Wir testen Kool Savas’ Anleitung zur Überführung von Stream-Käufern
Tuesday
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9
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September
2020

Illegal erschlichener Erfolg

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2020

Illegal erschlichener Erfolg

Wir testen Kool Savas’ Anleitung zur Überführung von Stream-Käufern

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In Zeiten von Streaming-Diensten entscheiden Zahlen mehr denn je über den Erfolg der Künstler. Wo Erfolg versprochen wird, kann Manipulation nicht weit weg sein. Die Diskussion um manipulierte Zahlen ist ein etabliertes Thema, das bereits oft diskutiert wurde. Doch nun ergreift einer, der die Szene geprägt hat, das Wort.

Im Jahr 2019 veröffentlichte das «Y-Kollektiv» ihre berühmte Dokumentation über die Manipulation der Chart-Platzierungen durch den Kauf von Streams.
Der Hacker Kai erklärte in der Reportage die Thematik rund um gekaufte Zahlen und war dabei sehr gesprächig. Durch Bots würden sich sowohl etablierte Rapper, als auch Newcomer hohe Positionen in den Charts sichern. Er betonte, dass, auch wenn Rapper teilweise nicht aktiv involviert sind, das Management hinter ihrem Rücken illegale Machtspiele betreibt.

Ein Jahr später rollt die nächste Welle der Kritik an, welche die Thematik erneut in das Spotlight setzt. Verantwortlich dafür ist kein Geringerer, als Rap-Legende Kool Savas. Eins ist klar, die hinterlistige Art sich den Erfolg zu erkaufen, kommt bei Savas gar nicht gut an. So liess er auf Twitter seinem Unmut freien Lauf und erklärte in einer simplen Anleitung, wie man erkennen kann, ob ein Künstler durch manipulierte Hör- und Streamingzahlen die höheren Chart-Ränge besetzt. Erkennen könnte man es, wenn man die Positionierung der ersten Woche ins Verhältnis mit den darauffolgenden Wochen stellt – vorausgesetzt die Single ist überhaupt noch in den Charts auffindbar. Zudem ist der Vergleich zwischen den Apple- und Spotify-Streams ein weiteres Indiz für ein potentielles korruptes Wirken.

Darauf entbrannte eine heisse Diskussion und Kool Savas erntete Zustimmung. Nebst Name-Dropping und Seitenhieben à la «90% der Deutschrap-Szene zittert gerade» ergänzte der Rapper, dass Labels bereits fixfertige Programme anschaffen. Die Bots sorgen anschliessend für den Rest und die Künstler, samt Manager sitzen auf den Bergen voller Geld. Nachweisen könne man die Machenschaften jedoch nicht. Laut Savas würde mit dem Kauf von Streaming-Zahlen nicht nur den Erfolg beeinflusst, sondern so auch Geldwäscherei betrieben. Um sich 1 Million Premiumstreams zu sichern, würden die grossen Fädenzieher im Game Schwarzgeld bezahlen, um daraus den gleichen, aber sauberen Anteil zu erwirtschaften.

Dass nicht alle Chart-Einstiege und Platzierungen organischer Natur sind, zweifelt keiner an. Die Frage ist, ob es tatsächlich so einfach ist, einen Künstler zu entlarven.
Da es in der journalistischen Natur liegt seiner Neugier nachzugehen, haben wir uns gewagt, die Instruktion auf ihre Kredibilität zu testen. Gesagt, getan. Wie vorgegeben, haben wir Chartplatzierungen, die Dauer ihrer Vertretung in den Itunes-, Spotify- und Schweizer Charts und Ihre Streaming-Zahlen überprüft.  Mit der Hoffnung vielleicht einen Schwindler aufs Glatteis zu führen.

Dass ihr hier keine Auflistung von Schweizer Rap-Künstlern seht, ist auch kein Zufall. Denn das Ergebnis fiel eher nüchtern aus. Durchaus zeigte sich eine Tendenz, dass bei gewissen nationalen Rap-Künstlern die Zahlen und Platzierungen schneller schwanden und nicht akkurat zusammenpassten. Dennoch zu wenig Beweis, um einen derartigen Vorwurf bestätigen zu können. Vergessen darf man dabei nicht, dass Chart-Platzierungen auch oft mit Momentaufnahmen und Hörzahlen zu tun haben. Dazu kommt, dass viele der heutigen Künstler «Cross-Plattformen» nutzen. Bedeutet, dass sie über verschiedene Kanäle einerseits ihre Promotion vertreiben können und so ihre Streams erhöhen.

Nicht zu vergessen, ist auch das Konsumentenverhalten. Während der Promo-Phase wird den potentiellen Hörern taktisch ein Zückerchen nach dem anderen angeboten – aber nicht zu viel. Mit der Hilfe von Insta-Post, Song- und Musikvideo-Trailer oder der Dauererwähnung in den Insta-Stories sichern sich die Akteure nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern suggerieren, dass man diesen Track unbedingt hören muss. Besonders bei den bereits grossen und etablierten Künstlern garantiert dies kurzfristig hohe Hör- und Streamingzahlen. Ganz nach dem Motto: Der Hype sichert den Erfolg.

Gleichwohl kann man Savas bei seiner Aussage «Mir ist es egal wie frech ihr euch in die Charts kauft, aber gerade gegenüber den Künstlern, bei denen es relevant ist, ob sie 15 Plätze höher oder niedriger charten, ist es ne Frechheit. Ihr manipuliert nicht nur eure, sondern auch die Karrieren anderer» nur zustimmen.

Sich in einem Genre zu beweisen, das in den letzten Jahren einen derartigen Aufschwung erlebt hat, ist hart. Ein Weg den nicht alle, die ihn einschlagen auch bewältigen können. Hinsichtlich dessen, ist es feige und unethisch sich den Erfolg mit einer monetären Investition zu erschleichen. Denn, bevor Rap eine «Competition» ist, ist es in erster Linie eine Community. Es braucht keine Formel, sondern eine gute Portion Würde und Respekt gegenüber Rap und den beteiligten Akteuren.

Ob Savas’ Formel, trotz des eher enttäuschenden Ergebnisses, etwas in sich hat, bleibt heute unbeantwortet. Kann auch sein, dass wir ihre Einfachheit nicht verstanden haben -  oder Savas ist uns intellektuell so einiges voraus.

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