was soll ich sagen… Aus der nerdy Grafiker-Perspektive: Auf der Bildebene finde ich es elegant, aber auch null risky. Ein einfaches Portrait mit nachdenklichem Gesicht und ein paar Jewls, die zeigen: Das Geld iz da. Der Bezug zum Titel ist hingegen zu wenig offensichtlich – ich muss genau hinsehen, um zu checken, dass er Pokerkarten und keine Noten in der Hand hält.

Das war mir auch nicht bewusst!

Siehst du… Ausserdem beisst es sich auf der oberen Hälfte. Das gut ausgeleuchtete Foto mit dem schwarzen Hintergrund wirkt elegant und der dezente Schmuck passt. Die Schrift ist dann aber doch zu gross, zu unruhig glänzend. Eine einfache, weisse Schrift hätte bereits gereicht.

Mit dem Glanz- und Blendeneffekt wurde auch nicht gespart.

Genau. Würde man heute eigentlich nicht mehr so tun. Weil das wirkt dann schon fast wieder cheap. Es glänzt an den falschen Stellen. Wenn es an der Uhr und dem Schmuck ein bisschen glänzt, ist das doch gut. Aber dann beim Titel noch so extrem; ich finde, das passt nicht so gut zusammen.

La Coka Nostra – «Tha Audacity of Coke» (2009)

Finde ich geil, weil man merkt: Sie haben sich für einen Style, für eine Ästhetik entschieden und sind diese gefahren. Musikalisch bin ich kein grosser Fan, aber das Artwork ist gelungen.

Smoke DZA – «George Kush Da Button» (2010)

Das ist aber geil, das kannte ich auch noch nicht… Ich nenne das bestimmt nicht richtig, aber sage dem für mich jeweils «Lifestyle-Übersichts-Cover». Von denen gibt es ja einige und sie sind alle ein bisschen Nachfolger des «Dangerous»-Covers von Michael Jackson. So nach der Idee, die ganze Welt des Künstlers auszubreiten – wie auch beispielsweise bei Erykah Badu («New Amerykah»), wo die ganzen Lifestyle-Aspekte in den Haaren zu sehen sind. Hier ist es das «G»-Sein mit den AKs, aber auch ein bisschen Kiffernähe usw. Ich kenne die Musik nicht, habe aber dank dem Cover eine Ahnung, in welche Richtung es geht. Das finde ich schonmal gut.

Mobb Depp – «Blood Money» (2006)

Noch ein Classic. Wobei es für mich ein gutes Zeitgeist-Cover ist, dass ich jedoch im Nachhinein nicht mehr derart feiere. Einfach weil ich finde, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so sehr sich selbst waren. Die hatten ein paar wirkliche Classic Album Covers, wo der Sound in dieser Zeit auch genauso visuell transportiert werden musste. «Hell on Earth» zum Beispiel ist eigentlich ein hässliches Cover, das aber voll zutrifft, weil das ganze Album so klingt, wie das Cover aussieht. Echt stark. Hier wird jedoch einfach die G-Unit-Ästhetik transportiert. Es gab die Zeit, als G-Unit genau solche plastischen Fotobearbeitungen wählten und mit viel schwarz und Kontrasten arbeiteten. Schon geil, aber auch ein bisschen viel und wahllos mit dem Haufen Geld.

Meek Mill – «Dreams Worth More than Money» (2015)

Eine gute Idee mit dem Geldtraum, die man hier gelungen ins Zentrum stellt. Diese Ambivalenz, die wortwörtliche «Downside» des Geldscheins als Todesanzeige, wird hier deutlich und ist ebenfalls schön umgesetzt. Als einziger kritischer Punkt könnte man wieder die Frage anfügen: Passt das hier Gezeigte auch wirklich zu seiner Musik? Ein solches Artwork könnte beinahe ein Theaterplakat sein, es hat einen gewissen intellektuellen Touch. Wobei Meek Mill inhaltlich schon auch ein bisschen deeper wurde – aber zu dem Zeitpunkt hat es mich zumindest völlig überrascht.

Dave East – «Karma 2» (2018)

Obwohl ich es nicht kenne: Super kommt das jetzt, das finde ich nämlich die schlechte Version von Meek Mills Cover. Während Meeks Cover auf eine geile Art explizit ist – weder zu platt noch zu komplex – erinnert das hier an ein Wortspiel, das irgendwie knorzt. Du weisst zwar was gemeint ist, aber ich weiss nicht… (seufzt)… Es tut nicht weh, es erzeugt keinen Druck. Das einzige was mir mein Gefühl sagt, ist, dass diese Geldrolle jederzeit rauszufallen droht (grinst). Diese Gewalt, die hier eigentlich erschaffen werden möchte, ist gar nicht hier.

Chief Keef – «Sorry 4 The Weight» (2015)

Ach, ja schau her: Dann ist Money Boys Cover eine Anspielung auf dieses hier – und zwar ziemlich deutlich! Es ist definitiv besser, vor allem der übertriebene Flow: Die Uhr ist so gross, dass der Träger eine Sehnenscheidenentzündung riskiert und es ist so viel Geld, dass er es kaum halten kann. Diesen Gestus finde ich tatsächlich geil. Die Farben jedoch überzeugen mich nicht. Die gehen zu fest in verschiedene Richtungen: Das Geld ist krass übersättigt, beinahe Neon-Blau!

Anfang des Jahres äusserten sich Experten zur videografischen Umsetzung der nominierten «Best Songs» der LYRICS Awards. Hier kommst du zum Artikel:

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