Weshalb Queer-Rap zu HipHop für HipHop ist
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February
2020

Mikky Blanco, Princess Nokia & co.

Weshalb Queer-Rap zu HipHop für HipHop ist

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2020

Mikky Blanco, Princess Nokia & co.

Weshalb Queer-Rap zu HipHop für HipHop ist

Weshalb Queer-Rap zu HipHop für HipHop ist
Quelle:
YouTube / Mikky Blanco
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Rap von und für Homosexuelle kann alles, was üblicher Rap auch kann, und mehr. Trotzdem findet er vor allem in seiner Nische statt. Und das hat Gründe.

«I ha Jungs i mim Rügge, die si für mi da / du hesch Jungs i dim Rügge, die figge di i Arsch» – nicht mal so eine schlechte Line, oder? Das findet auch der Freund des heimlich schwulen Rappers Dominic in der SRF-Serie «Nr. 47». Er baut die Zeile kurzerhand in sein Set ein und das obwohl – oder gerade weil – er den Verdacht hegt, dass Dominic homosexuell sein könnte. Denn normal ist hetero. Wer schwul ist, hat im Rap keinen Platz. Der Mann ist der Starke. Frauen gehören halbnackt in den Videohintergrund oder singend in die Hook.

«Homophobie ist salonfähig. Dass Rap auch 2020 noch ein Problem hat, zeigten jüngste Ereignisse.»

In der von Männern dominierten Welt des HipHops haben diese Prinzipien eine erschreckende Gültigkeit. Die Homophobie ist salonfähig. Dass Rap auch 2020 noch ein Problem mit Homosexualität hat, zeigte jüngst der Community-Backlash, der die Organisatoren des Openair Frauenfeld traf, nachdem sie auf Social Media als Zeichen der Solidarität ihr Logo vor einer Regenbogenflagge gepostet hatten.

Doch wie lange geht das noch so weiter? Eine Strömung lässt hoffen, dass sich etwas tut. Queer-Rap erfreut sich in den USA einer wachsenden Popularität. Exponentinnen und Exponenten wie Mikky Blanco, Princess Nokia oder Le1f verleihen Menschen, die sich von Rap unfair behandelt fühlen, eine Stimme. Es sind dies vor allem Homo- oder Bisexuelle, Frauen, Transmenschen oder solche, die sich selbst als weder männlich noch weiblich betrachten. Ihre Songs: laut, elektronisch, happy, traurig, berührend. Ihre Videos: extravagant, nackt, farbig, fabulous – voller Tanzeinlagen, Make-Up und Perücken. Und ihr Rap? Der thematisiert oft das Schwulsein und die Struggles, die damit einhergehen. Sich ein Leben lang verstecken, Angst vor dem Outing und den darauffolgenden Reaktionen, Selbstzweifel, Hass aus verschiedensten Ecken, nicht sich selbst sein können: All das sprechen die Rapperinnen und Rapper an und finden so bei einem Publikum, das von traditionellem Rap nicht beachtet wird, Gehör. Sie provozieren, lassen Frust raus, fordern etablierte Rollenbilder heraus, geben Schwächeren eine Stimme, kämpfen für mehr Akzeptanz.

«Queer-Rap ist purer HipHop, der realer nicht sein könnte.»

Die Stimme der Schwachen

Kommt dir bekannt vor? Genau das sind doch die Urgedanken, aus denen HipHop entstanden ist. Ersetze «schwul» mit «schwarz» oder «arm» und wir sind wieder auf Feld eins im Rap-Game. In diesem Sinne ist Queer-Rap purer HipHop, der realer nicht sein könnte.

Trotzdem: Auch mit millionenfach geklickten Videos bleiben Mikky Blanco und co. ein Nischenphänomen. Zwar gibt es auch im Mainstream HipHop-Künstler, die der Heteronormativität die Stirn bieten: allen voran Frank Ocean, Young M.A oder Tyler, the Creator. Der Unterschied zwischen diesen dreien und den Queer-Rappern und -Rapperinnen: Sie thematisieren ihre Homosexualität zwar öffentlich, machen sie aber nicht zum Kern ihrer Künstlerperson. Frank Ocean zeigt sich höchstens mit dezentem Make-Up oder gefärbter Frisur, Young M.A redet so selbstverständlich darüber, lesbisch zu sein, dass sich das Thema vor begonnener Diskussion schon erledigt hat. Währenddessen überbieten sich Queer-Rapperinnen und -Rapper mit Drag-Outfits oder Dancemoves und widmen ganze Alben dem Thema «Ich bin schwul».

Und genau das funktioniert im Mainstream offenbar weniger gut. Was schade ist, denn in Sachen Skills können die Queer-Rapperinnen und -Rapper problemlos mithalten. Sie rappen nicht nur schnell und gut, sondern sind kreativ, denken «outside the box», können nicht nur singen, sondern auch tanzen und schauspielern, sind Performer und Entertainer durch und durch. Davon könnte sich so mancher MC mit Mainstream-Erfolg eine Scheibe abschneiden.

Auch die Schweiz macht mit

In der Schweiz ist die Lage wie gewohnt ein wenig gemässigter. Künstler wie Dawill, Cobee, Daif oder Babylon Music stellen etablierte Rollenbilder und Hypermaskulinität in Frage. In diesem Sinne sind sie sich nicht zu schade, ihre Fingernägel zu lackieren, Röcke anzuziehen oder für ein Video Knebelbälle in den Mund zu nehmen. Explizit wird die Homosexualität jedoch selten zelebriert und offen schwule Rapper sucht man hierzulande vergeblich. Anders sieht es bei den Frauen aus: SMA-Anwärterin Naomi Lareine ist öffentlich lesbisch und auch die Bernerin Soukey verarbeitet ihre Gefühle gegenüber anderen Frauen in ihren Songs. Exponentinnen wie Steff La Cheffe oder Big Zis setzen sich schon seit Jahren für Gleichberechtigung und LGBTQ+-Menschen und gegen Diskriminierung und Machismus ein.

«In diesem Sinne sind sie sich nicht zu schade, ihre Fingernägel zu lackieren, Röcke anzuziehen oder für ein Video Knebelbälle in den Mund zu nehmen.»

Eine Queer-Rap-Szene ist in der Schweiz wohl schwer vorstellbar. Doch mit dem bewussten Aufbrechen von Geschlechterrollen bewegen wir uns in die einzige gutzuheissende Richtung. Denn beide Wege haben eine Wichtigkeit: das subtilere Einflechten von Genderthematiken in Rap-Texte à la Frank Ocean und die In-Your-Face-Gay-Songs à la Mikky Blanco. Beide bringen eine weitere Facette in das breite Feld von HipHop-Künstlern und bieten der Homophobie die Stirn. Und dass sich Musikerinnen und Musiker in der konservativen Schweiz trauen, Stellung zu beziehen, ist ein gutes Zeichen. Lasst uns so weiter machen – gemeinsam gegen Diskriminierung.

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