Bald ist es wieder soweit. Am 31. Januar geht die 63. Auflage des wichtigsten Musikpreises über die Bühne. Im Vorfeld sorgte die Veröffentlichung der Nominierten aber für viel Gesprächsstoff. Einige Künstler fühlen sich ignoriert und hintergangen, andere können sich über überraschende Nominierungen freuen. Grund dafür sind die speziellen Nominierungskriterien. Nicht die Verkäufe und die Popularität entscheiden darüber, ob sich Artists Hoffnungen auf das goldene Grammophon machen können, sondern eine riesige Jury bestehend aus Fachleuten. Diese sorgen für ein spannendes und diskussionsbedürftiges Feld an Künstler*innen - auch in den Rap-spezifischen Kategorien. 4 Dinge, die uns dabei aufgefallen sind.
Die Nominierungen in den einzelnen Single-Kategorien waren zu erwarten. Wer bei den Nominierten für das Best Rap Album das gleiche Bild erwartet hatte, wurde überrascht. New School-Rapper wie Lil Baby, Lil Uzi Vert, Juice WRLD und Pop Smoke hatten zwar die erfolgreichsten Alben auf dem Rap-Markt und prägen immer noch den Mainstream, Hoffnungen auf die goldene Grammophon-Trophäe können sie sich trotzdem nicht machen. Denn die Jury würdigt dieses Jahr den Grown Man-Rap. Nas, D Smoke, Jay Electronica, Freddie Gibbs und Royce da 5’9’’, allesamt über 35 Jahre alt und eher dem Conscious-Rap zuzuordnen, hatten zwar nur mässigen Charterfolg - Nas’ «King’s Disease» erreichte mit Platz 5 den höchsten Peak unter den Nominierten -, konnten die Jury aber offensichtlich mit ihrer lyrischen Herangehensweise überzeugen. Eigentlich ein schönes Zeichen der Jury, dass sie sich nicht von Erfolg blenden lassen und versuchen anhand von Qualitätskriterien zu entscheiden.
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Megan The Stallion, einer der meistnominierten Artists, kann sich über 4 Nominierungen freuen. 3 davon gehen an ihren TikTok-Durchbruchshit «Savage», der RnB-Queen Beyonce Feature. Nominiert ist der Track in den Kategorien Best Record, best Rap Song und best Rap Performance. Auch Roddy Ricch, der die Newcomerin mit 6 Nominierungen sogar noch übertrifft, kann sich dank seinen Airplay-Hits «The Box» und «Rockstar» als meistnominierter Rapper rühmen. Doch was haben diese Hits gemeinsam? Sie alle haben ihren Blowup TikTok zu verdanken. Der Einfluss der Shortvideo-App scheint also nicht bei Chartplatzierungen aufzuhören und scheint die Popkultur noch mehr zu prägen als erwartet. Um diese These zu bestätigen fehlt zwar Drakes «Toosie Slide», aber dazu später mehr.
«Toosie Slide», «Highest in the Room», «Greece», «Popstar», daneben Produktionen für Trippie Redd, Aminé und Co.: OZs Placements lesen sich immer noch wie im Traum. Mit den Drake- und Travis Scott-Singles toppte er nicht nur mehrmals die Single-Charts, er führte auch wochenlang die «Billboard Hot Songwriter»- und «Hot Producer»-Charts an. Davon scheint die Jury unbeeindruckt zu sein. Denn für Nominierungen kann sich Drake bei anderen Producern bedanken: Mit «Laugh Now Cry Later», der unter anderem von Cardi produziert wurde, kann er sich weiterhin Hoffnungen auf eine begehrte Trophäe machen, die OZ-Singles sind hingegen nicht nominiert. Auch für die «Producer of the Year»-Trophäe wurde der Schweizer nicht berücksichtigt. Ganz übergangen wurde OZ aber nicht. Travis’ «Highest in The Room» kann sich noch Hoffnungen auf einen Sieg in der Kategorie «Best Melodic Rap Performance» machen.
Andere Awardverleihungen orientieren sich nach Verkaufszahlen, Chart-Performance und Fan-Voting. Die Grammys haben nichts davon. Hingegen setzen sie auf eine Jury von Fachleuten, die in einem komplizierten Vorselektionsverfahren zuerst alle Einsendungen überprüft und anschliessend in die Kategorien eingeordnet werden. Erst dann stimmen die fast 30’000 Mitglieder über die Nominierungen ab. In diesen Prozess hat soweit keiner Einsicht, was ein fruchtbarer Boden für Diskussionen und kleinere Verschwörungstheorien ist. Nicki Minaj beispielsweise war 2012 in der Newcomer-Kategorie nominiert, unterlag aber Bon Iver. Als Grund machte sie ihre Hautfarbe aus. Ein Vorwurf, der dem Gremium bis heute anlastet - auch wenn einige (zu) wenige Fortschritte getan wurden. Für die meisten Diskussionen sorgte bei der aktuellen Ausgabe das Fehlen von Kanadas zweiterfolgreichsten Musikexport The Weeknd. Charttechnisch hatte der Sänger ein fantastisches Jahr. Mit «After Hours» toppte er mehrere Wochen die Charts. Die Single «Blinding Lights» überbot diese Zahlen noch deutlich. Als Grund der Auslassung des RnB-Künstlers wird seine Zusage für den Super Bowl 2021 vermutet. Weil er dafür auf einen Grammy-Auftritt verzichten würde, soll er aus den Nominiertenlisten gestrichen worden sein. Die Academy hat also mit einigen Vorwürfen aufzuräumen.