«Each one, teach one», besagt schon eine gängige Floskel aus dem HipHop-Slang. Der Tragweite, wie sehr Rap das Reifen von Teenagern fördern kann, wird sie aber bei weitem nicht gerecht. HipHop bietet Identifikationsfläche, regt zum Hinterfragen an, lässt die Kreativität neue Sphären erreichen oder dient als Ventil für Probleme, Frust oder Ängste. Leider bietet der strikt nach Lehrplan strukturierte Musikunterricht in den Schweizer Schulen wenig Möglichkeiten, sich mit der Wichtigkeit von HipHop auseinanderzusetzen. Deshalb bringt Futuro Workshops Abwechslung in die Klassenzimmer.
Wahrscheinlich wirst du mit dem Begriff «Futuro Workshops» nicht viel anfangen können, vermutlich kommen dir aber die Gesichter hinter dem Begriff bekannt vor: Die Geschäftsführer vom LYRICS Magazin, Emanuel und Elia, sind sich bewusst, wie grau und langweilig der Schulalltag sein kann. Mit dem Rap-Workshop bringen die beiden – zusammen mit den Kursleitern Mimiks und LUUK – frischen Wind ins Klassenzimmer. Was mit Rap-Workshops begonnen hat, ist mittlerweile zu einer stetig wachsenden Plattform geworden. Futuro Workshops bietet mittlerweile mit ihren über 30 Kursleitenden Angebote in vielfältigen Bereichen wie Film, Parkour oder Tanz an. Viele Lehrpersonen in der ganzen Schweiz sind bereits von den Workshops begeistert. Hier erfährst du mehr über Futuro Workshops.
Im Interview erzählen Elia, Emanuel und LUUK, warum es so wichtig ist, dass die Jugendlichen das Texten lernen, wo die Differenzen zwischen den verschiedenen Schulklassen liegen und was ihre schönsten Erlebnisse mit Futuro Workshops sind.
Rap ist eine Musikform – und im besten Fall kunstvoll. Was macht Rap – verglichen mit anderen Genres – so vielversprechend für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen?
Emanuel: Rap basiert auf einer modernen Sprache, ich würde sogar sagen, Rap spricht eine eigene Sprache. Viele Kinder und Jugendliche verstehen diese Sprache und nutzen sie als Ventil. Rap bietet heute eine riesige Auswahl an diverser Lyrik und an unterschiedlichsten musikalischen Vibes, an Storys und Künstlern. Durch diese Vielseitigkeit macht Rap verschiedene Welten, Geschichten und Kulturen zugänglich. Rap lebt von Characters, also von Künstlerinnen und Künstlern, die Ecken und Kanten aufweisen, diese nach aussen tragen und junge Menschen in diverser Hinsicht prägen. Zudem ist Rap sehr einfach machbar, man braucht kein Instrument, alles was man braucht sind Worte.
LUUK: LUUK: Rap ist für mich eines der vielfältigsten Genres. Für die Entwicklung eines Jugendlichen macht das mega viel her. Die HipHop-Kultur ist sehr vielfältig: Es ist eben nicht nur Rap, sondern Breakdance, DJing, Graffiti – geht also auch ins Gestalterische rein. Finde HipHop deshalb, vor allem für Jugendliche, extrem vielversprechend.
«Wir wollen mit den Schülerinnen und Schülern Themen behandeln, die sie in ihrem Alter interessieren und sie beschäftigen, aber im Unterrichtsplan keinen Platz finden.»
Auf der organisatorischen wie auch auf der praktischen Ebene: Was war bisher die grösste Herausforderung beim Rap-Workshop?
Emanuel: Die grösste und gleichzeitig auch schönste Herausforderung ist, dass man bei jedem Workshop auf neue Menschen mit jeweils eigenen Geschichten und individuellen Zugängen zu Musik und zu Rap trifft. Das fordert heraus, weil es uns wichtig ist, auf Schülerinnen und Schüler individuell einzugehen, macht aber auch enorm Spass, weil ich so schon von vielen jungen Menschen und ihrer Art, wie sie die Welt sehen und verstehen, lernen konnte.
Der Workshop beinhaltet Theorie und Praxis. Was liegt euch persönlich mehr am Herzen: Das Verständnis um die kulturellen Werte und die geschulte Einordnung von Rap-Musik weitergeben oder die Freude am Texten, Reimen und Performen wecken?
Emanuel: Mich begeistert, wie Schülerinnen und Schüler die Entstehungsgeschichte von HipHop wahrnehmen. Viele zeigen sich inspiriert von der historischen Kraft, die hinter den vier Elementen steckt und dem Kampf gegen Ungerechtigkeit, der ein wichtiger Bestandteil des Rap in den 70ern war und dies bis heute blieb. Gleichzeitig bin ich aber auch Fan vom Praxisteil, weil ich da schon so manchen Lehrer gesehen habe, der aufgrund der Raps seines Schülers oder seiner Schülerin richtig hart geflasht war. Wir werden regelmässig Zeuge davon, dass Schüler*innen, die von Lehrer*innen als schulisch «schwächere Schülerin oder Schüler» beschrieben werden am Workshop hochstehende Lyrics schreiben und damit auf Verwunderung stossen. Das zeigt mir, dass Rap unbedingt in den Unterricht gehört.
LUUK, der Workshop beinhaltet Theorie und Praxis. Was liegt dir persönlich mehr am Herzen: Das Verständnis um die kulturellen Werte und die geschulte Einordnung von Rap-Musik weiterzugeben oder die Freude am Texten, Reimen und Performen zu wecken?
LUUK: Ich finde beides wichtig. Für mich geht es aber immer einfacher, in der Praxis zu lernen, als in der Theorie. Deshalb ganz klar: die Praxis.
«Wer zeigt den Kids die Werte der HipHop-Kultur auf? Die Kinder hören oftmals ausschliesslich HipHop, wissen aber nicht, was HipHop ist und woher er kommt. Wenn Lehrpersonen versuchen, das aufzuzeigen, werden sie nicht selten ausgelacht.»
Mit Futuro Workshops habt ihr eine Plattform ins Leben gerufen, die es sich zum Ziel setzt, Kinder und Jugendliche in ihren Interessen zu stärken und Passionen zu wecken. Was war der Auslöser?
Elia: Die knapp 50 Rap-Workshops, die wir als LYRICS Magazin bereits gemacht haben, haben gezeigt, dass es unglaublich wichtig ist, jungen Menschen in Schulen den Zugang zu Passionen zu zeigen. Allgemein wollen wir dabei Themen mit Schüler*innen behandeln, die sie in ihrem Alter interessieren und beschäftigen, aber sonst im Schulalltag nicht zur Sprache kommen. Dabei liegen nicht nur Spass und Passion, sondern auch wirkliche didaktische Vermittlungsprinzipien im Vordergrund.
Elia: Vor allem Rap ist hier zentral: Alle Kids hören Capital Bra und Samra. Sie können jeden Text mitrappen. Aber wer zeigt ihnen dabei auf, wie man mit solchen Inhalten umgeht, wie man diese Kunst differenziert betrachtet? Ganz wichtig ist auch: Wer zeigt den Kids die Werte der HipHop-Kultur auf? Die Kinder hören oftmals aussschliesslich HipHop, wissen aber nicht, was HipHop ist und woher er kommt. Wenn Lehrpersonen versuchen, das aufzuzeigen, werden sie nicht selten ausgelacht.
LUUK, In deinem Workshop analysierst du unter anderem deine eigenen gesellschaftskritischen, aber auch expliziten Texte. Wie gelingt es dir die Texte für eine Schulklasse herunter zu brechen und dabei das kritische Denken der jungen Generation zu fördern?
LUUK: Ich finde, man muss das nicht immer erklären. Es ist viel wertvoller, wenn die Kinder selber darüber reflektieren und schlussendlich realisieren, was ich mit den Texten aussagen will. Das ist längerfristig immer besser, als etwas erklärt zu bekommen.
Mehr als nur Rap: Die Futuro-Kursleiter im Überblick
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Die Kurse sind für verschiedene formale und non formale Bildungsräume vom Kinder- bis jungen Erwachsenenalter gedacht. Wie unterscheidet sich die Durchführung der Kurse in den verschiedenen Regionen, Altersklassen und Settings?
Elia: Wir schreiben immer mit allen Schüler*innen ihre eigenen Rap-Songs. So helfen wir ihnen, das, was sie beschäftigt, auf Papier zu bringen. Es findet ein Verarbeitungsprozess statt. Dies auf eine coole Art und Weise, im Rahmen einer Kunst, die sie sowieso in der Freizeit beschäftigt und die ihre Persönlichkeitsentwicklung sogar entscheidend mitprägt. Alter und Umfeld sind dabei von zentraler Bedeutung. In Workshops in Nidwalden auf dem Land habe ich Zeilen gehört wie «Was da passiert isch e Schand, eusi Buure hend z`wenig Land.» Dagegen in Workshops in Migrationsschmelztiegel-Vierteln in Zürich geht es anders zu und her: «Verkaufä Hasch, wie Capi Bra - drum find ich Lehr i de Schwiz da.» Auch interessant ist, dass Mädchen ein viel ausgeprägteres Takt- und Reimgefühl als Jungs haben. Obwohl sich die Jungs meistens mit Rap vertrauter fühlen.
LUUK, seit einiger Zeit bietest du als Rap-Workshops auf Futuro an: Was war deine schönste Erfahrung bisher?
LUUK: Es ist immer sehr schön, wenn der Song dann fertig ist und die Schülerinnen und Schüler diesen performen können. Einmal hat mir ein Kind auch eine Karte geschrieben – das fand ich sehr herzig. Die habe ich sogar immer noch.
Mit dem Rapper-Alias gebucht werden und eigene Texte analysieren. Überspitzt könnte man sagen: Ein perfektes Promo-Tool, das nebenher noch Geld abwirft. Ist das zu kurz gedacht?
LUUK: Das ist ein schöner Nebeneffekt (lacht). Ich habe das Engagement aber nie mit den Business-Augen gesehen: Ich habe mit den Workshops angefangen, weil es mir sehr viel Freude bereitet, mit Jugendlichen zusammenzuarbeiten. Beim Kennenlernen erhalte ich Einblick in ihre Sichtweisen – das ist für mich sehr wertvoll. So lerne ich auch von den Kindern und bleibe auch jung im Kopf.
LUUK, warum sollte man als schulische oder ausserschulische Einrichtung Luuk als Rap-Workshop-Leiter buchen?
LUUK: … weil ich mit riesiger Leidenschaft rappe und davon überzeugt bin, mit dieser Passion auch andere Menschen begeistern zu können – und weil ich einfach der Beste bin (lacht).