Unsere erste Cover-Story – Throwback zum Mimiks-Interview 2014
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2021

LYRICS History Episode 1

Unsere erste Cover-Story – Throwback zum Mimiks-Interview 2014

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2021

LYRICS History Episode 1

Unsere erste Cover-Story – Throwback zum Mimiks-Interview 2014

Unsere erste Cover-Story – Throwback zum Mimiks-Interview 2014
Quelle:
In unserer Throwback-Rubrik «LYRICS History» schauen wir zurück auf sieben ereignisreiche Jahre LYRICS Magazin. Die Printversion, die seit zwei Jahren nicht mehr produziert wird, bietet so einige Perlen, die sich nicht nur aus Nostalgiegründen zu lesen lohnen. Deshalb ein Rückblick auf einige unserer relevantesten, besten und spannendsten Artikel von 2014 - 2019.

In der Ausgabe #0, der Maturarbeits-Ausgabe unseres Printmagazins, interviewten wir den damals 23-jährigen CH-Rap-Star Mimiks, der kurz zuvor sein fast schon legendäres Album «VodkaZombieRambogang» veröffentlicht hatte. Der junge Luzerner erzählt von seinem Werdegang als hungriger MC und seiner damaligen Lebenssituation, die doch noch leicht anders aussah als heute.

Das Cover der ersten Printausgabe.

Vom absoluten Niemand bis zum King of Rap

Luzern, die Stadt mit der Vorwahl 041. Die Stadt, die täglich mit tausenden von Japanern überflutet wird und im Blitzlichtgewitter steht wie ein Superstar, da ihre Sehenswürdigkeiten, wie die bekannte Kapellbrücke, ein Inbegriff unseres schönen Schweizerlandes ist. Die Stadt, in der es auf sportlicher Ebene nicht allzu gut läuft. Denn seit dem Abgang der Gebrüder Yakin kommt der FCL nicht mehr so richtig auf Touren. In genau diese Stadt fuhren mein Kollege und ich. Wir sind keine Japaner und wollten den Vierwaldstättersee nicht in unserem Fotoalbum verewigen und wir sahen uns auch nicht dazu berufen die sportliche Krisenzeit des Fussballclubs zu analysieren. Nein, wir waren bereit, die musikalische Sehenswürdigkeit zu treffen. Den Künstler, welcher die Stadt Luzern innert kürzester Zeit an die vorderste Front des Schweizer Raps chauffierte und die ganze Szene revolutionierte. Er brachte Luzern, seine Hometown, an die Spitze der Charts.

Die Stadt mit der Vorwahl 041.

Also schlenderten wir durch diese Stadt, vorbei an Geschäftsleuten, Rentnern, Junkies und eben Japanern, und gelangten schliesslich zum Bahnhof. Eine Prise Nervosität vermischt mit einer noch grösseren Prise Vorfreude, denn wir fühlten uns geehrt den selbsternannten «Baus» des Schweizer HipHops zu treffen und aus ihm Antwort für Antwort pressen zu können. So stand er um vier Uhr nachmittags da, Kopfhörer in den Ohren, Rucksack in der Hand, und genoss die Sonne, welche über seine Stadt schien. Wir begrüssten ihn, Angel Egli, 23-jährig mit spanischen Wurzeln, besser bekannt als Mimiks, der «Rap-Messias» in Person, und gingen mit ihm in Richtung See. Er kam gerade vom Betreibungsamt, wie er uns erzählt, da sein «dämlicher» Ex-Vermieter immer wieder neue unbezahlte Rechnungen finde. Passend zu seinem Hit «Broke 4 Life» scherzten wir. In einer Seebar der nobleren Sorte machten wir es uns gemütlich und begannen mit dem Interview über seine Musik, seine Revolution und über sein Leben voller Höhen und Tiefen.

«VodkaZombieRambogang»

25.04.2014: Ein magisches Datum für den Schweizer HipHop und ein besonderes für Mimiks. An diesem Tag erschien das Album «VodkaZombieRambogang» des 23-jährigen, und dies veränderte einiges in diesem Business. Das erste Album, welches nach Bligg, Stress und Steff La Cheffe mit Schweizer Sprechgesang auf die Pole Position der Hitparade schoss. Mit einem Sound, der nicht mit Bligg, Stress oder Steffe La Cheffe vergleichbar ist, denn Mimiks Sound ist Rap der härteren Sorte, es knallt durch die Boxen direkt in das Gehör der Zuhörer. Nichts für schwache Nerven. «VodkaZombieRambogang» ist ein Lifestyle, mit der Musik auf alles einen Fick zu geben, den Vodka Gorbatschow in die Luft zu heben und mit den Jungs das Gemeinschaftsgefühl zu erleben. Gemeinsam durch die Stadt zu ziehen, für einen Moment fernab von alltäglichen Sorgen und sich einmal richtig gehen zu lassen. Es ist Mucke um durchzudrehen, um abzufeiern, für den Ellbogentanz und um Mimiks unglaubliche Wortgewalt bestaunen zu können. Auf dem Album werden allerdings auch jugendspezifische Themen angesprochen, die Orientierungslosigkeit, das Streben nach Identität, Frauenprobleme und ein Portemonnaie ohne Rappen für einen Drink an der Bar.

Angel Egli ist ein Ausnahmetalent, der durch seine Sprachkunst den Schweizer Rap eine Liga höher gebracht hat, wie er selber sagt. Denn einen Sound wie er, hat noch niemand in diesem Land vor ihm zustande gebracht. Dadurch nimmt er sich ein ganz grosses Stück des Schweizer Rap-Kuchens, aber satt wird er auch nicht. Zwar hat Mimiks die Abrechnung für das Album noch nicht bekommen und kann deshalb nicht einschätzen, ob sein Konto um ein paar Scheine schwerer geworden ist. Sein Geld verdient er mit seinen Konzerten. Den Festivalsommer konnte Mimiks voll ausnutzen, praktisch jedes Wochenende riss er eine Stage ab. Trotzdem ist für ihn klar, dass es nicht reicht, davon zu leben. Stellt man sich noch vor, dass der Rapper momentan zu den Erfolgreichsten gehört, könnte man es kaum glauben. Wovon leben denn die hundert MC’s, die unter ihm stehen? Von nichts. Mimiks weiss, worauf das zurückzuführen ist. Es liege ja auf der Hand, die Schweiz sei ein so kleines Land, welches zudem in vier Sprachregionen eingeteilt sei, dadurch würden ihn die Welschen und die Tessiner leider nicht verstehen. Dann blieben noch etwa vier bis fünf Millionen Menschen, von denen man die «alten Säcke» noch abziehen müsse, und somit bliebe eigentlich nur ein ganz minimaler Teil als potentielle Zielgruppe für seinen Sound übrig. Ein weiteres Problem sieht Mimiks in unserem grossen Nachbarland. Der Schweizer Rap stehe immer noch im Schatten von Deutschland. Fans entscheiden sich oft, eine Platte von dort zu kaufen, als das Geld für Schweizer Künstler auszugeben.

Von Level zu Level

Auf jeden Fall ist sich Angel Egli sicher, man kann noch viel mehr aus diesem Business herausholen, für ihn ist eine Verdreifachung der Fangemeinschaft möglich, denn erst nach dem Album sind viele Jugendliche auf den Mimiks-Zug gesprungen. Er hat vor, die Schweizer Szene zu verändern mit Dingen, die noch niemand vor ihm verwirklicht hat, indem er nochmals ein neues Album droppt und die Konzerte nochmals ein Level höher bringt. Was Beats, Flow, Skills und Raps anbelangt, spiele er schon in einer anderen Liga und mit stetiger Steigerung liege noch viel mehr drin, zeigt er sich optimistisch. Ein hohes Ziel, aber machbar, findet er und eine goldene Schallplatte wäre auch nicht schlecht. Auf die Frage, ob er gerade eine Revolution entfacht, bleibt Mimiks allerdings nüchtern, für ihn sei das ein zu grosses Wort und es stehe nicht in seiner Macht, dies zu behaupten, aber es sei ein Ziel. Mimiks brachte gerade sein privates Leben auf die Reihe und die Musik ins Rollen und sorgt jetzt dafür, dass seine musikalische Wohlfahrt noch lange nicht zum Stillstand kommt.

Vodka Primakov, Fifa und Rap

Vor fünf Jahren rollte das Leben von Angel Egli noch nicht so, wie er sich das vorstellte. Mit 18 Jahren schmiss er seine Ausbildung, besser gesagt, er beendete zwar die Lehre, konnte aber zu wenig Motivation aufbringen, den Abschluss zu machen. So stand er plötzlich mit leeren Händen da, zog bei seiner alleinerziehenden Mutter über Nacht aus, denn bei seinem Kollegen Moritz wurde ein WG-Platz frei und Angel nahm diese Einladung dankend an. «Mami, übermorn ziehn ich us», hiess es und der junge Vogel verliess das Nest, um sich in ein neues, aufregendes Leben zu stürzen, wortwörtlich zu stürzen. Angel hatte einen Job in einer Bar, mit dem er ungefähr 700.- pro Monat verdiente, davon musste er 500.- für die WG-Miete bezahlen, und somit war er gezwungen, sich mit läppischen 200 Franken durch den Monat zu schlagen. In jener Zeit hatte er einen 30%-Job, und die restliche Zeit chillte er zuhause und zockte seine Zeit an die Wand. Die Playstation-Spiele «Call of Duty» und «Fifa» waren seine Hauptbeschäftigungen. Er erzählt mir, dass er sogar in der obersten Liga des virtuellen Fussballspiels mit den Besten der Schweiz messen konnte.

Neben dem Rumhängen und dem Zocken schrieb er viel. Es war ein Lebensabschnitt in der Angel mit seinen Kollegen von Wochenende zu Wochenende lebte, mit Drogen experimentierte und viel gesoffen hat. Meistens Vodka Gorbatschow, wohl, weil es der billigste hochprozentige Alkohol im Supermarktregal war. Partynächte irgendwo in Zürich, mit irgendwelchen Menschen flog er durch sein Leben. Angel befand sich in einem Zwiespalt, auf der einen Seite machte er nichts und liess sich am Wochenende gehen, zum anderen wollte er etwas erreichen mit seiner Leidenschaft Musik. In seinem Freundeskreis identifizierte man sich zwar mit der Musik und in deren Augen hatte er auch schon einiges erreicht, er liess sich auch von seinen Kollegen auf die Schulterklopfen und glaubte selbst, dass er mit grossem Talent gesegnet ist, doch er dachte, in der Schweiz könne er dieses Talent, seinen Traum sowieso nicht ausleben. Da er so viel Zeit hatte, um an seinen Skills zu feilen und nur wenige Stunden pro Woche arbeiten konnte, wurde er immer besser. Viele Leute könnten sich gar nicht vorstellen, wie viel Zeit man habe, wenn man keine Tätigkeit ausübe, erklärt er mir. In dieser ungenützten Zeit machte er sich viel Gedanken über die Welt und schrieb dadurch automatisch bessere und durchdachtere Texte. Der schwere Lebensabschnitt war die Inspiration, die den jungen Rapper beim Musik machen vorangetrieben hatte. Er konnte sich mit Rap identifizieren und fand sich selber in den Texten wieder. Es war das Einzige, was es für Angel in dieser Zeit gab. In diesem dunklen Kapitel, in dem Mimiks' Lebenskompass keinen Norden anzeigte, begann der Rapper an seinem ersten Mikstape «Jong & Hässig» zu schreiben. Nach dessen Veröffentlichung ging es ab! Innert drei Wochen machte sein Name die Runde in der ganzen Deutschschweiz.

Alleine gegen die Welt

Der Kontakt mit HipHop habe ihm etwas Wichtiges mit auf den Weg gebracht: «Wenn du Zuhause ausgezogen bist, nicht mehr unter dem Schutz deiner Eltern stehst, dann schaut kein Schwein mehr auf dich. Niemand, absolut niemand. Du musst dir bewusst werden, dass du für dich selbst, der einzige Mensch weit und breit bist. Was du machst und was du verhängst, interessiert niemanden mehr ausser ein paar Kollegen. Es gibt keinen Staat, der dir sagt, was du machen sollst, du musst es von selbst begreifen. Durch die Musik habe ich gelernt, dass man nur etwas erreicht, wenn man sich den Arsch aufreisst. Man muss einfach mal machen, sonst bleiben all deine Träume, die man hatte in jungen Jahren, unerfüllt. Denn jeder Mensch hat einen Traum, jemand Bestimmtes zu sein. Wenn du nichts tust, kommst du nie dorthin, wo du hin möchtest. Heute weiss ich, was mein Ziel ist, also gehe ich «straight» den Weg dorthin, bis ich mit der Musik das erreicht habe, was ich mir vorgestellt habe!»

«Ich spürte, dass eine grosse Zeit bevorstand»

Angenommen, die Musik hätte nie den Weg in Angels Leben gefunden, so hätte der Ansporn gefehlt, aus seinem Leben etwas zu machen. Allerdings folgt darauf eine Gegenthese, hätte sich Angel nie in den HipHop verliebt, so hätte er nicht einmal eine Leidenschaft gespürt, dementsprechend wäre der Ansporn wohl grösser gewesen, auf beruflicher Ebene etwas aus sich herauszuholen und so etwas zu erreichen. Zusammengefasst könnte man sagen: Hätte Mimiks niemals die Zeit als Arbeitsloser gehabt, so wäre er niemals so ein guter, ja gar der beste Rapper in diesem Land geworden. Und ich als Journalist würde niemals mit dem Gedanken spielen ihn als Revolutionär der Szene zu betrachten. Hätte Angel einen 0815-Weg eingeschlagen, eine Lehre abgeschlossen, alles wäre glimpflich gelaufen, so hätte es ihn niemals an das andere Ufer des Lebens getrieben, an das schwierige Ufer des Lebens. Angel Egli hätte nicht soviel zu erzählen gewusst und umso weniger authentisch und identifikationsbildend wären seine Lieder. In seiner schweren Zeit hielt Mimiks an einer bekannten Theorie fest: Wenn du richtig fest an etwas glaubst, dann wird es auch geschehen. Angel spürte innerlich immer, dass es für seine Musik Platz im Leben hat, und dass ihm eine grosse Zeit bevorstand. Er sagt, dies sei ein unbeschreibliches Gefühl, denn irgendwo in Angel drin, wusste eine Faser, dass er aus diesem Loch, in dem er sich befand, entfliehen und sein Traum zur Realität machen konnte. Er spürt dieses Gefühl immer noch, deshalb ist der Rapper auch hungrig auf mehr, denn er spürt, dass er noch ein grösseres Stück von diesem Kuchen verdrücken will.

«Was treibst du sonst noch?»

Spulen wir nochmals zurück zum Wendepunkt in seinem Leben. Dieser Wendepunkt musste kommen, sonst hätte sich Angel Egli hoffnungslos in dieser grossen Welt verloren. Und dieser Wendepunkt kam mit einem Erlebnis, welches ihn zum Nachdenken und zu einer Änderung seines Lebensstils bewog. Er ging an einem Wochenende mit dem Rapper und Freund EMM und dessen Freunde in den Ausgang. EMM war um die dreissig und Anwalt. Das einzige, was ihn und Mimiks verband, war die Musik. Im Verlaufe des Ausgangs fragten EMM’s Kollegen Mimiks, was er denn nebst der Musik noch treibe, denn diese interessierten sich nicht für einen Mimiks solange er keine Wellen schlägt wie Stress. Und Mimiks blieb auf diese Frage stumm, denn er machte schlicht nichts. Er liess die Frage unbeantwortet im Raum stehen, wurde nachdenklich, denn diese Frage der engagierten Erwachsenen liess ihn nicht mehr los. Zuhause wurde er wieder vor die Klippe dieser Entscheidung geführt. Er machte sich Gedanken und begann, seine Sichtweise zu ändern. Ihn beschäftigte auch ein weiteres Anliegen, was er einer Frau mal bieten mag, wenn er nichts hat ausser Musik. Und wenn diese auch nur halbwegs funktioniert, sei es doch voll beschissen. Also mache er lieber noch etwas nebenbei, anstatt alles auf eine Karte zu setzen. Später stellte sich heraus, dass genau diese Karte in Mimiks Leben das Ass war.

Generation Mimiks

Mimiks ist ein Aushängeschild für eine Generation, die ihre Jugend versiffte, und wie eine Feder durch den Alltag geweht wurde. Eine Tellerwäscher-Story auf Schweizerdeutsch: Plötzlich wird das gottgesegnte Talent erkannt, macht es salonfähig, geht damit in die Welt hinaus und wird auf Händen bis an die Spitze des Schweizer Raps getragen. Mimiks steht für eine Jugennd, die so viele Möglichkeiten hat in ihrem Leben, aber überfordert ist, etwas mit den auf dem Silbertablett servierten Aussichtschancen anzufangen. Er vergleicht die Jugend und ihre Möglichkeiten mit einem Buffet: «Man soll sich vorstellen, man steht vor einem riesigen Buffet mit richtig feinem Essen, aber schlussendlich kommt man zurück mit irgendeinem Scheiss-Food, weil man sich irgendwie nicht entscheiden konnte.» Mimiks wollte sich beweisen, dass er das tun kann, was er möchte. Und das könne jeder hier, man brauche nur «den Finger aus dem Arsch» zu nehmen, findet er. Es brauche meistens nicht viel für eine Veränderung. Man müsse wissen, wozu man fähig ist, und wozu nicht. Sei man zu faul, müsse man sich das eingestehen, und es sei auch nicht weiter schlimm, wenn man etwas dagegen unternehme, und man ehrlich zu sich selbst sei. Er sieht den Grund für die Perspektivlosigkeit und die fehlende Lebensfreude bei Jugendlichen in der Schweiz auch nicht in der Politik, sondern bei der Jugend selbst. «Wir selbst sind das Problem!» Er findet ein passendes Beispiel, um seinen Vorwurf zu rechtfertigen: «Kommen wir von der Schule nach Hause, hängt man einfach fünf Stunden ununterbrochen vor dem PC ab. Chattet auf Facebook, zieht sich sinnlose Serien rein. Dann fragt man sich nach drei Wochen: Was habe ich in der letzten Zeit für mich gemacht? Nichts! Toll, «Breaking Bad» durchgeschaut, sonst nichts! Wir Jungen sitzen einfach da und lassen uns mit unnötigen Informationen stundenlang berieseln. Fühlen uns wohl in einer Welt, wo wir, ohne etwas tun zu müssen, von «20 Minuten»-News bombardiert werden. Wir machen es uns so bequem, damit dieses Zeugs auf uns einwirken kann, statt mal einen etwas schwierigeren Weg einzugehen, wie ein Buch in die Hand zu nehmen oder einen Song zu schreiben. So wenige haben die Geduld, ein Buch zu lesen. Denn liegt man auf dem Bett hat man automatisch das Handy zur Seite, und dann schreibt dir die ganze Zeit irgendein Idiot unwichtiges Zeug in einem Gruppenchat. So kommt man nicht vom Fleck. Es gibt so viel anderes im Leben, aus dem du etwas Kluges aus dir machen und selbst etwas kreieren kannst.“

Lieber vor eigener Haustüre wischen

Mimiks gesteht, dass Politik nicht sein Ding sei, denn es werde so viel geredet und letztlich ändere sich sowieso nichts. Aber so sei eben die Natur des Menschen, meint er. Er befasse sich lieber mit seinen eigenen Fehlern, als andere auf ihre aufmerksam zu machen und denen zu sagen, was sie zu tun hätten. «Ich weiss, es ist ein bisschen egoistisch, aber ich kann sowieso nichts ändern, es bleibt alles gleich. Deshalb wische ich lieber zuerst vor meine Haustüre.» Mimiks bewundert auch einen Tommy Vercetti für die Energie, die er in diese Thematik einzubringen vermag und es schafft, sich die ganze Zeit mit politischen Themen auseinanderzusetzen. Für Mimiks ist klar, er möchte zuerst sich selbst verwirklichen, bevor er versucht, dieses System zum Positiven zu verändern. In seiner Musik philosophiert und politisiert er praktisch nie, denn er ist der Meinung, solche Songs finden nur Anklang, wenn man es schaffe, genau die passenden Wörter in die Texte zu verpacken. Er hält solche Tracks lieber reduziert, um deren Wirkung zu steigern. Würde jeder Song über seine Ideologie und Sichtweise handeln, interessiere es niemanden mehr, deshalb haue er lieber auf die Kacke und schreibe dann ab und an einen nachdenklichen Track, damit die Leute den Glauben an einen emotionalen Mimiks nicht verlören.

Die Legokamera

Die Rap-Karriere von Mimiks begann, als er das Mikrofon einer Legokamera aus dem Jahre 1998, welche er von seinem Onkel auf Weihnachten bekommen hatte, an seinen PC anschloss. Überrascht von dieser Entdeckung, fing «JongMimi» an, darauf zu beatboxen und aufzunehmen. Da er mit 15 gerade vom Rap-Film überrollt wurde, schrieb er erste Texte und nahm diese ebenfalls auf. Alles sehr zum Ärger seiner Mutter, die den herumschreienden Angel kaum aushielt. Später, bekam er ein Mic von einem Kollegen, da dessen Mutter im Journalismus tätig war. Mit dem Programm Magic Studio konnte er mit vielen Effekten die Aufnahmen einigermassen geniessbar erstellen. Der grosse Coup war allerdings das Studio des Bruders eines Kollegen. Dadurch konnten der junge Mimi und seines Homies das erste Mal professionell recorden, und dies gratis. Gepusht von diesem Bruder nahm er dort einige Jahre später auch sein Mikstape 1 auf. Seine damaligen Kollegen sahen neben dem Hobby Rap noch weitere Perspektiven. Sie hatten noch andere Talente, wie Zeichnen und Tanzen. «JongMimi» allerdings spürte sein Talent nur mit dem Rap verbunden, so kam es auch, dass er da am meisten Energie und Wille investierte. Er wusste, dass er nur mit der Musik etwas Aussergewöhnliches schaffen konnte.

Mit Dave durch die Nacht

Ein wichtiger Moment in seiner anfänglicher Musiklaufbahn war, als er Dave kennenlernte, welcher im gleichen Quartier wohnte wie er. Sie feierten am Wochenende durch und Angel bescherte Dave die ersten Vollräusche, indem er ihn in die Saufszene mit hineinzog. «Vielleicht ist das nicht meine beste Tat gewesen», sagt er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Aber die beiden hatten etwas gemeinsam, die Musik, und so steigerten sie sich richtig in diesen Film hinein und begannen diesen Lifestyle zu leben und reisten von HipHop-Event zu Hiphop-Event. Eine Randbemerkung: Die beiden waren schon richtig gut zu diesem Zeitpunkt. Dies trieb sie an, weiterzumachen. Weiter und weiter, bis heute. Denn heute stehen die beiden Brudis noch oft auf der Bühne und featuren sich gegenseitig auf ihren Tracks und repräsentieren so das 041-Movement.

041

Dieses 041 ist im Munde aller Rap-Hörer der Gegenwart. Kein Wunder, wenn man beachtet, welche Wellen aus Luzern über die Schweiz schlagen. Eine kleine Stadt und so vielen jungen Rappern mit riesigem Potenzial. Angefangen hat alles mit der Rap Crew Caprisco & Fabscho, welche schon vor zehn Jahren die Vorwahl ihrer Stadt repräsentierten. Mimiks und seine Gang übernahmen dies und setzten 041 so richtig auf die Schweizer Rapkarte. Weshalb diese Luzerner Buben das ganze Land mit frischem Sound beliefern und die Schweiz somit wachrütteln, das weiss Mimiks genau. Seiner Meinung nach rappen sie einfach besser, geben einen grösseren Fick und seien viel weniger verkrampft als andere MC’s. Auch was das Musikalische angeht, ist er der Meinung, dass sie viel offener sind. Für sie sei es kein Problem ab und zu eine gesungene Hook einzubauen, andere Rapper hätten damit grössere Probleme. Sie seien eben eine neue Generation, mit der sich viele junge Menschen auch identifizieren könnten, findet Mimiks. Zwar sind einige von diesem Movement zu faul, um ihr Musikding konsequent durchzuziehen, denn allein vom gut Rappen komme nichts. In Marash & Dave sieht er die grössten Chancen, dass sie erfolgsmässig zu ihm nachziehen und auf der gleichen Welle reiten könnten wie er.

Die Luzerner Rap-Schulklasse

Im Song «Läbä vom Applaus» erwähnt er allerdings auch, dass in Luzern nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen herrsche, und es sogar zu Zoff gekommen sei. «D’ Schwiiz meint mir hettets guet, doch hinter dure ghör ich scheiss (…) bis es denn einisch klöpft und alles wie früehner isch!» Angefangen habe alles mit dem Bonker Inferno Vol. 1, wo sich alle Rapper aus dieser Stadt das erste Mal getroffen haben und sich langsam annäherten. Er vergleicht das mit einer Schulklasse. Am Anfang seien alle schüchtern und vorsichtig und es bilden sich «Grüppchen». Das gleiche sei in der Luzerner Rap-Szene geschehen, viel kleine «Grüppchen» distanzierten sich voneinander, bis man sich plötzlich hinten durch gegenseitig in Grund und Boden hatet. Mimiks gab zu, von einigen Menschen richtig enttäuscht gewesen zu sein, als er ihre wahre Meinung über seine Person erfuhr. Es gäbe unzählige Rapper hier, die ein bisschen Musik machen und hinter dem Rücken über andere lästern und Neid entwickeln. Halt wie in einer Schulklasse, sagt er. Mit Kritik kann er inzwischen gut umgehen. Er habe mittlerweile so viele Fans, und deshalb sei es klar, dass man auch mehr Hater habe. Früher hätten ihn Beleidigungen und Haters beschäftigt, aber man müsse lernen, dass einem Hater egal sein müssten.

Mimiks hat sich gefunden

Heute ist er im zweiten Lehrjahr einer Kochlehre, und serviert seinen Kunden nicht nur Musik, sondern auch Menus vom Feinsten. Die Karte Musik, wie auch die Karte Ausbildung, scheinen beide ein Trumpf zu sein. Viele Menschen streben von einem Ziel zum Nächsten. Haben sie eines erreicht, können sie den Moment gar nicht geniessen, sondern fühlen sich dazu verpflichtet, gleich das nächste Ziel in weiter Ferne in Angriff zu nehmen. Mit dieser Thematik befasste er sich in einem Interview noch vor dem Album, mit dem Moderator Robin Rehmann von SRF Virus. In der Zwischenzeit schlug das Album ein, Angel Egli hat ein Ziel erreicht, trotzdem sucht auch er schon wieder die nächste Herausforderung. Er denke sich manchmal, es sei schon alles easy, die Lehre und die Musik «läuft», aber wenn er Texte schreibe und neue Beats für das nächste Album suche, lasse er wieder alles hinter sich liegen und stelle sich schon auf das ungewisse Neue mental ein. Zwar habe Mimiks in den letzten Wochen schon mehr im Jetzt gelebt und Vergangenheit und Zukunft seien näher zusammengerückt. Trotzdem ist der Luzerner noch lange nicht zufrieden mit dem, was er bis jetzt erreicht hat, Mimiks möchte mehr. Nach einem Höhenflug kommt oft der Fall und Mimiks befindet sich momentan knapp unter der Sauerstoffgrenze, hat aber keineswegs Angst vor dem berühmten tiefen Fall. «Ich müsste wieder beginnen Drogen zu nehmen und von Wochenende zu Wochenende zu leben. Wenn ich allerdings so bleibe, wie ich momentan bin, kann mir das nicht passieren.» Er fühlt sich ausgeglichen und bekämpfte erfolgreich die dunkle Seite in sich. Mimiks hat sich gefunden. Er sagt: «Vom absolutem Niemand bis zum King of Rap!»

Mimiks im «Scho sit Tag eis» Musikvideo
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