Die Beziehung zwischen Rap und YouTuber*innen ist - nennen wir es mal so - speziell. Vor allem Deutsch-Rapper zeigen sich mittlerweile immer öfters in YouTube-Formaten. Youtuber wie Inscope21, Justin, Montana Black und Co. haben Rapper-Freunde, sind meinungsbildend und fester Bestandteil der Rap-Szene - ohne selbst Rapper zu sein. Will ein YouTuber aber umsatteln und sich in der Musik versuchen, wird er von Rapper*innen und Fans kaum ernst genommen. Doch ist diese Skepsis wirklich gerechtfertigt? Wir haben uns einige der grossen YouTube-Rapper*innen angeschaut. Neben positiven Beispielen gibt es auch Leute, die ihre Karriere besser schleunigst beenden würden.
Das beste Beispiel dafür, dass der Switch in die Rap-Szene funktionieren kann, ist Shirin David. Der Inbegriff einer starken Businessfrau gehört aktuell, wie so ziemlich alle wissen werden, zur absoluten Deutschrap-Elite. Shirin eröffnete 2014 einen eigenen YouTube-Kanal, der sich vor allem an junge Frauen richtete. Über DSDS, eigene Parfumlaunchs und Cover-Songs kam sie 2019 zum Rap.
Shirin David schaffte, was nur wenige schaffen: Den Sprung von YouTube in die Rap-Szene - und dabei sogar akzeptiert zu werden. Shirin kann auf Songs mit Adlip-König Luciano, Offenbach-OG Haftbefehl und dem französischen Chart-Stürmer Maitre Gims zurückblicken. Sie hängt mit Farid Bang ab und bekommt Props aus allen HipHop-Ecken. Das alles wird gekrönt von einem Nummer eins-Album und zwei Nummer eins-Singles.
Doch von nichts kommt nichts. Auch Shirin musste sich den Platz an der Sonne erkämpfen, denn nicht jeder freute sich über ihre damalige Albumankündigung. Auch heute noch zählen ihre Videos x-tausende Daumen nach unten. Die ausgebildete Sängerin wird es dank ihrem Erfolg verkraften können.
Lil Lanos Ziel war es schon immer, berühmt zu werden. Noch unter dem bürgerlichen Namen Alec startete er deshalb 2016 einen YouTube-Kanal, mit dem er schnell eine beeindruckende Reichweite aufbauen konnte. Das Rezept: übertriebene Selbstdarstellung und sich auf egal welche Weise ins Gespräch bringen. So passiert, als er Peso-Gründer Justin frontete und einen viralen Beef startete.
Wie der YouTube- und Social-Media-Hase läuft, weiss der Hamburger schon lange. Zum Rap-Karrierestart liess er sich farbige Braids machen, tätowierte sich das Gesicht und fing sich an auffällig zu kleiden - eigentlich ein bisschen wie ein deutscher 6ix9ine. In den letzten zwei Jahren und durch konstanten Output hat sich Lil Lano in der Szene mehr und mehr einen Namen gemacht, der über die Meme-Inszenierung hinaus geht. Mittlerweile hat er einen Universal-Deal und ist ein akzeptiertes Mitglied der deutschen Rap-Szene. Er verzichtet auf die Überinszenierung und setzt inhaltlich auf Ehrlichkeit anstatt Drogen-Storys und Geflexe. Lil Lano hat seine eigene Nische gefunden - verdientermassen.
Einer der ersten YouTube-Rapper war der selbsternannte Rap-Experte Julien. Als Youtuber machte er sich vor allem einen Namen mit Rapper-Analysen von Deutschrap-Stars wie Haftbefehl, Bushido und Co. Anfang der 2010er-Jahre lief dem Kollegah-Groupie bei Doppelreimen und Wie-Vergleichen das Wasser im Mund zusammen und alles, was nicht auf Technikmassaker setzte, wurde als minderwertig abgestempelt. Kein Wunder, dass Haftbefehls Analyse sehr negativ ausfiel.
Als grösster Experte seiner Zeit ist es naheliegend, dass der Welt bewiesen werden muss, dass das theoretische Rap-Wissen ausreicht, um selbst Hits schreiben zu können. Der JBB-Gründer stellte sich also selbst hinters Mic. Sein Rezept: grenzwertige Lines, Doppelreime, Wie-Vergleiche und Fronts in Richtung von ziemlich jeder Rap-Grösse. Schade nur, dass das Resultat whacker war als so ziemlich alles, das er damals kritisierte.
Julien Boss, wie er sich als Rapper nennt, ist übrigens wieder zurück. Vor drei Wochen droppte er mit «11. September» eine Single des im Dezember erscheinenden Album «Intro». Das Rezept ist noch das gleiche wie vor Jahren. Über die Qualität kannst du selbst urteilen.
ApoRed war ursprünglich ein Gaming-YouTuber, der dann irgendwie auf Fashion-Content switchte, nur um dann trotzdem wieder Fortnite-Streams zu machen - da soll mal einer durchblicken. Bei diesem Content-Durcheinander darf natürlich nicht fehlen, dass Musik releast wird. Der Allerechte, wie er genannt wird, hat in den letzten Jahren an die 10 Songs releast. Das Learning aus seinen bisherigen Tracks: Manche Leute sollten es beim Videocontent belassen.
Der YouTuber, der wahrscheinlich mehr Haarspray benutzt als Heidi Klum in allen Taft-Werbespots zusammen, rappt primär über Statussymbole - bei drei seiner Songs geht’s um Autos - und setzt dabei auf Trap- und Afrotrap-Beats. In letzter Zeit unterlegt er seine Songs vor allem mit Zweitgenannten. Darauf gibt er auch die deutlich bessere Figur ab. Ob es bei ApoReds Musik noch einen nachhaltigen Qualitätssprung nach oben geben wird, steht in den Sternen. So oder so ApoRed wird weiter über seine «Babawagen» rappen.
Schon vor gut einem Jahr haben wir uns gefragt, ob YouTube-Rap wirklich das nächste grosse Ding wird - glücklicherweise ist das nicht passiert. Einziger wirklicher Schweizer YouTube-Rapper bleibt Marc Galaxy, der sich heute zwar Nilai nennt - aber Nebensache.
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Der wirkliche Unterschied zu vor einem Jahr: Marc Galaxy ist gar kein richtiger YouTuber mehr. Im Januar 2020 verkündete er seinen Rückzug aus der YouTube-Szene, um seiner wirklichen Leidenschaft nachzugehen: der Musik. Ja, 2020 hielt schon einige Hiobsbotschaften für uns bereit...
Wer jetzt gespannt ist, wie Nilais Musik denn nun tönt, den müssen wir leider enttäuschen. Auf die grosse Ankündigung der Neuausrichtung folgten etwa so viele musikalische Releases, wie Travis Scott Grammy Awards zuhause stehen hat: keine.
Im Juni meldete er sich nach rund fünfmonatiger YouTube-Abstinenz zurück. Die Entzugserscheinungen müssen es unumgänglich gemacht haben. In einem Video gab er dann auch ein Update: Fans müssen sich noch gedulden, denn anstatt wie geplant eine EP, wird der Neo-Musiker ein ganzes Album releasen und da muss schliesslich ordentlich Arbeit reingesteckt werden. Wie der jetzige Stand ist, wissen wir nicht. Aber hey, wir sind gespannt auf das, was da auf uns zukommt.
Manchmal verstecken sich auch wirkliche Rohdiamanten unter den erfolgreichen YouTubern. So auch George Miller. Dieser machte international als Filthy Frank YouTube-Karriere, indem er verstörend witzigen Video-Content produzierte. 2017 bestätigte er, dass er keine Videos mehr produzieren werde. Das Herz der YouTube-Community war gebrochen. Stattdessen wollte er sich auf die Musikkarriere konzentrieren. Seither releast der Amerikaner düstere, äusserst eigenständige Musik unter dem Künstlernamen Joji. Ihn aber als Rapper zu bezeichnen, würde ihm nicht gerecht werden. Da das 88rising-Mitglied auch eine äusserst passable Gesangstimme hat, bewegt sich sein Output immer weiter weg von Rap-Musik.
2017 startete Mois mit Youtube-Reactions auf das Rap-Geschehen. Heute ist er eine der einflussreichsten Personen im Deutschrap-Game. Er besitzt mit der Keller Gmbh ein eigenes Label, betrieb mit «Nice or Scheiss» eines der wichtigsten Newcomer-Formate in Deutschland, beeinflusst die Meinung von Millionen von Jugendlichen mit und versuchte, wie so ziemlich jeder Rap-Fan, zu rappen. Einziger Unterschied, unsere musikalischen Ausflüge hat zum Glück nie jemand zu Ohren bekommen.
Nachdem er zu Beginn nur zur Feier des 500'000. und 1'000'000. Followers einen Song releaste, scheint es Mois heute etwas ernster zu meinen. In regelmässigen Abständen schickt er Songs auf die Reise durch die Kopfhörerkabel der Welt. Dass das Autotune-Gesülze an seinem Ziel vor allem Schmerzen auslöst, war aber wahrscheinlich nicht so geplant.
Man kann Mois aber nicht absprechen, dass er sich keine Mühe gibt. Man muss ihm hoch anrechnen, dass er versucht Inhalte zu vermitteln. Leider kann das nicht über die fehlende Qualität hinwegtäuschen.
Maxamillion ist ein ziemlich erfolgreicher Fashion-YouTuber aus Österreich. Dass er sich gerne in Gebiete vorwagt, von denen er nur wenig Ahnung hat, hat er schon oftmals unter Beweis gestellt. Der Österreicher, der zuerst primär Lifestyle-Content produzierte, wird von anderen Fashion-YouTubern oftmals als inkompetent bezeichnet. Ihm wird’s egal sein, der Erfolg spricht leider für ihn.
Auch Maximillion braucht ein Nebeneinkommen. Da darf neben der eigenen «Fashion-Brand», wie sie eigentlich jeder deutschsprachige Mode-YouTuber hat, auch der Ausflug ins Rap-Game nicht fehlen. Der «Pasta Shoota», wie er sich unironisch als Rapper nennt, releaste unter anderem eine Hypebeast-Hymne, einen Diss-Track gegen Justin und einen «Kokaina»-Remix. Worte über die Skills zu verlieren lohnt sich an der Stelle nicht wirklich. Aber schau selbst: