ELIA: Der Seiltanz zwischen den Generationen
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2021

Kopfnicken auf 120 bpm

ELIA: Der Seiltanz zwischen den Generationen

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ELIA: Der Seiltanz zwischen den Generationen

Luca Thoma
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ELIA: Der Seiltanz zwischen den Generationen
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Wenige Künstler meistern die Balance zwischen dem guten, alten Rap-Handwerk und dem «State of the art» so stilsicher wie der Baselbieter MC. Seine musikalische Entwicklung ist die Geschichte einer Emanzipation.

Es gibt MCs in diesem Land, die es schaffen, für immer jung zu bleiben. Immer frech, immer fresh. Baze zum Beispiel. Oder Stereo Luchs. Und dann gibt es einige wenige Künstler, die trotz ihres verdammt jungen Alters bereits einen OG-Status haben, die irgendwie schon immer dabei waren. Einer davon ist ELIA, the artist formerly known as E-Light, aus Basel.

«In ELIAs neuem Sound verschwimmt die Trennschärfe zwischen klassischem Kopfnicker-Boombap und Avantgarde-Patterns.»

Während die meisten Rapper im Alter von 14 bis 16 Jahren noch auf dem Pausenplatz an halbgaren Freestyles herumtüftelten, war ELIA mit den Grössen der Nordwestschweiz per Du: Brandhärd, K.W.A.T., Jakebeatz, Black Tiger, die B1RECS – er war mit allen connectet, nahm Features auf, spielte auf Bühnen in der ganzen Region. Das war 2010. Jetzt, rund zehn Jahre später, ist ELIA zwar erst 24 Jahre alt, hat aber bereits eine ganze Generation von Rap-Heads im Nordwesten mit HipHop sozialisiert: «Viele sehen mich heute so, wie ich damals Brandhärd gesehen habe. Das ist crazy», gibt er im Interview unumwunden zu.

Doch der OG-Status ist auch eine Bürde: ELIA genoss nie das Privileg der Jugend, nie wurde ihm von der Rap-Öffentlichkeit der übliche Welpenschutz gewährt. Ganz im Gegenteil: «Die meisten haben damals gar nie verstanden, wie jung ich war. Ich war mit 16 zum ersten Mal an einer Cypher, aber keiner hat das gecheckt.» So genoss er auch nie den Glanz der Jugend: Man denke etwa daran, wie das gesamte Studio bei Nemos ersten Auftritten im Radio komplett ausgeflippt ist. Bei ELIA war das nur deshalb schon nicht der Fall, weil alle in dem 16-Jährigen einen gestandenen Rapper Mitte 20 sahen.

«Es gab nie diesen Moment, an dem ich mich neu erfinden wollte. Ich war immer offen, nur das Umfeld hat sich geändert.»

Fluch und Segen zugleich: Rap in der Nordwestschweiz war damals in einer Dürrephase. «Tafs, Brandhärd, Shape – bei ihnen allen war die wilde Zeit schon vorbei. Ausser mir und MC Schoggi aus Sissach hat damals niemand in der Region dieses Rap-Ding ernstgenommen.» Heute erlebt Basler Rap eine neue Blüte, neue Soundbilderprägen die Szene – und ELIA ist mittendrin. Die Künstler der neuen Schule wie Morow, Was Ghetto?, Lafa oder Skip sind alle im selben Alter. In diesem kreativen Dunstkreis hat der Baselbieter neue Wege gefunden, um sich auszudrücken. Es ist die Geschichte einer Emanzipation, die Geschichte eines Künstlers, der es geschafft hat, den Kopf abzuschalten und sich treiben zu lassen.

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Nochmal an den Anfang: ELIA wächst an einem geschichtsträchtigen Ort auf. Im Waldenburgertal, besser bekannt als WB-Tal, einem gleichermassen industriell und landwirtschaftlich geprägten Landstrich südlich von Liestal. Hier wurden legendäre Artists wie die Tafs oder Shape geboren. Hier brachte das Label «WB Tal-Records» von MC Poet die freshsten Künstler der Nordwestschweiz heraus. Alte Zeiten, doch ELIA war von Geburt an prädestiniert, um die Legacy weiterzuschreiben.

Labelchef Poet ist sein Nachbar in Oberdorf, an derselben Strasse wohnt der Pianist der Britpop-Band «Lovebugs». Der Nachwuchsrapper saugt diese Einflüsse auf, wird zum Brandhärd-Fan, entdeckt bald auch die Songs der WB-Taler Legenden. Mit 14 betritt er zum ersten Mal ein Studio von innen: «Ab diesem Zeitpunkt war’s um mich geschehen. Ich habe es immer ernst gemeint mit der Musik – auch wenn mich die alten Songs natürlich nicht mehr so flashen wie damals», resümiert er heute. Bei vielen anderen MCs wären das Floskeln, doch die abertausend Stunden Hustle, die er in seinem Leben bereits in seinen Sound investiert hat – in guten wie in schlechten Zeiten – sprechen eine andere Sprache.

«HipHop ist für mich mehr als nur Sound. Es geht mir auch um die Kultur, um den Gedanken.»

Als «E-Light» hielt der Teenager die Fahne hoch für das WB-Tal und den Rap aus der Region Basel. Er nahm zahllose Features auf, brachte eigene CDs heraus, druckte Merch, zeigte seine Skills auch in anderen Landesteilen und gab alles für sein Label und Movement «HomeTon Records»: «Ich war immer am machen, habe mich nie zurückgelehnt, war immer ungeduldig.» Wie gesagt: Rap in der Nordwestschweiz ging es damals eher schlecht – und ELIA gab alles, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Die musikalischen Einflüsse: Klassiker wie Brandhärd oder Eminem, ehrliches Storytelling, Boombap-Beats. «Das lag in erster Linie daran, dass die meisten Producer in meinem Umfeld und der Region eben solche Instrumentals bauten. Aber klar: HipHop ist für mich mehr als nur Sound. Es geht mir auch um die Kultur, um den Gedanken.»

Wenig erstaunlich hat ELIA daher heute bei vielen Rap-Kennern noch eher den Oldschool-Stempel. Auch wenn sein heutiger Sound viel experimenteller ist – von einem Bruch will er nicht sprechen: «Es gab nie diesen Moment, an dem ich mich neu erfinden wollte. Ich war immer offen, nur das Umfeld hat sich geändert.» Der Aufstieg der Producer-Formation Vigaz Beats aus Bubendorf gab ihm die Impulse, die er brauchte. Der Song «Stilsach» war ein erstes Ausrufezeichen und ein Statement: «Ich werde gerne herausgefordert, habe keine Angst vor den Beats. Genau das wollte ich mit dem Song unter Beweis stellen: Dass ich eben auch den neuen Scheiss beherrsche.» «Stilsach» war ein Befreiungsschlag: ELIA arbeitete danach zusammen mit Jakebeatz an mehreren gemeinsamen Songs, auf denen er sich neuen Styles öffnete und baute langsam aber sicher sein heutiges Umfeld um sich auf. Dazu gehört neben Vigaz Beats und dem Dritte-Stock-Kosmos um Sherry-Ou auch der Was-Ghetto-Hausproduzent Ludwig O.S.

«Viele Menschen fahren krasse Filme, aber reflektieren sich selbst viel zu wenig. Chillt mal, hinterfragt die eigene Position. Es gibt verschiedene Aspekte, akzeptiert auch Andersdenkende.»

Für sein neues Album «Zick Zack» hat er sich ganz auf dieses Camp verlassen, ist zweimal mit Vigaz Beats und Ludwig weggefahren, um fernab von zuhause an Songs zu schrauben. So sind Lieder aus einem Guss entstanden. «Mit Vigaz und Ludwig habe ich den Mut gefunden, mich von den Erwartungen um mich herum zu lösen und einfach mal Dinge auszuprobieren», reflektiert er im Hinblick auf das Release: «Mittlerweile will ich einfach frei sein. Wenn ich eine Adlib fühle, haue ich sie rein. Scheissegal.» Dabei verschwimmt die Trennschärfe zwischen klassischem Kopfnicker-Boombap und Avantgarde-Patterns: «Wenn ich den Beat höre, muss er einen Vibe erzeugen, ein Bild in mir wecken –dann springe ich drauf.»

Daher auch der programmatische Name «Zick Zack»: Es geht nicht um lupenreine Soundbilder, um dogmatische Weltbilder, sondern genau darum, spielerisch hin und her zu springen und im Schmelztiegel der externen Einflüsse das Eigene herauszudestillieren. In diesem Ausgleich, in diesem Dialog sieht ELIA auch seine Geisteshaltung: «Viele Menschen fahren krasse Filme, aber reflektieren sich selbst viel zu wenig. Chillt mal, hinterfragt die eigene Position. Es gibt verschiedene Aspekte, akzeptiert auch Andersdenkende.» Da sein musikalischer Wandel erwartbarerweise auch einige der «Fans von früher» vor den Kopf stiess, ist ihm dieses Aufbrechen von Barrikaden im Geiste umso wichtiger. Und dass er es damit auch ernst meint, spiegelt sich im Namenswechsel: Aus E-Light wurde ELIA. «Damit beginnt eine neue Ära. Auf den alten Projekten habe ich von zig Produzenten Beats gepickt und auf ein professionelles Mastering verzichtet. Jetzt habe ich ein Umfeld mit extrem viel Knowhow und das ganze Game upgesteppt.»

Auch wenn ELIA schon seit über zehn Jahren im Game ist: Jetzt scheint der Moment gekommen zu sein, ab dem es zählt. Mit dem neuen Tape wird sich weisen, ob er die Fans von früher halten und sich durch die neuen, frischen Styles auch ein grösseres, überregionales Publikum erschliessen kann. Ob er die WB-Tal-Legacy nicht nur im traditionellen Sinne weiterschreiben kann, sondern ein ganz neues Kapitel aufschlagen kann. Und ob seine Botschaft des Ausgleichs in Zeiten der gesellschaftlichen Polarisierung Gehör findet. Es wäre ihm zu gönnen, denn er hat viel zu erzählen.

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