Wenn Royal C postet, erreicht er weit mehr als eine Handvoll Menschen. User, die bestimmte Eigenschaften mitbringen. Viele sind auffällig diskret in der persönlichen Ausgestaltung ihrer Profile. Pages, die einzig einen unterhaltenden Zweck verfolgen, oder nahe an dem sind, was man sich unter «Trolling» vorstellt. Einige schmücken sich mit szenespezifischen Codes, andere sind gar irgendwo tief in der Internet- und Musikerszene verwurzelt. Sie alle verfolgen Royal C sehr loyal und aktiv. Das Narrativ ihres Fan-Seins, die auffälligen Wechsel seiner Manager*innen und seine Inhalte, die sich irgendwo zwischen kunstvoller Inszenierung zugunsten von Promotion und betrügerischen Internetbekanntschaften abzuspielen scheinen, machen Royal C zum spannenden Social-Media-Phänomen. Also frage ich bei ihm an.
Selten habe ich mir im Vorfeld dermassen einen Kopf gemacht. Über Royal C zu schreiben – das war mir von Beginn weg klar – würde bedeuten, Stellung zu beziehen. Auszusprechen, über was andere hinter vorgehaltenen Händen und in Direct Messages munkeln oder gar lachen: Der Basler Rapper Royal C hat eine Beeinträchtigung und unter anderem deswegen ist er die zentrale Figur dieser Reportage.
Sein Handicap offenzulegen ist entscheidend für das Gelingen dieser Story. Daher auch mein Grübeln: Was, wenn dieser junge Mensch den outenden Kontext dieser Anfrage nicht versteht? Oder sein Selbstbild stark verzerrt ist? Dann nämlich spielte es keine Rolle, wie wohlwollend und respektvoll ich schriebe, es hätte Enttäuschung, gar Verletzung zur Folge.
«…Und trotzdem mache ich meine Musik»
Zum Glück verfliegen meine Bedenken Stück für Stück. Mit einer Instagram-DM erkläre ich mein Anfragen und bitte um Kontaktangaben. Am Telefon antwortet mir ein junger, vorsichtiger, aber nicht minder gewillter Typ, dessen Stimme ich klar Royal C zuordnen kann. Während des Gesprächs versuche ich heraus zu spüren, ob er die Tiefe meiner journalistischen Anfrage erahnt. Tage darauf habe ich Saverio, Royal Cs Grafiker und Manager, am Apparat. Ich verliere mich in diskreten Andeutungen über Royal Cs ersten viralen Song, in dem er seins damalige Ausbildungsstätte, eine heilpädagogische Schule, erwähnt. Ich glaube, ich werde verstanden. Der Manager ist positiv gestimmt und verspricht, mir noch schriftlich Bescheid zu geben.
Während diesen Abklärungen bin ich stets mit Royal C via DMs im Kontakt. Der junge Künstler fragt nach, vermittelt Nummern, E-Mail- und schliesslich die Adresse für unser Treffen. Dabei werde ich ganz liebevoll gesiezt. Es scheint, als habe Royal Cs Management eine beratende und absichernde, aber nicht unbedingt eine administrativ entlastende Funktion. Für das unmittelbare Abarbeiten von Anfragen und Kommunikation ist er sich nicht zu schade. Ganz im Gegenteil, Royal C lebt sprichwörtlich auf diesen Kanälen.
In einer Büro-Gemeinschaft, eigentlich die Foto-Werkstätte des Managers, nehme ich in der Mitte eines langen Tischs Platz, an dessen gegenüberliegenden Kanten Saverio und Royal C sitzen. Corona-konform werde ich von Cyril, so Royal C bürgerlich, mit Ellbogen-Bump begrüsst. Ich bemühe mich, routiniert zu wirken und versuche damit die anfängliche Spannung aus der Luft zu nehmen. Zumindest meine beiden Gesprächspartner scheinen sich ein bisschen aufgehoben zu fühlen. Bald komme ich ihnen gleich: Keine zehn Minuten nach Beginn meiner Fragerei lösen sich meine Bedenken schliesslich vollständig in Luft auf.
«Manche Leute mögen es mir an meiner Art anmerken, aber ich empfinde mich als normal.»
Royal C atmet tief ein und äussert dann klar: «Ich habe lange darüber nachgedacht und möchte es hier in dieser Runde sagen: «Bei meiner Geburt hatte ich ein ‚Schlägli’, deswegen bin ich in meiner Entwicklung etwa drei Jahre zurück. Das ist auch der Grund, weshalb ich in die HPS kam.» Weitere diagnostische Erklärungen seinerseits folgen. Ich hingegen verbleibe etwas baff. Einerseits – und das ist mir peinlich – habe ich ihn in seiner Behinderungserfahrung und damit verbundenen Identitätsbildung unterschätzt. Und andererseits ist es einfach verdammt mutig von ihm. «Und trotzdem mache ich meine Musik. Manche Leute mögen es mir an meiner Art anmerken, aber ich empfinde mich als normal. Ich dachte die Leute sollten das wissen, damit sie mich damit vielleicht eher in Ruhe lassen», schliesst er souverän ab.
In seinem ersten Song erwähnt Cyril die HPS Münchenstein. Tatsächlich spielte diese Schule, beziehungsweise sein damaliger Lehrer, eine entscheidende Rolle. Er zeigte Cyril Aufnahmen von sich beim Musizieren, woraufhin sich der Jugendliche zuerst im Schreiben und dann im Rappen übte. «Diss mi hast ja e keine Chance» entsteht und Cyril lädt das Video, bei dem er die Zeilen mit pubertärer Lebhaftigkeit in die Kamera rappt, aus Spass auf seinen YouTube-Account. Kurze Zeit später wird die Aufnahme als Facebook-Reupload von Swissmeme zum viralen Video, das hauptsächlich der Belustigung dient. Das zeigen die weit über 1000 Kommentare – wobei sich schon damals abzeichnet: Da gibt’s die vielen Kommentier-Geilen, die ihn massiv abwerten und die Couragierten, die ihn in Schutz nehmen. Und dann sind da noch ganz viele Trolle. Kommentare, die ihn so übertrieben abfeiern, dass die Ironie dabei nicht wegzudenken ist.
«hahah du bisch protal ey»
Die Menschheit schreibt 2013 und auf den Handy- und Computerscreens der Jugend poppt immer mehr nutzergenerierter Content auf. Die Zeit der viralen Meme-Kultur hat begonnen. Da spielt der Teenager Cyril mit seinem ersten Gehversuch als Rapper in die Hände eines solchen Kanals. Dass sein Video die Belustigungsrunde macht, trifft ihn damals: «Diese Plattform ist eigentlich nicht so sehr dazu gedacht, etwas Positives mitzugeben, eher Negatives. Ich hatte schon Schwierigkeiten damit, aber mittlerweile ist es mir eigentlich egal.» Es wird klar, dass Cyril in etwa versteht, weshalb sein erstes Video die Runde machte. In den darauffolgenden Jahren droht seine Hingabe zum Rap immer wieder zu kippen. Wegen verletzenden Kommentaren redet er sich mehrmals ein, mit dem Rappen aufhören zu müssen. Trotzdem bleibt Royal C seinem Hobby treu – das Rappen ist längst ein Teil von ihm: «Es ist wie jemand der raucht und probiert aufzuhören, dann aber merkt, dass es nicht geht und darum doch weitermacht», vergleicht er und grinst dabei verlegen.
Teilt ein solch junger Mensch – ungeachtet seiner kognitiven Fähigkeiten – erste schöpferische Aktivitäten mit der Internetwelt, muss ich immer auch ans nähere Umfeld denken. Ganz besonders, wenn daraus wie bei Cyril ein virales Video entsteht. Da passieren entscheidende, im Ernstfall einschneidende Schritte im Identitätserleben, auf die enge Bezugspersonen ganz verschieden einwirken (wollen).
Im Laufe des Heranwachsens ihrer benachteiligten Kinder werden Eltern bestenfalls mit der Frage nach Schonräumen, gelebter Normalität und dem mehr oder minder stattfindenden Ablöseprozess konfrontiert. Frei nach dem Motto: Schonen bis ungleiche Welten aufeinander stürzen? Oder das Kind mit vollem Bewusstsein vermehrt sich selbst überlassen und damit das Risiko starker Verletzungserfahrungen in Kauf nehmen? Cyril, so wirkt es, hat kaum unter überbehütenden Tendenzen gelitten. «Ein riesen ‚Shout-Out‘ an meine Mum, die steht nämlich seit Tag eins hinter mir. Egal, ob ich jetzt gerade gute, oder auch mal weniger gute Texte schreibe», sprudelt es aus ihm heraus, «sie sagt jeweils, ich solle tun, was mir Freude macht, auch wenn es nicht allen Leuten gefällt. Obwohl es sie eigentlich fast mehr trifft als mich, wenn mich Leute runter machen. Ich sage ihr dann, dass sie die Leute reden lassen soll und dass ich meine Musik trotzdem weiter machen werde.»
«Heutzutage outet sich ja jeder Rapper zu irgendwas»
Im letzten Jahr versuchte Cyril bereits, eine seiner Einschränkungen offen anzusprechen. Er teilt ein Foto seines Oberkörpers in einem speziellen Korsett, das er auf Grund seiner verkrümmten Wirbelsäule trägt. Darunter formuliert er eine erklärende Caption, mit der Hoffnung, Unklarheiten sowie unangenehme oder verletzende Äusserungen aus dem Weg räumen zu können. «Jeder Rapper heutzutage outet sich ja zu bestimmten Angelegenheiten, deshalb entschied ich mich nach langem Überlegen auch dazu», so der Geltenkindener. Es flattern viele «positive Nachrichten» hinein, wie er sagt. Nebst Glückwünschen und Respektsbekundungen für die Offenheit äusserten sich scheinbar auch Leidensgenossen mit therapeutischen Tipps und Erfahrungsberichten. Doch die Unsicherheit verbleibt. Es fällt dem jungen Mann schwer, zwischen Ernstgemeintem und «So-tun-als-ob» zu unterscheiden: «Mir ist dann trotzdem durch den Kopf: Haben die das nur so gesagt, oder meinen sie es ernst?» Eine weitere Erfahrung, die dafür gesorgt haben muss, sich ein ganz schön dickes Fell anzulegen, geht es mir durch den Kopf.
Wenn Cyril erzählt, redet er frank und frei. So ist es ihm auch wichtig, dass seine Musik «von ihm kommt» und thematisiert, was ihn beschäftigt. Das hört man seinen Texten an. Sie handeln immer wieder stark davon, Emotionen zuzulassen, mit ihnen umzugehen oder einfach positiv zu bleiben. So auch in einem seiner aktuellsten Songs: «Positiv» entstand mit Shir0, ebenfalls Gelterkindener. Er sei immer noch ein bisschen «geflasht», so Cyril. «Mit Shir0 konnte ich ein richtig geiles Featuring machen. Als ich ihn anschrieb, freute er sich riesig und meinte, ich sei für ihn damals eine Legende gewesen.» Zusammen reflektieren die beiden den nicht ganz einfachen Karrierestart Royal Cs und beschliessen, den positiven Umgang mit solchen Erlebnissen in einem Song zu verpacken.
Mich dünkt, Cyril hat das Motiv eines jeden Künstlers, einer jeden Küstlerin unseres textlastigen Musikgenres: Erfahrungen zu verarbeiten und verschiedene Emotionen auszudrücken. Vielleicht ist dieses Bedürfnis auf Grund seiner Einschränkungen und der damit verbundenen Ausgrenzung sogar noch grösser. Schliesslich sagt er mir irgendwann auch: «Ob deep, lustig oder aggressiv: Rap als Kunst ist deshalb vielfältig, weil man in verschiedene Richtungen gehen kann.»
«Sehr viel Männer wärde zum Schämmer»
Als grosser Rap-Fan, der sich im Besonderen mit Deutschrap beschäftigt, kommt auch er mit den leidigen Themen in Kontakt. Der Titelsong seiner neusten EP «Kei Puppe» behandelt Sexismus. Nicht als zeitgemässe theoretische Verhandlung, viel eher geht’s ums Äussern seiner Wertvorstellungen anhand eigens erlebter Beobachtungen. Betroffen erzählt er mir davon. Von damals, als er noch bei usgang.ch, wo er seinen Chef und heutigen Manager Saverio kennen lernte, als Fotograf tätig war: «Ich habe mehrfach beobachtet, wie Frauen mit niederwertigen Sprüchen runtergemacht wurden. Das finde ich überhaupt nicht okay.» Mit diesem Song setzt er sich dafür ein, dass sich dies bessern soll. Da er sich auf seinem Kanal schon öfters als Capital Bra-Fan outete und mich seine Wahrnehmung des Rapper zum Thema Frauen interessiert, verspüre ich einen journalistischen Drang weiter zu bohren. Meine Andeutungen werden jedoch nicht verstanden, also lasse ich die Suche nach Widersprüchlichkeiten fairerweise sein. Stattdessen erzählt mir Cyril vom positiven Einfluss, den der Berliner Strassenrapper auf ihn habe: «Durch seine witzige Art wurde ich selbst ein bisschen humorvoller.»
Vieles spielt sich online ab, auch bei Cyrils Hobby. Jeden Tag sei er aktiv und erhalte durch Kommentare und Nachrichten auch Inspirationen, um an neuen Songs zu schreiben, erklärt er mir. Für seine Fans und Supporter bildet er zusammen mit seinem Partner in Crime SnipA die Royal C Gang. Eigentlich gehöre ja Saverio als Manager und Grafiker auch zur Gang, so Royal C. «Jetzt weisst du es», schiebt er dem selbständigen Fotograf mit friedvoller Miene am anderen Ende des Tisches zu.
Als Kopf der Gang berichtet er, teilt Einblicke in sein Leben und bindet SnipA wie auch seine Follower*innen routiniert ein. Gemessen an der Frequenz und der Selbstverständlichkeit seiner Online-Kommunikation kommt er der Handhabung der grossen Rap-Stars dabei um Längen näher als die bekannten Gesichter hierzulande.
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Plattformen wie Instagram ermöglichen es ihren Usern, sich laufendr neu zu inszenieren. Das macht sich auch Royal C zu Nutze. In den vergangenen Jahren wurde mein Feed mit jeder Menge Inhalt rund um seine Person vollgespült. Vieles lässt sich heute aber nicht mehr nachvollziehen. Etliche Songs, darunter auch Featurings, kontroverse Posts und zusätzliche Management- oder Fan-Pages wurden inzwischen gelöscht. Darunter auch schrille Promo-Stunts und eigene Formate wie «Tv Rap News», die mich eine Zeit lang rege begleiteten. Wie viel Plan und wie viel äusserer Einfluss steckt dahinter, frage ich mich. «Wenn ich nicht mehr hinter einem Song stehen kann, oder ich ihn nicht mehr hören mag, kommt er weg. Dann entsteht wieder Platz für Neues», verlautet er zunächst.
«Er meinte, ich solle statt über die Herbstmesse und fröhliche Kinder lieber etwas Aggressives rappen.»
Dann frage ich konkreter. «Da war doch so eine Ungereimtheit mit diesem Young Xanax», entweicht es mir. Etwas hibbelig entgegnet Royal C, dass er mit solchen «journalistischen Fragen» gerechnet hätte und kündigt an, wegen Datenschutz keine personellen Angaben machen zu wollen. «Mit Young Xanax ist alles gut – wir liken auch unsere Bilder. Bei der Geschichte ging es aber um die Zusammenarbeit mit bloccbueb. Der wollte mit Young Xanax und mir einen gemeinsamen Song releasen, also habe ich einen Text geschrieben. Er fand den jedoch Scheisse und meinte, ich solle statt über die Herbstmesse und fröhliche Kinder lieber etwas Aggressives rappen. Ich dachte: ‚Alter, sicher nicht‘, schickte dann aber doch einen umgeschriebenen Part an ihn zurück.» Wochen darauf stellt sich heraus, dass bloccbueb Royal C und Young Xanax für einen gemeinsamen Song anfragte, nur um ihre beiden Spuren ungefragt und ohne seinen Beitrag als Witz zu veröffentlichten, entnehme ich Cyrils Ausführungen. Ein Intermezzo, welches sehr beispielhaft zeigt, wie sich in der Anonymität des Internets grenzüberschreitende Dynamiken abspielen. Ein junger Mann, dem man bei näherer Betrachtung ein gewisses Handicap zuschreiben mag, wird in seinem gutgläubigen Tatendrang gezielt verarscht. Mir verbleibt die Annahme, dass sich bereits vergleichbare mediale Zwischenfälle mit ähnlichen Ungereimtheiten im Hintergrund abzeichneten.
«Sie meinte, damit würde ich gut Likes machen»
So auch bei dem grössenwahnsinnigen Promo-Stunt auf Loredanas Nacken. Inszenierte Newsmeldungen auf seinem Kanal gaben zu Beginn des Jahres Details zum angeblichen Paar Loredana & Royal C sowie einem möglichen gemeinsamen Kind bekannt. Obwohl ebenfalls wieder gelöscht, könne er schon hinter der Aktion stehen. «Die Idee kam von einem weiblichen Fan. Sie meinte, damit würde ich gut Likes machen. Das hat auch eine Zeit lang super funktioniert. Wir haben eigentlich jedes Mal versucht, eine andere Geschichte daraus zu spinnen», erzählt Cyril lachend und ich grinse mit. In diesen Belangen ist die Ernstlosigkeit Ziel und ihm die erzeugte Unterhaltungsfunktion recht.
«Es gibt immer noch Leute, die sich nach dem Kind erkundigen. Darauf gehe ich dann gar nicht gross ein. Das war ja bloss eine Promo-Phase», gesteht er munter. Doch dann, für mich unerwartet, folgt eine ernstgemeinte Aussage, bei dem ihm die Verhältnismässigkeiten abhandenkommen. Seine Entwicklungsverzögerung wird plötzlich spürbar: «Ein Featuring mit Loredana zu organisieren wäre cool...», offenbart er und verläuft sich in einigen realitätsfernen Aussagen zur Finanzierbarkeit dieses Plans, bis sein Manager Saverio das Thema beschwichtigend abhakt: «Da nimmst du dir aber etwas vor…!»
Mein Treffen mit Royal C bestätigt meinen langjährigen Eindruck. Die Leidenschaft und Ernsthaftigkeit, mit der sich Cyril Rap widmet, ist echt. Genauso wie die Tragweite, die Rap in seinem Leben spielt. Viele seiner Fans werden genau dies zu schätzen wissen, während die wenig virtuose Herangehensweise andere stark irritieren mag, denke ich mir. Ein bisschen wie bei Money Boy – bevor seine Musik als Pionierarbeit erkannt wurde. 2012 bis 2016, als er in Facebook-Gruppen mit dem Namen Berg Money Gang oder dem Swag-Mob reihenweise Gleichgesinnte um sich scharte, die mit ihrer experimentierfreudigen und unverkrampften Macher-Attitüde, eigener Sprache und dem provokativen Spiel rund um die Frage nach der Echt- und Ernsthaftigkeit einen eigenen lebensbejahenden Kosmos schufen.
Zum ersten Mal nahm ich dabei eine stetig wachsende Fan-Szene wahr, bei der sich die Grenze zwischen Fan-Sein, Supporten und sich zur Unterhaltung darüber lustig machen aufzulösen schien. In Artikeln geneigter Deutschrapmedien, die sich dem Phänomen widmeten, wird von «Musik ironisch hören» geredet. Nur: Im Unterschied zu Money Boy, bei dem es zwar nach seinem viralen Wurf in die Szene von verschiedenen Seiten vermutet wurde, ist Royal C tatsächlich geistig beeinträchtigt. Umso wichtiger ist es also, seine Community und ihre Faszination zu verstehen.
«Bei einigen Künstlern ist der Artist und seine Intention selbst das eigentliche grosse Werk»
Ich schreibe deshalb vier Fans an, die seine Beiträge rege kommentieren und liken. Zu meiner Freude sagen alle zu und wollen meine Fragen beantworten. Darunter der Luzerner DJ Luk LeChuck und ein Rapper, man kennt ihn in der Szene. Von Dreien höre ich gleich zu Beginn, dass es ihnen wichtig sei, dass Royal C im Artikel nicht blossgestellt werde. Der erste Eindruck erweckt schon mal: Ihr Interesse für den jungen Rapper scheint wohlwollender und nicht voyeuristischer Natur.
«Er hat den Mut Dinge zu tun, die sich andere nicht trauen»
Seine Fans beschreiben ihre Faszination übereinstimmend. Sie gilt hauptsächlich der Gesamtheit seines künstlerischen Ausdrucks – von der Musik über seine Person bis zu seinem Instagram-Content. Der Reiz an seiner Musik, so ein User der aus derselben Gegend wie Royal C sei, gelte der Rohheit und Kontinuität: «Sie ist in ihrer Machart sehr rau und dilettantisch – nicht abschätzig gemeint – aber trotz allem voller Wärme und Enthusiasmus. Er hat den Mut Dinge zu tun, die sich andere nicht trauen und haut vor allem sehr viele Songs raus, die uns Zuhörer*innen hautnah seine Entwicklung mitverfolgen lassen.» Ausserdem, so andere, verkörpere er einen HipHop, der seinesgleichen suche: «Royal C lebt seinen ganz eigenen Struggle, arbeitet unaufhörlich an neuen Tracks, brennt seine CDs, pusht sich selbst, vor allem aber, liebt, was er macht.»
«Royal C hat wahrscheinlich mehr Reichweite, als viele dieser Cloudkids, die ihn in ihren Stories ‚ironisch feiern‘.»
Meine Befragten hören und feiern Royal C nicht ironisch. Im Gegenteil, so einige, würden sie ihn sogar sehr aufrichtig feiern. Ich lasse mir aber auch erklären, dass dieser Ausdruck hier nicht besonders passe. Beziehungsweise – so verstehe ich es – sei es möglich, Royal C aus echter Überzeugung zu feiern, auch wenn man beim Hören seiner Lieder schmunzeln müsse. Oder wie es Luk LeChuck formuliert: «Nur weil man das Werk eines Artists nicht mag, heisst das noch lange nicht, dass man den Artist und seine Intention nicht mag. Und bei einigen Künstlern ist die Figur und die Intention dahinter das eigentliche grosse Werk, welches dann von vielen Leuten gefeiert wird.»
Dennoch schliessen sie nicht aus, dass einige seiner Follower*innen ihn nur vermeintlich schätzen würden. So antwortet mir ein weiblicher Fan: «Klar gibt es immer so siebenmalschlaue Pseudorapper, die ihre eigenen, vielfach doch sehr eingeschränkten Skills über andere Amateure relativieren wollen. Aber ganz ehrlich: Royal C hat wahrscheinlich mehr Reichweite, als viele dieser Cloudkids, die ihn in ihren Stories ‚ironisch feiern‘.»
Ausserdem will ich von ihnen wissen, was sie Royal C wünschen. Viel Erfolg, echte Anerkennung für seine Passion, ehrliche Wegbegleiter, auf die er zählen kann, und: «Vor allem aber, dass ihm niemand seine Leidenschaft brechen kann», höre ich. Das wünsche ich ihm auch. Und umso mehr freut es mich zunächst, dass er sich mit dieser Reportage geöffnet und Mut bewiesen hat, für sich einzustehen. Zudem, erfahre ich zum Schluss unseres Gesprächs erfreut, möchte Cyril in Zukunft vermehrt persönliche und auch gesellschaftliche Themen behandeln.
Bevor ich aber nach einer knappen Stunde das Gespräch mit Cyril und Saverio beende, will ich unbedingt noch die Geschichte zu seinem Graffiti hören. Völlig begeistert berichtet Cyril, dass er vom Szeneblog «Wandschmuck Basel» eine Bildnachricht erhalten habe. Da sei er sofort ausgeflippt. Auf dem Foto zu sehen: Sechs an die Wand gesprühte Buchstaben, die zusammen «Royal C» bilden – sein ganz persönliches Graffito an der legendären Basler Linie. Wirklich glauben konnte er es erst, als er mit dem Zug am riesigen Schriftzug vorbeifuhr: «Da sind mir gleich die Tränen runter, weil ich so geflasht war», erzählt er. Zu erkennen gegeben habe sich die Person hinter dem Werk nie. Zu gross, so unsere Vermutung, wäre das Risiko einer Strafverfolgung. «Auch wenn ich es wüsste, ich würde schweigen», schliesst Cyril meine letzte Frage ab. Ich glaube ihm jedes Wort.