Doch was ist genau passiert? Von Jamule, einem Deutschrapper ohne wirkliche Ecken und Kanten, sowohl musikalisch als auch persönlich, tauchte ein Instagram-Video auf, das so niemals hätte auftauchen - nein, hätte aufgenommen - werden dürfen. Der Video-Ausschnitt zeigt den Künstler bei einem Event. Es wird vermutet, dass es eine Burna Boy-Live-Show gewesen sein soll. Während dieser Show beklagt sich Jamule darüber, dass die Show langweilig sei, da nur Schwarze anwesend seien. Als wäre das nicht genug, unterstreicht der Rapper seine Aussage mit einem abwertenden Handzeichen.
Wie zu erwarten folgte die Entschuldigung kurz darauf. Jamule meinte zwar in einem Insta-Post, dass ihm die Wortwahl und das Video sehr Leid tue und bat gleichzeitig um Verzeihung, trotzdem musste noch das ominöse «aus dem Kontext gerissen»-Argument platziert werden... nicer Typ.
Weil es nicht viel nützt, wenn wir als weitere weisse Redaktion darauf aufmerksam machen, obwohl wir nur bedingt nachvollziehen können, was solche Aussagen bei Betroffenen auslösen, möchten wir hier einige schwarze Protagonist*innen der CH-Rap-Szene zu Wort kommen lassen:
Der Newcomer sendete uns ein ausführliches Statement zu, worin er sich primär enttäuscht zeigte, dass solche Aussagen immer noch in dieser Häufigkeit und vor allem innerhalb der HipHop-Kultur auftreten:
«Jamule macht HipHop. Das ist Musik, die es nur dank Afro-Amerikaner*innen gibt. Er hat einen Kleidungsstil, den es so nur dank Afro-Amerikaner*innen gibt. Die ganze heutige Pop-Kultur ist aus den afroamerikanischen Ghettos entstanden. Und wenn du als Künstler davon profitierst und gutes Geld damit machst, dann erwarte ich von dir, dass du auch Respekt zollst oder zumindest nicht so dumm bist, solche Aussagen zu tätigen und dich noch dabei zu filmen.»
Weiter erklärte er uns, wie solche Aussagen überhaupt im HipHop-Kontext entstehen können:
«HipHop erlebt einen Disconnect zwischen den Wurzeln und dem, was es jetzt im Moment ist. [...] Die Leute assoziieren HipHop nicht mehr mit der afroamerikanischen Kultur. Es ist heute einfach Popkultur. Nur das ermöglicht, dass Leute die Teil der Community sind, solche Aussagen tätigen.»
Z The Freshmans Appel an uns als Community lautet folgendermassen:
«Solche Leute wie Jamule sollte man einfach mal boykottieren, dass sie es auch zu spüren bekommen. Man sollte nicht nur sagen: ‚Hey, das finde ich nicht geil’, damit danach eine halbgare Entschuldigung unter einem Insta-Post kommt.»
Die Unterdrückung der Schwarzen sprach Z schon in seiner Single Kinshasa 1974 an.
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Die Berner Rapperin gibt uns in Bezug auf Jamules Video Einblicke, wie es sich als schwarze Frau in einer mehrheitlich weissen Gesellschaft anfühlt:
«Ich finde das Video ziemlich abstossend [...] Diese Form von Rassismus, von weissen Männern gegenüber schwarzen Frauen ist sehr stark. Das merkst du schon in der Schule, wenn du begreifst, dass die Jungs nur auf die blonden Girls stehen.»
«Weiterführend bemerkt man das im von Weissen dominierten Ausgang als schwarze Frau sehr gut. Du wirst mit dem Arsch angesehen, was eine Form von Rassismus ist. Ich habe diese Abneigung von weissen Cis-Männern gegenüber dunkelhäutigen Frauen schon mehrfach erlebt. Diese Cis-Männer geben dir von Anfang an keinen Funken Respekt.»
Die Rapperin sieht darin ein gesamtgesellschaftliches Problem:
«Diese Art von Rassismus, diese Abneigung gegenüber schwarzen Frauen kommt sehr häufig vor. Man wird von Anfang an nicht beachtet. Du musst dir eigentlich Sexismus gegenüber dir selbst als Frau verdienen, weil du nicht in die Norm passt. Du fühlst dich danach falsch und musst lernen damit zu leben, obwohl die Gesellschaft falsch funktioniert.»
Unsere Journalistin Yosina hat schon vor einiger Zeit mit der aufstrebenden Rapperin gesprochen.
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Auch DaHated hat sich ausführlich zu Jamules Aussagen geäussert.
«Jamule ist eigentlich einer meiner favourite Artists in Deutschland. Mit seiner Entschuldigung macht er es sich schon sehr einfach, denn er war sich bewusst, was er rauslässt. Nach allem, das in letzter Zeit weltweit passiert ist, ist es sehr schade, dass sich eine Person aus der Öffentlichkeit so äussert.»
«Vor allem innerhalb der HipHop-Szene und von Künstlern, die mit Leuten wie Reezy oder Luciano zusammenarbeiten, die auch schwarz sind, kann ich so etwas überhaupt nicht nachvollziehen. Das empfinde ich als Fake. HipHop ist multikulti und jeder, der rappt, weiss woher HipHop kommt!»
Wir haben DaHated vor kurzem für ein Interview getroffen.
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Der Rapper Soda Goat ist vor allem enttäuscht von Jamule und Leuten, die Rassismus noch immer verbreiten.
«Es ist schon beschämend, dass man auf diese Art eine Party verlässt. Es sollte heute schon längst kein Thema mehr sein. Es ist beschämend und schade, dass Leute dem Thema Rassismus noch immer Kraft geben und dass man von einem Künstler so etwas hören muss.»