Das grosse Luuk-Interview: «Man schnallt irgendwann, dass das Berufsmusikerleben als Rapper eine Illusion ist»
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2020

Knochenjobs, Fake-Follower & Newcomer-Support

Das grosse Luuk-Interview: «Man schnallt irgendwann, dass das Berufsmusikerleben als Rapper eine Illusion ist»

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2020

Knochenjobs, Fake-Follower & Newcomer-Support

Das grosse Luuk-Interview: «Man schnallt irgendwann, dass das Berufsmusikerleben als Rapper eine Illusion ist»

Moritz Wey
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Das grosse Luuk-Interview: «Man schnallt irgendwann, dass das Berufsmusikerleben als Rapper eine Illusion ist»
Quelle:
Yung Eye
Luuk hat seine Nische gefunden. Mit seinem fünften Album zeigt der gebürtige Rheintaler, dass er da ist, wo er hinwollte. Im Gespräch erfahren wir, weshalb die Rapper-Karriere ein Knochenjob ist, was die alte CH-Rap-Garde verpasste und weshalb er den Feature-Rekord hält.

Lukas Gantenbein, so Luuk bürgerlich, ist noch leicht dizzy, als wir uns an einem Montagmorgen über die Handycam begrüssen. Er habe gerade Promo-Woche und starte im Normalfall lieber nicht allzu früh in den Tag, denn das schlage ihm aufs Gemüt, so der Endzwanziger. Ein typischer «nachts im Studio»- Musiker, denke ich mir. Wir schreiben den 11. Mai 2020 und zumindest im Gastrobereich ist mit der Wiedereröffnung der Restaurants eine Teil-Normalität zurückgekehrt.

Independent

Montagmorgen hin oder her: Luuk ist ein zugänglicher und offener Typ. Im Smalltalk erfahre ich also schnell, dass die Krise auch für ihn eine Belastung darstellt. Schliesslich wurden gerade drei seiner wichtigsten Einkommensquellen – seine Konzerte, die Auftritte mit Knackeboul im Rahmen der «Pottcast Live»-Tour und seine Tätigkeit als Rap-Workshop-Leiter – auf Eis gelegt und das ausgerechnet jetzt, als Luuk den Schritt in die Selbständigkeit wagte. Aber das sei alles halb so wild, beruhigt er mich. Im vergangenen Jahr war er sehr busy, habe oft an fünf von sechs Tagen irgendetwas gearbeitet und sich so ein kleines Polster anlegen können.

Ein Ohr auf der Strasse

Luuk zu interviewen, gestaltet sich in etwa so organisch, wie sich seine Musik anhört oder seine Rapper-Laufbahn aufgleist: Ein Schritt folgt dem anderen. So landen wir schnell mitten in der politischen Brisanz der Corona-Zeit. Am Wochenende zuvor haben sich verschiedenste Menschen auf der Strasse getroffen und gegen das Virus und die Entscheidungen des Bundesrats demonstriert. Luuk findet es besonders gefährlich, wenn sich grundsolidarische, vielleicht etwas verwirrte Menschen mit rechtspopulistischen Gruppierungen durchmischen: «Corona und die damit verbundene Angst und Unsicherheit ist leider ein idealer Nährboden für komische Theorien.»

«Corona und die damit verbundene Angst und Unsicherheit ist leider ein idealer Nährboden für komische Theorien.»

Gegen rechts: Auf seinem neuen Album gibt sich Luuk wie gewohnt kritisch und politisch.

Fertig getrichtert

Obwohl diese Aussage Grund zur Besorgnis gibt, strahlt Luuk in erster Linie Gelassenheit aus. Eine Woche vor dem Release ist seine Vorfreude spürbar: «Es ist ein schönes Gefühl, ein Album abzuschliessen und diese Trichterphase hinter mir zu haben.» Als Trichterphase, so Luuk, versteht er den Entstehungsprozess, bei dem er ganz schön viel oben reinwirft, bis es dann unten gebündelt herauskommt. Nun will ich aber wissen, was dieses Album ausmacht.

Dein neues Album trägt den Titel «LUUK». Als Künstler*in macht man das in der Karriere nur einmal. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Dass es «LUUK» heisst, ist ein logischer Schritt. Jedes meiner Alben steht für eine Epoche. Beim ersten Album «Koitus» startete ich mit dem Akt. Dann kam die Geburt («1990»), die vom «Nirwana» abgeschlossen wird. Im buddhistischen Glauben bezeichnet das Nirwana die Phase, in der sich entscheidet, als was du wiedergeboren wirst. Deshalb folgte bei mir die Wiedergeburt («Renaissance») und nun bin ich ja da, also «LUUK». Das passt auch, weil ich mich gerade ziemlich angekommen fühle.

Wow. Woher stammt dieser Masterplan?

Den gab es nicht. Es ist einfach Schritt für Schritt passiert. Bei «Rennaissance» beispielsweise war es ein Handyfoto, das ich ohne die Cover-Absicht geschossen hatte. Erst im Nachhinein ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen und ich wusste: Das wird das Cover.

Ich vermutete, dass du deine LP deshalb nach dir benannt hast, weil sie musikalisch so pur daherkommt. Wenige sehr für sich stehende Songs und ein klassischer Kopfnicker-Sound…

Ich glaube, das ist immer ein bisschen so. Ich stehe zwar auf diesen kratzigen Sample-Sound, habe aber schon immer bei einigen Albumsongs etwas mehr experimentiert. Das zieht sich durch die ganze Diskographie. Jedes meiner Alben hätte «LUUK» heissen können (grinst).

Nebst deinem Partner in Crime, DavïdM, hast du diesmal einige weitere Produzenten am Start. Wie kam es dazu?

Das stimmt. Bisher waren meine Sachen immer mehrheitlich von DavïdM produziert. Dieses Mal war es schon ein bisschen anders. Es gibt diese drei KWEST-Beats – KWEST ist der Tag-1-Homie von Knack (Mundartisten) und arbeitet auch viel mit eingespielten Instrumenten. Das Organische mag ich je länger, je mehr und finde, dass es dem Album etwas Amerikanisches gibt. Als Nativ und Questbeatz hier waren, überliess mir Quest noch ein Instrumental. Und Mikey produzierte den Ersten. Es ist durchmischter, aber das tut dem Ganzen gut. Das Album hört sich dennoch sehr bündig an.

Auf deinem 10-Track-Album finden sich 6-Feature-Songs. Ein bisschen provokativ gefragt: Ist der typische Luuk-Sound auf talentierte Gäste angewiesen?

Angewiesen würde ich nicht sagen… Ich finde es macht es zu dem, was ich bin: Ich arbeite nun mal gerne mit verschiedensten Rappern zusammen. Es passiert mir wirklich oft, dass ich mir beim Sounden denke: Oh, hier würde dieser oder jener draufpassen. Und ich mache einfach verdammt gerne Musik mit anderen Menschen. Das macht den typischen Luuk-Sound einfach aus.

Ist ja auch ein schöner Anspruch, dass gute Musik gemeinsam mit passenden Musikern entsteht…

Ich wäre wahrscheinlich auch ein echt guter Creative Manager, der die Leute zusammenbringt und ein bisschen die Stricke zusammenhält. Es ist ja auch witzig, dass Dennis (Danase) und Nativ zweimal drauf sind. Danase wollte unbedingt noch auf «Matrix» hüpfen, weil ihm der Beat so gefiel. Mit den beiden verstehe ich mich auch menschlich total gut. Dennis ist inzwischen ein Freund von mir geworden.

«Man bäckt hier schon eher sein eigenes Küchlein.»

Überhaupt hast du es im Laufe deiner Karriere wie kein zweiter geschafft, mit Rappern aus allen Ecken und Szenen zusammenarbeiten. Was bringst du als Persönlichkeit mit, damit das möglich ist?

Ich war schon immer ein Mensch, der mit jeder Person umgehen konnte. Das habe ich auch in der Arbeitswelt gemerkt. Ich fand immer auch den Draht zu jenen, die mir vom Charakter her nicht extrem entsprachen. Ehrlich gesagt finde ich es ein bisschen schade, gibt es nicht mehr Kollaborationen in der Schweizer Musiklandschaft. In Amerika hat man kaum Berührungsängste. Hier bäckt man aber schon eher sein eigenes Küchlein.

«Die OGs aus der CH-Rap Golden Era haben es verpennt, Newcomer zu erkennen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, oder sie sonst wie zu supporten.»

Hast du diesbezüglich nicht auch eine Veränderung festgestellt?

Ja klar. Früher war das viel extremer. Die sogenannten OGs aus der CH-Rap Golden Era: die Chlyklass, alle Bündner usw. Diese Generation hatte es verpennt, Newcomer zu erkennen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, oder sie sonst wie zu supporten. Manillio war einer der Wenigen, der breit herum featurte. Mir ist es darum ein Anliegen, Releases aus der Schweiz zu pushen. Gerade für eine wachsende Szene ist es entscheidend, dass man zusammenarbeitet und die nächste Generation stärkt.

Verstehe. Damals war es aber auch technisch schwieriger, auf neue Rapper*innen aufmerksam zu werden und mit ihnen zu connecten. Da lag es nahe, dass man vor allem lokal zusammenhielt…

Okay. Aber danach, als zum Beispiel diese YouTube-Welle mit dem «Din16er»-Format kam, die letztlich auch Künstler wie Xen und Mimiks hervorbrachte, wären die technischen Möglichkeiten vorhanden gewesen. Trotzdem wurde von den Älteren kaum geschätzt oder geahnt, was auf uns zukam. Wenn du es aus heutiger Perspektive anschaust: Rixon, Rapide x Alawi und viele andere Junge aus dem ganzen Land – wenn die einen Song auf YouTube oder sonst wo droppen, da können sich so manche der grossen Schweizer Rapper verstecken, was die Klickzahlen angeht!

Stimmt, ist mir auch schon aufgefallen…

Man vergisst dann schnell in seiner Bubble, in der man die Leute ein bisschen kennt, dass da gerade etwas Grosses heranwächst. Davor darf man keine Angst haben, sondern sollte als Act in der Schweiz ein bisschen mehr Selbstlosigkeit an den Tag legen und die Jungen achten. Natürlich – das gelingt mir ja auch nicht immer – kann man nicht jede Feature-Anfrage bearbeiten. Der Schritt der Älteren sollte aber auf jeden Fall in Richtung kommende Generation gehen.

«Bei 14- bis 18-Jährigen sind sie Stars – und zwar schweizweit. Das ist kein Local-Züri-Ding!»

Die von dir Genannten haben auch eine ganz andere Fangemeinde. Rixon und Rapide x Alawi: Viele Jugendliche kennen und hören die…

Absolut. Bei 14- bis 18-Jährigen sind sie Stars – und zwar schweizweit. Das ist kein Local-Züri-Ding! Als ich in Biel in einer Berufschule für Mediamatiker einen Rap-Workshop hielt, waren da lauter Rapide-Alawi-Fans. Aber man darf die andere Seite auch nicht vergessen: Nebst den Zahlen im Internet zählt letztlich auch, ob Leute an dein Konzert kommen – vor allem in der Schweiz. Wichtig ist für sie darum, dass sie darauf aufbauen und auf keinen Fall die Beine hochlagern. Da biete ich auch gerne – wie zum Beispiel bei Rapide x Alawi – meine Unterstützung an.

Das liegt dir am Herzen…

Sehr. Ich habe da auch gewisse Vorstellungen und Pläne, wie ich das Ganze etwas organisierter und offizieller angehen könnte. Es ist leider noch nicht ganz so weit, als dass ich da schon etwas Konkretes realisieren könnte.

Geht’s um eine Plattform?

Nein, es geht eher um eine Agentur oder ein Label, das anderen und mir hilft, Projekte umzusetzen. Der «Pottcast» mit Knack ist beispielsweise etwas, das wir noch mehr ausbauen möchten. Wir haben daran gedacht, noch mehr in die Bild-Richtung zu gehen. Pottcast bleibt Pottcast – das ist klar – aber so eine Begleitsendung dazu wäre doch reizvoll…

Mit Knackeboul an deiner Seite hast du jemanden, der auch TV-Erfahrung mitbringt…

Es geht auch darum, dass Knack einfach ein verdammter Unterhaltungs-Profi ist und ich davon extrem profitieren kann! (lacht) Wir haben also viel vor, was diese Strukturen verlangt…

«Es braucht 600 verkaufte Einheiten, um den Platz 1 in den CH-Single-Charts zu sichern.»

Kannst du uns noch was verraten?

Vor ein paar Wochen habe ich einen Song mit Knack aufgenommen, der mir sehr gefällt. Mit diesem möchten wir einen Versuch starten: Wir probieren, mit Hilfe unserer gebündelten Community eine Nr. 1-Platzierung zu erreichen. Es braucht 600 verkaufte Einheiten, um den Platz 1 in den CH-Single-Charts zu sichern. Von einem Medium begleitet, sollte das Experiment eigentlich glücken. Quasi so ein Böhmermann-Light-Projekt, um zu veranschaulichen, wie einfach so eine Platzierung zu Stande kommen kann.    

Zurück zu deinem Release. Auf «Matrix» rappst du: «De Plan isch da, aber trotzdem nimm ich Wuche für Wuche» Was sprichst du damit an?

Im Team haben wir immer wieder so grobe Pläne geschmiedet. Letztlich merke ich dann, dass ich es doch einfach vorzu, fast schon Tag für Tag, nehme. Damit will ich vor allem vermitteln, dass ich nicht so krampfhaft an die Sache herangehe und Dinge passieren lasse.

«Ich muss aufhören, mich faul zu nennen»

Ach so. Ich habe die Line selbstkritisch interpretiert. So als hättest du zwar einen Plan, würdest dich dann aber trotzdem im alltäglichen Trott wiederfinden…

Das ist es auch! Von aussen sieht es vielleicht nicht so krass danach aus, aber ich bin schon auch ein fauler Mensch. Wobei ich aufhören muss, mich faul zu nennen, weil ich ja schon vieles tue und auch meist damit zufrieden bin. Als Musiker, der sich lange selbst gemanagt hat, kann man gar nicht so faul sein. Von den Graphics, übers Mitwirken beim Arrangement bis zum versandfertigen Verpacken der Bestellungen – auch bei «LUUK» war ich voll dran. Wenn ich Dinge angehe, bin ich meist effizient, aber ansonsten hänge ich oft auch durch. Insofern ist diese Corona-Zeit nicht unbedingt von Vorteil, weil sie diese Faulheit ein bisschen forciert.

Eine weitere Zeile, die mir hängen geblieben ist, findet sich auf «High». Da rappst du: «Ich bin im Clinch mit dem Läbe wo ich füehr.» Was steck hinter dieser Line?

Das bezieht sich vor allem auf mein Leben hier in der Schweiz. Für jede Kleinigkeit, die wir uns mal eben leisten, sei es auch nur ein Plastiksäckli im Grossverteiler, leiden auf der anderen Seite der Erde Menschen... Apropos «High»: Ist dir aufgefallen, dass das Album mit einem Down startet und mit einem High endet? (grinst zufrieden)

Du bist jemand, der sich für Transparenz stark macht. Ich habe vernommen, dass du positiv auf meinen Artikel «So viel verdienen CH-Rapper» reagiert hast. Was findest du wichtig daran?

Das ist jetzt witzig, weil ich auch mit Dennis (Danase) darüber sprach. Ihm gefiel der Artikel gar nicht, ihm ist dieser Business-Aspekt aber auch nicht so nahe wie mir. Ich fand ihn gut, weil die Grössenordnung der Zahlen in etwa stimmig ist und es doch wichtig ist, dass Aussenstehende das auch ein bisschen nachvollziehen können. Dennoch muss ich sagen, dass ich tatsächlich von der Musik leben kann…

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«Wenn man sich schon Staatssender nennt, sollte man doch hauptsächlich auf hier lebende Künstler*innen setzen»

Aber vielleicht nicht so gut, wie es sich manche vorstellen…

Für das was ich «opfere», verdiene ich nicht viel. Schlussendlich geht’s um die Grösse des Marktes. Hätten wir deutsche Verhältnisse, sähe es schon ganz anders aus. Gerade deshalb verstehe ich es noch immer nicht, weshalb Radios oder Festivals nicht mehr auf Schweizer Musik setzen. An dieser Stelle muss noch gesagt sein, wie toll es ist, dass SRF Virus zurzeit nur Schweizer Musik spielt! So sollte eigentlich das ganze SRF aufgestellt sein: Scheiss auf Taylor Swift und Co., wenn man sich schon Staatssender nennt, sollte man doch hauptsächlich auf hier lebende Künstler*innen setzen.

Keine Widerrede…

Der Kuchen ist einfach nicht fair aufgeteilt. Und das hat auch zur Folge, dass eben zum Beispiel im Schweizer Rap stellenweise noch wenige professionelle Strukturen vorhanden sind. Wenn man sich dann reinzieht, wie vergleichsweise dominant dieses Genre im Streaming-Markt ist, ist es einfach absurd. Dazu kommen diese Verallgemeinerungen in der Wahrnehmung vom Rap. Da sind doch so viele Menschen mit verschiedensten Ideologien, die Rap machen. Trotzdem wird alles über einen Kamm geschert.

Es gibt nichts, was es nicht gibt im Rap.

HipHop ist für mich das interessanteste Genre, weil es die Gesellschaft im Extremen spiegelt. Stell dir vor es gibt Hippie-Rap und Nazi-Rap! Es ist eben nicht einfach Hiphop mit «yeah yeah yo yo»…

Wie lange denkst du dauert es noch, bis HipHop hierzulande wirklich verstanden wird?

20 Jahre. Es braucht einfach Zeit, bis HipHop – wie in Amerika – in der Kultur der Gesellschaft vollständig verankert ist.

Nebst diesem langwierigen Prozess haben wir ja noch das «Mundart-Problem»: Leute finden es komisch, Musik in ihrer eigenen Sprache zu hören…

Es ist leider eine alte Geschichte, dass der Schweizer erst dann etwas feiert, wenn alle sagen, dass es geil ist…

Ist es die Bescheidenheit? Oder vielleicht eine Form von Unsicherheit?

Ich glaube, es hat auch mit Missgunst zu tun. Bei diesem Spotify-Eklat kürzlich, wo bekannt wurde, wer wie viele Fake-Follower verloren hatte, habe ich das wieder beobachtet. Meine Güte wurde da mit dem Finger gezeigt! Ich sehe das Thema nicht so eng: Schau mal, mit was Musiker zu kämpfen haben. Kein Wunder probiert man, alles Mögliche für den Erfolg zu nutzen.

«Selbstreflektion ist etwas vom wichtigsten.»

Du selbst verkörperst hingegen ein organisches Wachstum und den schrittweisen Erfolg. Bei Mero & Co. frage ich mich dann aber schon, wie nachhaltig das Ganze ist…

Das frage ich mich jeweils auch. Aber wenn der mit der nächsten Single um die Ecke kommt, wird’s höchstwahrscheinlich wieder funktionieren… In der Schweiz zeigt man gerne mit dem Finger, darauf wollte ich eigentlich hinaus. Das beobachte ich auch bei mir: Wenn ich in meinem Zimmer hänge und draussen Geschreie wahrnehme, gehe ich auch ans Fenster und werfe verstohlene Blicke nach draussen. Darum finde ich es auch so wichtig, sich an der eigenen Nase zu nehmen. Selbstreflektion ist etwas vom wichtigsten.

«Ein Bligg verkauft auch noch seinen Tannenschnaps!»

Das bestimmt. Doch selbst dann ist der grosse Erfolg nicht garantiert.

Als eigenständiger Rapper in der Schweiz kommst du irgendwann an den Punkt, an dem du von der Kapazität her einfach nicht mehr alles handlen kannst. Dieser nächstlogische Schritt: Jemanden einzustellen, der dir Arbeit abnimmt, das ist dann doch nicht finanzierbar, weil dafür einfach zu wenig reinkommt. Dieser überschaubare CH-Rap-Markt: 10‘000 - 20‘000 CH-Rap-Konsumenten – wenn überhaupt – füllen alle zusammen nicht einmal ein Stadion. Man schnallt irgendwann, dass das Berufsmusikerleben als Rapper eine Illusion ist, weil man daneben noch alles Mögliche selbst zu erledigen hat. Ein Bligg verkauft auch noch seinen Tannenschnaps, weisst du wie ich meine?

Mit Rap in der Schweiz sein Leben zu verdienen ist ein verdammter Knochenjob. Was bräuchte es denn, um diesen nächsten Schritt als Szene zu erreichen?

Ich glaube, es geht darum, einfach weiterzumachen und sich möglichst nicht davon runterziehen zu lassen. Klar gibt‘s diese Momente auch bei mir, wo ich mir denke: Fuck, eigentlich könnte ich es als Angestellter easy chillig haben. Dazu kommt, dass die Präsenz in der Öffentlichkeit schon auch schlaucht. Meistens freue ich mich ja, wenn ich im Alltag angesprochen werde, aber es ist manchmal auch anstrengend. Trotzdem gilt: Einfach dranbleiben! Es ist ja auch nicht so, dass der Schweizer Rap-Markt nicht wachsen würde – den Jungen sei Dank. Aber wir haben noch nicht diese Verhältnisse wie damals in der Blütezeit der alten Garde. Da war noch ein bisschen mehr Geld im Spiel…

Da wurden auch noch CDs verkauft!

Genau, damit konnte man viel schneller ordentlich Geld verdienen. Die Szene wächst, hat aber auch noch Potenzial. Der Peak ist noch nicht erreicht. Ich glaube, da geht noch ein bisschen.

«Ich fühle mich gerade richtig befreit und freue mich auf die Zeit, die ansteht. Ich verspüre Lust, unkonventionell und unüberlegt Musik zu machen und sie ohne grosses Drumherum rauszuhauen.»

Du und dein Rap stehen für sich. Viele deiner Fans hätten kaum eine Alternative, wenn du deine Karriere einmal an den Nagel hängst. Schon mal daran gedacht aufzuhören?

Eigentlich nicht. Ich spüre da noch viel Feuer in mir und habe Visionen und Ideen. Schliesslich bin ich gerade an einem schönen Punkt auf meinem Weg: Ich habe jetzt fünf Alben gedroppt und damit meinen Albumzyklus vorerst abgeschlossen. Was als nächstes folgt, sind wahrscheinlich kleinere Projekte – und auf alle Fälle nur, worauf ich gerade Bock habe.                

Ohne grosse Konzeptarbeit…

Ja. Unglaublich, aber am letzten Tag der Albumabgabe, wenige Minuten nachdem ich das Mail abgeschickt hatte, habe ich Logic geöffnet und direkt einen neuen Song gemacht. Ich fühle mich gerade richtig befreit und freue mich auf die Zeit, die ansteht. Ich verspüre Lust, unkonventionell und unüberlegt Musik zu machen und sie ohne grosses Drumherum rauszuhauen.

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